Eine Frau wird mit dem Impfstoff „Sinovac“ geimpft
Reuters/Athit Perawongmetha
Studie zu Omikron

Probleme mit „Sputnik V“ und Sinovac

Angesichts der Verbreitung der Virusvariante Omikron wurde zuletzt eindringlich zur dritten Impfung aufgerufen. Denn es mehren sich die Hinweise darauf, dass zwei Dosen zum Schutz gegen die Variante nicht ausreichen. Es wird befürchtet, dass das Problem auch für Russlands Vektorimpfstoff „Sputnik V“ und die chinesischen Vakzine von Sinopharm und Sinovac bestehen könnte. Das würde nicht nur China und Russland, sondern große Teile der Welt treffen.

Omikron hat zuletzt bekanntlich die Debatte über die dritte Impfung beschleunigt. Daten aus Großbritannien hatten gezeigt, dass zwei Dosen der Impfstoffe von AstraZeneca sowie Pfizer/Biontech einen wesentlich geringeren Schutz gegen die Omikron-Variante bieten als gegen die Delta-Variante.

Zu einem ähnlichen Schluss kam eine Untersuchung des Massachusetts General Hospital (MGH), der Harvard-Universität und des MIT zu Moderna, Biontech/Pfizer und Johnson & Johnson. Zwei Impfungen bieten demnach deutlich weniger Schutz durch Omikron, dieser wird erst durch die Auffrischungsimpfung erhöht. Auch Studien der Impfstoffhersteller und des London Imperial College stützen diese Erkenntnis.

Mittlerweile mehren sich die Anzeichen dafür, dass auch der russische Vektorimpfstoff „Sputnik V“ sowie die chinesischen Totimpfstoffe von Sinovac (CoronaVac) und Sinopharm (BBIBP-CorV) bei zwei Impfungen kaum Schutz gegen die Omikron-Variante bieten dürften. Eine Vorabpublikation der Universität Hongkong kam etwa zu dem Schluss, dass doppelt mit CoronaVac Geimpfte nicht genug neutralisierende Antikörper bilden würden, um Omikron zu neutralisieren. Der Hersteller Sinovac teilte daraufhin mit, dass eine dritte Impfung den Schutz erhöhe, weitere Daten sollen dazu nachgeliefert werden.

Putin verteidigt „Sputnik V“

In die gleiche Richtung deuten auch am Dienstag veröffentlichte Daten aus einer Vorabpublikation mehrerer internationaler Forscherinnen und Forscher, in denen auch „Sputnik V“ und das Sinopharm-Vakzin keinen Schutz bei Omikron bieten. Das hinter „Sputnik V“ stehende Gamelaja-Institut übte harsche Kritik an den Daten, sprach von einer bewusst verzerrenden Auswahl der Samples. Diese stammte von Krankenpflegerinnen aus Buenos Aires, die mit „Sputnik V“ geimpft wurden.

Keine EU-Zulassung

In der EU sind weder „Sputnik V“ noch die chinesischen Impfstoffe zugelassen.

Am Freitag teilte das Institut schließlich mit Verweis auf eigene Untersuchungen mit, dass „Sputnik V“ einen lange andauernden Schutz biete und eine hohe neutralisierende Wirkung gegen Omikron habe. Noch bessere Wirkung würde ein Booster mit dem Einmalimpfstoff „Sputnik Light“ erzielen. Genaue Daten bleiben ausständig, die Studie werde nach einem Peer-Review in einer Fachpublikation veröffentlicht. Auch Präsident Wladimir Putin rückte zur Verteidigung von „Sputik V“ aus. Es habe den Anschein, als würde „Sputnik V“ „gut und vielleicht sogar besser wirken, als die weltweit eingesetzten Impfstoffe“, so Putin bei einer Wirtschaftskonferenz.

Krammer: Booster wohl notwendig

Ob die chinesischen und russischen Impfstoffe bei doppelter Impfung den Krankheitsverlauf tatsächlich mildern könnten, bleibt abzuwarten, so Impfstoffexperte Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in den USA. Er hatte erst vor Kurzem Besorgnis geäußert, dass inaktivierte Impfstoffe – also Totimpfstoffe – wie jene in China bei Omikron ohnehin nur bedingt wirksam sein könnten. Benötigt würden nun jedenfalls auch beim Einsatz der chinesischen und russischen Vakzine Booster-Dosen, wahrscheinlich am besten mit mRNA-Impfstoffen, so Krammer gegenüber ORF.at.

Keine westlichen mRNA-Vakzine in China und Russland

Allerdings sind weder in China noch in Russland die im Westen entwickelten mRNA-Impfstoffe zugelassen. In beiden Staaten wurden mittlerweile Omikron-Fälle nachgewiesen. Russland hatte bereits vor rund einer Woche 16 Omikron-Infektionen bei Südafrika-Rückkehrern entdeckt. Die Sorge ist deswegen groß – auch weil die Impfraten niedrig sind und die CoV-Dunkelziffer hoch. Nur etwa 47 Prozent der Bevölkerung sind geimpft.

Amoullen des Impfstoffs „Sputnik“
Reuters/Heo Ran
Der Andrang auf Impfstoff dürfte in den nächsten Wochen noch intensiver werden

In China wurden ebenfalls mehrere Fälle verzeichnet. Zuletzt wurde eine Jugendliche aus Polen nach ihrer Ankunft in China positiv auf die Omikron-Variante getestet. Auch in der südchinesischen Millionenmetropole Guangzhou wurde ein Fall entdeckt. Das Virus sei bei einem 67-Jährigen nachgewiesen worden, der im November nach China gekommen sei, hieß es am Dienstag. China praktizierte bisher eine strikte Strategie zur Verfolgung und Eindämmung neuer Fälle.

Impfstoffversorgung wird schwieriger

Die große Krux ist aber, dass die beiden Staaten nicht die einzigen sind, die ihre Impfstoffe verwenden. Sowohl Russland als auch China haben ihre Vakzine in zahlreiche Staaten exportiert oder gespendet. Laut einer aktuellen Auswertung wurde etwa die Hälfte der elf Milliarden weltweit hergestellten Impfdosen in China produziert. Zu den größten Abnehmern gehören die bevölkerungsreichen Staaten Indonesien, Brasilien und Pakistan.

Angesichts dessen stellte sich die Frage, wie schnell die Impfstoffproduzenten in Russland und China ihre Produktion an die neue Variante anpassen könnten. Die weltweite Versorgung mit Impfstoff wird mit dem gestiegenen Bedarf an Booster-Impfungen durch Omikron jedenfalls schwieriger.

Auch Krammer betonte, dass Booster zwar schützen und mRNA-Impfstoffe adaptiert werden können – aber nicht in allen Ländern. Und je mehr Booster-Dosen man in reichen Ländern brauche, desto weniger Impfstoffe stehen für wirtschaftlich schwächere Staaten zur Verfügung. Wie Omikron gezeigt habe, könne das Konsequenzen für die ganze Welt haben.

Freigabe von mRNA-Technologietransfer

Vor diesem Hintergrund wurden auch die Rufe nach der Freigabe von Impfstoffpatenten wieder lauter. Human Rights Watch (HRW) legte am Mittwoch eine Untersuchung vor, der zufolge mindestens 120 Pharmaunternehmen in Asien, Afrika und Lateinamerika zur Produktion von mRNA-Impfstoffen in der Lage wären.

Ihnen fehle nur die Technologie der Firmen, die mRNA-Impfstoffe entwickelt haben. Sie appellierte an die Firmen und namentlich die Regierungen von Deutschland und den USA, diesen Technologietransfer zu ermöglichen. Nur so könne die Welt die Pandemie in den Griff bekommen. Mehr als zwei Drittel der Impfdosen wurden bisher in reichen Ländern verabreicht, nur ein Bruchteil in den ärmsten Ländern.

Die Pharmaindustrie argumentiert immer, der Aufbau einer mRNA-Herstellung und die Schulung des Personals seien kompliziert und brauchten Jahre. Die Firmen bemühten sich selbst, adäquate Partner in anderen Ländern zu finden. Moderna will nach eigenen Angaben Produktionsstätten in Afrika aufbauen, ebenso Biontech.