Italiens Premier Mario Draghi
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Präsident gesucht

Italien braucht noch einen „Super Mario“

Unter Premier Mario Draghi hat sich in Italien vieles zum Besseren gewandelt, von pandemischen bis zu wirtschaftlichen Zahlen. Der nüchterne Römer machte das zuvor als unregierbar geltende Land zum Musterschüler Europas. Nun wird aber Italiens neuer Staatspräsident gesucht. Auch dafür gibt es für viele nur einen Kandidaten: „Super Mario“ Draghi. Das bringt aber Italiens Erfolgsweg ins Schlingern.

Rasante Regierungswechsel waren einst nicht Österreichs, sondern Italiens Spezialität. 30 Premiers standen seit Ende des Zweiten Weltkriegs der Regierung in Rom vor, in Österreich waren es trotz jüngster Turbulenzen nur 20. Draghi, der aktuelle Premier, schürt aber Hoffnung auf stabile Zeiten, ausgerechnet während Pandemie und Wirtschaftskrise.

Dabei war Draghi die typische Notfalllösung. Einmal mehr herrschte in Italien zu Beginn des Jahres Regierungskrise: Die Dreiparteienkoalition unter dem parteilosen Premier Giuseppe Conte war gerade im Streit über EU-Gelder zusammengebrochen, für Neuwahlen war keine Zeit. Staatspräsident Sergio Mattarella setzte in der Krisenbewältigung auf ein in Italien bewährtes Konzept: Ein Technokrat sollte her und das Schiff erst einmal in ruhige Gewässer manövrieren. Mattarella holte Draghi aus der Pension in den Palazzo Chigi und betraute ihn mit der Regierungsbildung.

Strenge CoV-Politik

Draghi erwies sich seither als Glücksgriff in der Krise. Er stellte ein breites Bündnis, eine Regierung der nationalen Einheit, von links bis rechts, zusammen und ging mit kühlem Pragmatismus Reformen, etwa in der Verwaltung, an. Er gibt keine Interviews und füttert die Presse nicht mit populistischen Häppchen. Konflikte werden hinter verschlossenen Türen gelöst.

Draghis Karriere

Der Weg des Ökonomen Draghi führte von der Weltbank über das italienische Finanzministerium bis zur Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Er prägte 2012 das Mantra der Euro-Krise „Whatever it takes“: Die EU werde alles tun, um den Euro zu retten. Seit Februar ist Draghi Präsident des Ministerrats in Italien.

In der Pandemie, die Italien zu Beginn hart getroffen hatte, regierte er klar und bestimmt. Die Regierung verschärfte die Restriktionen für Ungeimpfte drastisch, sie sind von Restaurantbesuchen, Kinos, Diskotheken und Fußballspielen im Stadion ausgeschlossen. In den „Öffis“ gilt die 3-G-Regel, für Lehr- und Verwaltungspersonal im Gesundheits- und Schulwesen herrscht Impfpflicht.

So trieb Draghi, von Protesten unbeeindruckt, die Impfquote nahe 90 Prozent. Damit gehört Italien zu Europas Spitze. Gleichzeitig wuchs Italiens Wirtschaft deutlich: 6,4 Prozent BIP-Wachstum werden für 2021 erwartet.

Spekulationen über Ambitionen

Für seine Politik in den vergangenen Monaten erntete Draghi Kritik, aber auch großen Rückhalt in der Bevölkerung. Seine Popularitätswerte bewegen sich in Umfragen über 60 Prozent. Dennoch ist nun Italiens neue Stabilität bedroht: Das Land braucht einen neuen Staatspräsidenten. Für viele kommt da nur einer infrage: Draghi. Doch beide Ämter kann er nicht ausfüllen.

Italiens Präsident Sergio Mattarella
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Sergio Mattarella tritt ab

In Italien wählen Parlament und Vertreter der Regionen den Staatspräsidenten, die nächste Wahl ist im Jänner. Seit Monaten wird spekuliert, ob und wie Draghi nun in den Quirinalspalast wechseln könnte. Der 80-jährige Mattarella will keine weitere Amtszeit. Würde Draghi nun Präsident werden, käme es wohl zu vorgezogenen Parlamentswahlen, die relativ stabile Regierungszeit wäre damit vorbei.

Dass er sich aufstellen lassen könnte, damit kokettierte Draghi selbst. Bei seiner Pressekonferenz zum Jahresabschluss am Mittwoch sagte er: „Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Arbeit fortgeführt werden kann – egal, wer dort sitzt.“ Sein persönliches Schicksal zähle „absolut nichts“, so Draghi. „Ich bin ein Mann und ein Großvater im Dienste der Institutionen.“

Berlusconi: „Werde tun, was mein Land braucht“

Doch auch ein anderer alter Bekannter der italienischen Politszene bringt sich in Stellung fürs Präsidentenamt: Silvio Berlusconi, unbeirrt von Gesundheitsproblemen, Sexskandalen und seinem hohen Alter von 85 Jahren. Der milliardenschwere Medienmogul, derzeit Abgeordneter im EU-Parlament, weiß, wie man Wahlen gewinnt. Aber er ist auch in Italien hochumstritten, eine tragende Mehrheit ist für ihn nur schwer zu erreichen. Die Mitte-links-Parteien stemmen sich gegen seine Kandidatur, gegen Berlusconi läuft in Mailand immer noch ein Prozess wegen Zeugenbestechung. Auch eine Petition gegen Berlusconi als Staatspräsident wurde eingerichtet.

Doch Berlusconi treibt seinen inoffiziellen Wahlkampf voran, denn ein Kandidat braucht eigentlich zwei Drittel der Stimmen. Daher sind die Chancen für Berlusconi aufrecht, er hofft, sein Ziel auf einem Ticket der Mitte-rechts-Parteien erreichen zu können. Spätestens in einer vierten Wahlrunde sind nur noch 50 Prozent plus eins nötig.

Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi
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Berlusconi kämpft noch immer gegen eine Verurteilung. Dennoch bringt er sich als nächster Präsident ins Gespräch

Berlusconi befeuert auch selbst die Spekulationen. Auf einer Konferenz im Oktober sagte er in Hinblick auf das Präsidentenamt, er könne nützlich sein. „Ich werde nicht nachgeben und tun, was mein Land braucht“, so Berlusconi. Im November schickte er zudem eine Anthologie seiner Reden und politischen Prioritäten an fast alle rund 1.000 Abgeordneten, die den Präsidenten wählen werden, und verpflichtete sich zu einer Liste liberaler Werte.

Ruf nach einender Persönlichkeit

Laut den Sozialdemokraten muss der neue Staatspräsident aber eine parteiübergreifende Persönlichkeit mit Prestige sein. Als mögliche Kandidaten wurden auch der sozialdemokratische Ex-Premier und Jurist Giuliano Amato und die parteiunabhängige Marta Cartabia genannt. Cartabia wäre die erste Frau im Amt.

Unter Draghis Anhängerinnen und Anhängern hoffen viele, dass sich „Super Mario“ durchsetzt. Dann könnte er einen Vertrauten oder eine Vertraute mit der Leitung der Regierung betrauen. Die Möglichkeit einer Neuwahl bliebe so aber aufrecht und damit auch das Risiko, dass Italiens Erfolgsweg ins Schlingern gerät.