Urteil im Eichmann-Prozess vor 60 Jahren

Am 15. Dezember 1961 ist in Jerusalem der Prozess gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann mit einem Todesurteil, vollstreckt im darauffolgenden Jahr zu Ende gegangen. Die Anklagepunkte in dem Prozess, der am 11. April 1961 begonnen hatte und weltweit für Aufmerksamkeit sorgte, waren unter anderem Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen.

Blick in den Gerichtssaal während des Prozesses gegen Adolf Eichmann.
AP

Eichmann war seit der Wannsee-Konferenz 1942 mit der „Endlösung der Judenfrage“ betraut gewesen und organisierte von seinem Schreibtisch aus den Holocaust. Der damalige SS-Obersturmbannführer und Referatsleiter im Reichssicherheitshauptamt war mitverantwortlich für die Ermordung von rund sechs Millionen Juden. Während des NS-Regimes organisierte er die Deportation von Millionen Menschen in Vernichtungslager.

Nach Argentinien geflohen

Nach dem Krieg floh Eichmann und lebte jahrelang in Argentinien. Im Mai 1960 spürten Israelis den unscheinbar wirkenden Bürokraten dort auf, und der Geheimdienst Mossad entführte ihn in einer Kommandoaktion. Eine wesentliche Rolle bei der Suche und Ergreifung von Eichmann spielte damals Simon Wiesenthal, der in der Folge sein Dokumentationszentrum in Wien gründete.

„Opfern eine Stimme gegeben“

In Israel markierte das Verfahren den Anfangspunkt für eine kollektive Aufarbeitung der NS-Verbrechen. "Der Prozess hat den Opfern eine Stimme gegeben und das absolut Böse des Nazi-Regimes in Verbindung mit den Juden demonstriert“, sagte dazu einmal der ehemalige Direktor des Jerusalemer Wiesental-Zentrums, Efraim Zuroff. „Vor dem Prozess 1961 war die Verfolgung von Nazi-Kriegsverbrechern mehr oder minder zum Stillstand gekommen.“

„Die Auswirkungen des Prozesses reichten weit über den Gerichtssaal in Jerusalem hinaus, sie fanden einen Widerhall in ganz Israel und auf der ganzen Welt“, schrieb im April zum 60. Jahrestag des Prozessbeginns die israelische Staatsanwaltschaft: „Während des Prozesses bekamen Holocaust-Überlebende die Gelegenheit auszusagen. Ihre Aussagen änderten die Wahrnehmung des Holocausts und die spätere Behandlung der Überlebenden.“

Die Vorgänge im Gerichtssaal wurden live im Radio ausgestrahlt – „Hunderttausende Israelis, wo auch immer sie sich gerade aufhielten – zu Hause oder auf der Straße, in der Arbeit oder in der Schule –, verfolgten aufmerksam die Sendungen, insbesondere die Aussagen der Überlebenden“, erinnert die Gedenkstätte Jad Vaschem. Dazu kamen Hunderte Berichterstatter aus aller Welt, unter ihnen die Politologin und Publizistin Hannah Arendt, die in der Folge mit ihrem Bericht über die „Banalität des Bösen“ für kontroverse Debatten sorgte.