Bisher war Kentuckys Gouverneur Andy Beshear davon ausgegangen, dass über hundert Menschen den Wirbelstürmen zum Opfer gefallen sein könnten. Bis zu 70 Tote wurden allein in einer Kerzenfabrik in der Stadt Mayfield befürchtet. Ein Sprecher des Betriebes sprach am Sonntagabend gegenüber Reuters aber von deutlich niedrigeren Zahlen, es gebe acht bestätigte Todesfälle, acht weitere Mitarbeiter würden vermisst. „Einer ist schon zu viel, aber Gott sei Dank stellt sich die Zahl der Opfer als sehr, sehr viel kleiner heraus“, sagte Sprecher Bob Ferguson. Wie hoch die Totenzahl tatsächlich ist, war am Montag weiterhin unklar.
Nach Angaben des Nationalen Wetterdienstes fegten in der Nacht auf Samstag 36 Tornados durch die Bundesstaaten Illinois, Kentucky, Tennessee, Missouri, Arkansas und Mississippi. Die Wirbelstürme zerstörten Wohnhäuser, Fabriken und Lagerhallen.
USA: Suche nach Überlebenden
Die USA befinden sich nach dem verheerenden Durchzug einer ganzen Serie von Tornados durch mehrere Bundesstaaten mit Dutzenden Toten im Schockzustand. Am stärksten betroffen ist der Bundesstaat Kentucky.
„Wir sind Ground Zero“
Die Aufräumarbeiten und die Bergung von Toten und Verletzten kommen weiterhin nur mühsam voran. Zahlreiche Überlebende müssen weiter ohne Obdach, Wasser und Strom auskommen. „Die Verwüstung ist mit nichts zu vergleichen, was ich in meinem Leben gesehen habe“, sagte Beshear. „Es fällt mir schwer, es in Worte zu fassen.“ Er meinte: „Wir sind Ground Zero.“ Der gewaltige Luftwirbel, der Mayfield zerstörte, bewegte sich nach Angaben der Behörden 320 Kilometer hinweg über die Erdoberfläche – das ist eine der längsten verzeichneten Tornadostrecken in den USA überhaupt.
In Edwardsville im Bundesstaat Illinois prallte ein Tornado auf eine Amazon-Lagerhalle, als dort in der Nachtschicht Weihnachtsbestellungen bearbeitet wurden. Sechs Leichen wurden dort geborgen, 45 andere Mitarbeiter konnten nach Feuerwehrangaben in Sicherheit gebracht werden. Dutzende Mitarbeiter wurden noch vermisst. Amazon-Chef Jeff Bezos zeigte sich in einer Twitter-Botschaft „untröstlich“ über die Todesfälle. Auch ein Pflegeheim in Arkansas wurde von einem Tornado getroffen, mindestens ein Heimbewohner in der Stadt Monette kam ums Leben.
Katastrophenfall erklärt
Der US-Präsident erklärte Kentucky inzwischen zum Katastrophenfall und legte damit die Voraussetzung für Bundeshilfen. Biden kündigte auch eine Untersuchung durch die Umweltbehörde an, welche Rolle der Klimawandel bei den Wirbelstürmen gespielt haben könne. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen davor, dass die Heftigkeit von Naturkatastrophen durch den Klimawandel zunimmt. Es sei bekannt, „dass alles intensiver wird, wenn sich das Klima erwärmt“, so auch Biden.
Anteilnahme im Kreml und im Vatikan
Die Chefin der Katastrophenschutzbehörde FEMA, Deanne Criswell, sagte gegenüber CNN: „Das wird unsere neue Normalität sein." Die Auswirkungen des Klimawandels seien „die Krise unserer Generation“, so Criswell. „Wir unternehmen bei der FEMA viele Anstrengungen, um mit den Gemeinden zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen dieser Unwetterereignisse zu verringern und systemweite Projekte zu entwickeln, die zum Schutz der Gemeinden beitragen können.“
Eine Kondolenzbotschaft erhielt Biden vom russischen Staatschef Wladimir Putin, mit dem er erst am Dienstag einen Videogipfel zur Ukraine-Krise abgehalten hatte. In dem Telegramm bekundete Putin laut Kreml sein „aufrichtiges Beileid“ wegen des Tornadodesasters. Papst Franziskus sagte, er bete „für die Opfer des Tornados, der Kentucky getroffen hat“.