Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Vom Löffel bis zur Villa

Josef Hoffmann erstmals komplett

Als lang erwartete „Riesenunternehmung“ startet nun im Wiener MAK die umfassende Josef-Hoffmann-Retrospektive. Die pandemiebedingt verschobene Schau, die bereits zum 150. Geburtstag vor einem Jahr hätte eröffnet werden sollen, führt erstmals umfassend durch 60 Jahre Schaffenszeit des zentralen Wiener-Moderne-Architekten, Designers und Wiener-Werkstätten-Mitbegründers. Unter dem Titel „Schönheit durch Fortschritt“ würdigt man einen wandelbaren Innovator – quer durch fünf politische Regime.

„Boudoir für einen großen Star“ lautet der spektakuläre Titel einer floralen Chaiselounge- und Lehnsessel-Kombination, die Hoffmann einst auf der Pariser Weltausstellung 1936 präsentiert hatte und die nun im MAK-Hauptraum im damaligen Setting nachgebaut ist: Viel mehr als der verschwenderische Pomp glänzt hier doch die Reduktion. Mit dem Ende der Ära der Ringstraßenzeit war die Zeit der puristischen Noblesse angebrochen – und Hoffmann war der zentrale Geschmacks- und Identitätsstifter.

Eine „Schau der Superlative“ hieß es bei der Pressekonferenz: Erstmals überhaupt zeigt man Hoffmanns einflussreiche Architektur-, Kunstgewerbe- und Designentwürfe gemeinsam vom Lederetui über das Schnapsglas bis zur Werkbundsiedlung. Dass die Ausstellung im MAK stattfindet, ist dabei nur logisch: Als Professor der angrenzenden Kunstgewerbeschule, der heutigen Angewandten, war Hoffmann zu Lebzeiten eng mit dem Museum verbunden. Das Haus birgt heute auch das größte Hoffmann-Archiv.

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Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Ruhebett aus „Boudoir für einen großen Star“ von der Pariser Weltausstellung, 1937
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Tisch für die Wohnung Dr. Hermann Wittgenstein, 1905
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links: Sessel aus dem Speisesaal des Sanatoriums Westend, 1904; rechts: Henkelkorb für die Wiener Werkstätte, 1906
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Teeservice für die Wiener Werkstätte, 1903
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Silberbesteck für Fritz und Lili Waerndorfer, 1904–1908
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links: WW-Postkarte des Barraum Cabaret Fledermaus, 1907, rechts: der Klosehof, 1923–1925, einer von Hoffmanns Gemeindebauten
Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Porzellanservice „Melone“ für die Porzellanmanufaktur Augarten, 1931

Kein Unterschied zwischen hoher und niederer Kunst

Mehr als 1.000 Artefakte hat das Kuratorentrio – Matthias Boeckl, Rainald Franz und Christian Witt-Dörring – in drei Jahren Vorbereitungszeit zusammengetragen, Möbel und Teppiche, Vasen und Service, Schirmständer und Buchumschläge, Kleider und Stoffmuster, Lampen und Besteck. Im typisch hoffmannesken, von schwarz-weißen Rechtecken dominierten Ausstellungsdesign führt man nun chronologisch durch Leben und Werk.

Hoffmann, einer der wichtigsten Figuren der Wiener Moderne, galt die Einheit der Künste als zentrale Forderung: Als Architektur- und Designpionier machte er keinen Unterschied zwischen hoher und niederer Kunst, zwischen Gebrauchs- und bildender Kunst. Der alles bestimmende Faktor in seinem Werk sei „der Glaube an die Rettung der Welt durch das Schöne“ gewesen, so Witt-Dörring bei der Pressekonferenz, und das ziehe sich durch sein vielfältiges Schaffen.

Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Ausstellungsdesign in hoffmannesker Schwarz-Weiß-Geometrie

Von der Omegaform zum Quadrat

Hoffmann, geboren 1870 in Tschechien in gutbürgerlichem Hause, studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste zunächst noch beim Ringstraßen-Architekten Carl von Hasenauer, ehe der wegweisende Wiener-Moderne-Architekt Otto Wagner die Klasse übernahm: Von den Einflüssen beider spricht noch Hoffmanns Diplomarbeitsentwurf. Im Umfeld des „Siebener-Clubs“ begründete er 1897 dann die Secession mit, schon mit 29 Jahren wurde er auf Wagners Empfehlung Professor an der Kunstgewerbeschule.

Ein geschwungen-ornamentaler Schrank aus Kolo Mosers Ateliereinrichtung (1898) zeigt, wie Hoffmann in seiner Frühzeit zunächst mit den organischen, typischen Omegaformen des Jugendstils arbeitete. Um 1901 entdeckte er, inspiriert durch die englische Arts-and-Crafts-Bewegung, schließlich das Quadrat als Gestaltungsmotiv. Die puristische Geometrik wird zum Markenzeichen.

Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Links: Kurvilineare Formen bei Kolo Mosers Atelierschrank, 1898, rechts: Sessel aus dem Speisesaal des Sanatoriums Westend, 1904.

Gesamtgestalterische Vision

Er sei besonders „am Quadrat an sich und an der Verwendung von Schwarz und Weiß“ interessiert gewesen, weil diese „klaren Elemente niemals in früheren Stilen erschienen sind“, sagte Hoffmann selbst dazu retrospektiv. Unter dieser Prägung stehen etwa berühmte Möbelentwürfe, aber auch das Sanatorium Purkersdorf (1904), das Palais Stoclet in Brüssel (1905-–1911) und die Villenkolonie auf der Hohen Warte, die Hoffmann vom Dach bis zum Wohnzimmerschrank durchdesignte.

Das Haus, „dessen Äußeres auch schon sein Inneres verraten müsse“, wurde für ihn zur Idealvorstellung. Fotos der ausgeklügelten Interieurs aus den Hohe-Warte-Häusern von Carl Moll und Kolo Moser offenbarten erstmals seine gesamtgestalterische Vision.

Josef-Hoffmann-Jubiläumsausstellung im MAK

Josef Hoffmann gilt als einer der bedeutendsten österreichischen Architekten und Designer. Das Museum für Angewandte Kunst widmet ihm nun anlässlich seines 150. Geburtstags eine Jubiläumsausstellung.

Hoffmann für alle Schichten

Mit der Wiener Werkstätte, gegründet 1903 gemeinsam mit Moser, hatte Hoffmann schließlich eine Institution zur Hand, die es ihm ermöglichte, seine Ideen ohne Zwischenhandel umzusetzen. Vom edlen Teppich über Designklassiker wie der „Sitzmaschine“ (1905), lederne Buchumschläge, Bestecksets, Kleidung im Schwarz-Weiß-Muster-Look oder raffinierte Gläser mit schwarz eingebranntem Bronzitdekor, die Hoffmann gemeinsam mit der Firma Lobmeyr entwickelte: Mit der Wiener Werkstätte konnte man sich gleich das ganze materielle Umfeld in einem Guss durchdesignen lassen, vorausgesetzt man verfügte über die finanziellen Mittel.

Ausstellung „Josef Hoffmann“ im MAK
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Einer der berühmtesten Hoffmann-Bauten: Der Österreich-Pavillon der Biennale Venedig von 1934

Hoffmann als Designer für die oberen Zehntausend, mit diesem „Klischee“ will die MAK-Retrospektive aber ein Stück weit aufräumen. Ein wichtiger neuer Aspekt der Ausstellung sei „der soziale Josef Hoffmann“, so Kurator Boeckl im ORF.at-Gespräch. Pläne und Fotos zeigen Hoffmanns Entwürfe von Arbeiterkolonien, Werksiedlungen und gleich sechs Gemeindebauten, die er ab der Zwischenkriegszeit gestaltete. Unkompliziert hätte Hoffmann seine avancierten und ambitionierten Pläne runtergeschraubt und so kostengünstige Schönheit für alle ermöglicht, erzählt Boeckl.

Kurzzeithoch in der NS-Zeit

1932 muss der Architekt und Designer, der nach seiner geometrischen Phase seine Entwürfe Richtung Neoklassizismus ausdehnt, schließlich den Konkurs der Wiener Werkstätte erleben. In der Dollfuß-Diktatur erlebt er einen weiteren Karriereknick. Zwar gestaltet er 1934 den Österreich-Pavillon der Biennale Venedig, Jüngere wie Clemens Holzmeister und Oswalt Härdtl nehmen jedoch mehr und mehr seinen Platz ein.

Ausstellungshinweis

Josef Hoffmann. Fortschritt durch Schönheit. 15. Dezember 2021 bis 19. Juni 2022 im Wiener MAK, dienstags 10.00 bis 21.00 Uhr, mittwochs bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr.

Einen neuen Aufschwung ermöglicht der NS-Kulturbetrieb, was die Ausstellung nun mit aktuellen Forschungsergebnissen kontextualisiert. „Eine einfache und zugleich komplexe Geschichte“, so Böckl dazu, der Hoffmann als einen beschreibt, der sich mit allem arrangiert hätte, „Hauptsache die Kulturpolitik stimmte“. Unterstützt von einem persönlichen Netzwerk in der frühen Wiener NS-Elite – der Wiener NS-Bürgermeister Hermann Neubacher etwa war ein enger Freund – kündigte sich eine Wiederbelebung der Wiener Werkstätte an.

„Josef Hoffmann hat sicher vieles ausgeblendet, was damals an gefährlichen und mörderischen Aktivitäten bereits sichtbar war“, so Boeckl dazu. Die NSDAP-Mitgliedschaft sei ihm jedoch verweigert worden, da er „im Umfeld der Wiener Werkstätte eng mit jüdischen Mäzenen und Kunden verbunden war“, wie das Urteil 1940 gelautet habe.

Materialreicher Überblick

Hoffmanns Nachkriegsbauten und sein Einfluss auf gegenwärtiges Architektur- und Designschaffen komplettieren schließlich den Rundgang. Im Mittelraum – dem „Kernreaktor“ der Schau – gibt es nochmal einen Einblick in die beeindruckende Fülle des Schaffens: So designte Hoffmann sogar die Stoffbespannungen für die ÖBB aus den 1920er und 1930er Jahren – freilich Erste-Klasse-Waggons. Mit ihrem materialreichen Überblick ist die Ausstellung unbedingt sehenswert. Im Dickicht von Artefakten und nüchtern gehaltenem Text empfiehlt sich dabei durchaus eine Führung.