Menschen in einer Impfstraße
AP/Vadim Ghirda
Pandemie

Wettlauf zur Eindämmung von Omikron

Angesichts der Omikron-Variante ringen Staaten derzeit weltweit damit, sich auf die neue Situation einzustellen. Angesichts nur vorläufiger Ergebnisse zur Gefährlichkeit des Virus und der Wirksamkeit der Impfungen werden vielfach zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung zumindest zu bremsen. Auch in Österreich ist die Debatte nun – kurz nach dem Ende des Lockdowns für Geimpfte und Genesene – mittlerweile voll im Gange.

Während in Großbritannien ein Ansteigen auf bis zu 300.000 Neuinfektionen täglich befürchtet wird, sind hierzulande derzeit mehr als 70 Omikron-Infektionen bestätigt. Dass die heimische Politik noch weniger unter Druck steht als etwa der britische Premier Boris Johnson, zeigte sich nach dem Ministerrat, als auf Nachfrage Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte, die Regeln für Weihnachten und Silvester seien noch nicht entschieden.

Der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, warnte im Ö1-Mittagsjournal dagegen, dass die Variante deutlich ansteckender sei als bisherige und die Zahlen daher in die Höhe schnellen werden. Er drängte entsprechend zu weiteren Maßnahmen: Neben einem Beschleunigen der Boosterimpfungen nannte Foitik vor allem eine umfassende FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen wie Büros und im Handel, sobald man nicht allein ist.

Foitik rief auch die Unternehmen, insbesondere jene, die für kritische Infrastruktur zuständig sind, auf, sich schon jetzt auf einen eventuellen Ausfall eines Viertels oder Drittels ihrer Belegschaft vorzubereiten – und wie in einem solchen Fall trotzdem der nötige Betrieb aufrechterhalten werden könnte. Foitik sagte, das sei keine Prognose, sondern lediglich ein Szenario. Er hält das angesichts der rasanten Verbreitung des neuen Virus etwa in Großbritannien und Dänemark für unerlässlich.

Kontaktverfolgung wird zusammenbrechen

Die verschärfte Quarantäne verteidigte Foitik als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, um die Verbreitung im aktuellen Stadium möglichst zu bremsen. Er geht aber davon aus, dass in absehbarer Zeit zu viele Menschen mit Omikron infiziert sein werden, um diese scharfe Form der Quarantäne aufrechtzuerhalten. Sie hat vor allem Sinn, solange die Kontaktverfolgung funktioniert.

Diese wird laut Foitik aber bald „nicht mehr funktionieren“, da die Zahl der Neuinfektionen zu rasant steigen werde. Ganz ähnlich hatte zuvor bereits der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) argumentiert – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ärztekammer für Vorteil für Geimpfte

Die Ärztekammer will dagegen für dreifach Geimpfte Erleichterungen bei den strengen Quarantäneregeln, die im Falle eines Kontakts mit Omikron-Infizierten gelten. All jene, die bereits den Booster erhalten haben, sollten dann nicht generell als K1-, sondern als K2-Kontaktpersonen gelten oder sich nach fünf Tagen freitesten können. Die Ärztekammer betonte in einer Aussendung, die Studienlage zeige „immer deutlicher“, dass dreifach geimpfte Menschen auch vor der Omikron-Variante „gut geschützt“ seien und vor allem der Schutz vor schweren Verläufen hoch sei.

Dass alle automatisch als K1 eingestuft werden, „erscheint uns zu streng und würde darüber hinaus Ärztinnen und Ärzte gerade jetzt in ihrer Arbeit über Gebühr behindern“, sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres. Er verspricht sich von einer Erleichterung für dreifach Geimpfte, dass sich mehr Menschen den Booster holen.

Wird Lockdown für Ungeimpfte verlängert?

Wie die Regeln über Weihnachten und den Jahreswechsel ausschauen, ist laut Regierungsangaben noch unklar. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und die Experten würden die Entwicklung genau beobachten, sagte Nehammer. Der Lockdown für Ungeimpfte gilt bis einschließlich 21. Dezember, der Hauptausschuss des Nationalrats kann eine solche Maßnahme immer nur für zehn Tage beschließen.

Nehammer ersuchte noch „um etwas Geduld“, was die nächsten Schritte für die Feiertage betrifft. Man müsse den Experten etwas Zeit geben, in der Zwischenzeit solle man sich an die geltenden Maßnahmen wie FFP2-Maske und Handhygiene halten und sich impfen lassen. Die Entwicklung im Lichte der offenbar deutlich ansteckenderen Variante Omikron nehme man „sehr ernst“, versicherte Nehammer.

Kanzler: Dritter Stich „Antwort der Wissenschaft“

Deshalb erfolge die Öffnung aus dem Lockdown dieser Tage nur mit „Sicherheitsgurt“. Einmal mehr richtete der Kanzler die „dringende Bitte“ an alle: „Gehen Sie impfen!“ Die dritte Teilimpfung sei absolut notwendig, um die Impfung vorläufig zu komplettieren. „Ja, die Omikron-Variante wird mühsam“, so auch Nehammer, aber der dritte Stich sei die „Antwort der Wissenschaft“ darauf.

Rufe nach Notfallplan in Deutschland

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte erst am Dienstag erneut davor gewarnt, die neue Mutation zu unterschätzen. Omikron verbreite sich weltweit rasant und drohe erneut viele nationale Gesundheitssysteme zu überlasten.

In Deutschland drängten am Mittwoch mehrere Fachleute auf mehr aktives Handeln. Eine alleinige Konzentration auf die Boosterkampagne reiche nicht, sagte etwa die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek. Der Berliner Modellierer Dirk Brockmann forderte einen Notfallplan von der Politik, wie man auf verschiedene Szenarien reagieren könnte. Beide gehen aufgrund der deutlich höheren Übertragbarkeit davon aus, dass eine neue Welle nicht zu verhindern sei. Man müsse nun alles tun, um den Schaden möglichst klein zu halten.