Ausweichsquartier des Parlaments
ORF.at/Roland WInkler
Über 50 Beschlüsse

Marathon zum Jahresende im Nationalrat

Der Nationalrat beendet das Jahr mit einem Sitzungsmarathon. Am Mittwoch und Donnerstag, den beiden letzten regulären Sitzungstagen in diesem Jahr, stehen über 50 Gesetzesbeschlüsse auf dem Programm, wie es zuletzt in einer Aussendung hieß. Das Spektrum reicht vom Tierschutz über unterschiedliche Anpassungen bei den CoV-Maßnahmen, Kurzarbeit und Homeoffice bis hin zur Sterbehilfe.

Am Mittwoch begann der Plenartag mit einer Aktuellen Stunde, für die die Grünen das Thema wählen konnten. Es ging um Atomkraft. Anschließend wurden die Volksbegehren gegen die Impfpflicht, das Tierschutz-Volksbegehren und das Volksbegehren „Ethik für alle“ behandelt. Die meisten Unterschriften hat mit 416.000 das Tierschutz-Volksbegehren erhalten, gefolgt von dem gegen die Impfpflicht mit 269.000. „Ethik für alle“ erhielt 160.000 Unterschriften.

In der Debatte über das Impfpflicht-Volksbegehren verteidigte Gesundheitsminister Wolfang Mückstein (Grüne) seine Pläne. Aus den anderen Fraktionen mit Ausnahme der FPÖ kam Unterstützung. Die FPÖ protestierte dagegen vielstimmig.

Ein weiterer Programmpunkt im Plenum ist dann unter anderem die Dienstrechtsnovelle für den Öffentlichen Dienst, die einen Gehaltsabschluss von im Durchschnitt drei Prozent (sozial gestaffelt) für das kommende Jahr bringt. Niedrigere Einkommen steigen ab 1. Jänner um 3,22 Prozent, höhere um maximal 2,91 Prozent.

Heikle Materie Sterbehilfe

Ein ganz anderes Thema ist die Neuregelung der Beugehaft, die eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) notwendig gemacht hatte. Diese kann nunmehr bis zu einer maximalen Gesamtdauer von einem Jahr verhängt werden. Ebenfalls quasi auf Auftrag des VfGH neu geregelt wird das – besonders heikle – Thema Sterbehilfe, das aber erst am Donnerstag. Tötung auf Verlangen bleibt zwar weiterhin verboten, allerdings wird Beihilfe zum Suizid in einem engen Rahmen möglich.

Schwer oder unheilbar Kranke, die volljährig und entscheidungsfähig sind, erhalten die Möglichkeit für eine entsprechende Verfügung. Voraussetzung ist, dass die Sterbewilligen von einem Arzt aufgeklärt sind und die Krankheit festgestellt wird. Außerdem muss die Entscheidungsfähigkeit von einem zweiten Mediziner bzw. einer zweiten Medizinerin bestätigt werden.

Schule und Unterricht zu Hause

Zuvor ist noch am Mittwoch die Schule ein Thema, genauer die Sommerschule in den letzten beiden Ferienwochen, die gesetzlich implementiert wird. Konkret wird sie an den Volksschulen, den Mittelschulen, den Sonderschulen und in der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) verankert. Die Teilnahme ist freiwillig, es gibt auch keine Noten. Abgehalten wird der Unterricht durch Lehramtsstudierende und Lehrer bzw. Lehrerinnen.

Die Frist für die Abmeldung von Kindern zum häuslichen Unterricht bzw. zum Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht wird verkürzt. Bisher konnten Kinder bis zum Beginn des jeweiligen Schuljahrs abgemeldet werden – künftig muss das bereits mit dem Ende des vorangegangenen Schuljahrs erledigt sein. Außerdem gibt es ein verpflichtendes „Reflexionsgespräch“. Abmeldungen vom regulären Schulbetrieb waren zuletzt häufiger geworden.

Erste Fragestunde für neuen Innenminister Karner

Das Plenum am Donnerstag beginnt mit einer Fragestunde, in der sich der neue Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erstmals den Abgeordneten stellen wird. Weitere Themen am Donnerstag: Volkszählung per Register, der „Grüne Bericht“ zur Situation der heimischen Land- und Forstwirtschaft, mehrere Entschließungsanträge, Steuerbefreiungen, etwa für Essensgutscheine im Homeoffice und Weihnachtsgutscheine bis zu einem Wert von 365 Euro.

Von Sonderbetreuungszeit bis Bildungsbonus

Ein großer Themenblock ist naturgemäß die Coronavirus-Pandemie. Die Zuschüsse für Tests in Betrieben werden bis inklusive März verlängert, die Sonderbetreuungszeit ebenfalls. Das bedeutet: Wenn Betreuungseinrichtungen etwa für Kinder unter 14 Jahren auf Anordnung der Behörden geschlossen werden oder aber eine Absonderung angeordnet wird, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Dienstfreistellung bis zu drei Wochen – vorausgesetzt, niemand sonst kann die Betreuung übernehmen.

Verlängert wird auch die Laufzeit des Bildungsbonus, und zwar bis Ende Dezember 2022. Der Zuschlag zum Arbeitslosengeld in Höhe von 120 Euro im Monat wird Arbeitslosen gewährt, die eine zumindest viermonatige Schulung oder Qualifizierungsmaßnahme im Auftrag des Arbeitsmarktservice (AMS) absolvieren.

Kurzarbeit und Saisonniers

Eingeführt wird eine längerfristige Kurzarbeitsprämie von 500 Euro für alle Personen, die zwischen März vergangenen und Oktober dieses Jahres mindestens zehn Monate sowie im November mindestens einen Tag in Kurzarbeit waren. Weitere Voraussetzung ist, dass die Personen vor der Kurzarbeit höchstens die Hälfte der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage verdient haben. Dazu werden die aktuellen Kurzarbeitsregeln für von der Pandemie betroffene Branchen um drei Monate verlängert, und es werden Saisonbetrieben pandemiebedingt 65 Prozent der Lohnkosten abgegolten, die ab Beginn des Betretungsverbots bis zum frühestmöglichen Eintritt in die Kurzarbeit entstanden sind.

Stichwort Saisonniers: Die Höchstzahl für befristet beschäftigte ausländische Saisonarbeitskräfte für Tourismus und Ernte entfällt in der Niederlassungsverordnung. Die Zulassung der Saisonniers soll stattdessen über die jährlichen Kontingentverordnungen gesteuert werden. Außerdem gibt es Erleichterungen für Stammarbeitskräfte, Personen, die in den vergangenen fünf Kalenderjahren, also ab 2017, in zumindest drei Jahren im selben Wirtschaftszweig Tourismus oder Land- und Forstwirtschaft jeweils mindestens drei Monate befristet beschäftigt waren, können Bewilligungen außerhalb von Kontingenten und ohne Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall erhalten.

Mindeststrafen für Verstöße gegen CoV-Regeln

Als Reaktion auf die mittlerweile vierte Coronavirus-Welle werden weitere Anpassungen der Maßnahmenpakete, aber auch neue Sanktionen beschlossen, darunter etwa Mindeststrafen für Verstöße gegen die geltenden Regelungen. Diese werden jeweils mit zehn Prozent der Höchststrafen bemessen und betreffen unter anderem Betretungsverbote, Ausgangsbeschränkungen und Verbote von Zusammenkünften.

Neue Rahmenbedingungen gibt es bei der Beschaffung von Medikamenten gegen das Virus. Aktuell ist diese auf das „Joint Procurement“ der EU beschränkt. Weil einige Arzneimittelhersteller aber nicht über das Beschaffungsprogramm der Union verkaufen, werden bilaterale Verträge nötig, weshalb die Einschränkung zur Beschaffung künftig weniger restriktiv sein soll.

Unterstützung für Kunst- und Kulturschaffende

Die Unterstützungsleistungen für selbstständige Kunstschaffende werden verlängert. Konkret wird die Geltung des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes um ein weiteres Quartal bis Ende März kommenden Jahres ausgedehnt. Darüber hinaus wird die „Gutscheinlösung“ für entfallene oder verschobene Veranstaltungen verlängert. Der Erstattungsanspruch in Geld wird befristet aufgeschoben bzw. Veranstaltern das Recht eingeräumt, zwischenzeitlich (teilweise) einen Wertgutschein gestaffelt nach Beträgen zu übergeben.

Einmalzahlung an Bedürftige

Die Koalition wird diese Woche auch einen Teuerungsausgleich beschließen. Konkret vorgesehen ist eine Einmalzahlung von 150 Euro, von der Arbeitslose, Mindestsicherungs-, Ausgleichszulagen- und Studienbeihilfebezieher sowie Mobilitätsstipendiaten profitieren sollen, wie die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer in einer Pressekonferenz am Rande des Plenums mitteilte.

ÖVP-Klubchef August Wöginger wiederum bewarb einen weiteren Beschluss, der am Donnerstag im Plenum ansteht. Laut diesem können wie im Vorjahr CoV-Prämien in Höhe von 3.000 Euro vergeben werden. Die Maßnahmen sind für ihn sozialpolitisch mehr als gerechtfertigt.