Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Brüssel
AP/Johanna Geron
„Glühender Europäer“

Nehammer auf Antrittsbesuch in Brüssel

Erstmals in der Rolle als Bundeskanzler hat Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch Brüssel besucht. Anlass dafür ist der am Donnerstag beginnende EU-Gipfel. Anlässlich des Antrittsbesuchs stand ein Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf der Tagesordnung. Bereits zuvor hielt Nehammer ein Plädoyer für Europa.

„Ich bin ein glühender Europäer“, sagte Nehammer. Als Bundeskanzler werde er die österreichischen Interessen in der EU vertreten, „immer eingedenk der Tatsache, dass die Europäische Union an sich das größte Friedensprojekt der Geschichte ist“, das es weiterzuentwickeln gelte. Dafür brauche es „starke Stimmen, und Österreich wird eine davon sein“.

So wichtig ihm das Projekt Europa sei, so wichtig sei ihm aber auch das Prinzip der Subsidiarität, betonte der ÖVP-Politiker. Es brauche genau so viel Kompetenz in den Nationalstaaten, um Probleme, die nationalstaatlich „am effizientesten und am besten lösbar sind“, tatsächlich auch in dieser Kompetenz zu behalten.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
APA/AFP/Stephanie Lecocq
Nehammer traf bei seinem Antrittsbesuch als Kanzler EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen

Als Beispiel nannte Nehammer, der zum Auftakt seines Brüssel-Aufenthalts mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammengetroffen war, die Pandemiebekämpfung. Zwar sei es wichtig gewesen, die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen auf EU-Ebene voranzutreiben, die jeweiligen Maßnahmen müssten aber von den einzelnen Ländern ergriffen werden.

Von der Leyen: „Guter Austausch“

Von der Leyen sprach von einem „guten Austausch“ mit Nehammer. Sie freue sich auf die produktive Zusammenarbeit zwischen der EU und Österreich, erklärte die Kommissionschefin auf Twitter. „Wir haben gemeinsam viel vor, und Österreich ist ein wichtiger Partner“, schrieb sie in Hinblick auf den CoV-Wiederaufbaufonds, das EU-Klimaschutzpaket „Green Deal“ und die Digitalisierung.

Nehammer sagte, es brauche aber „Ge- und Entschlossenheit" der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der EU-Kommission nach außen, „um wirkungsvoll aufzutreten“. Bestes Beispiel sei die Rolle in einem „globalisierten Markt mit großen Playern wie China, den USA und anderen aufstrebenden Nationen“.

„Belastungsdruck“ bei Migration

Beim Thema Migration habe er Ursula von der Leyen vermittelt, welchem „Belastungsdruck wir ausgesetzt sind“, erklärte Nehammer. Die EU-Kommissionspräsidentin sei sehr beeindruckt gewesen von den Zahlen, die Österreich „zu stemmen“ habe. „Das ist ein nicht allgemein vorhandenes Wissen auch innerhalb der Europäischen Kommission“, sagte der Bundeskanzler.

„Glühender Europäer“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat anlässlich des beginnenden EU-Gipfels zum ersten Mal in seiner neuen Rolle Brüssel besucht. Bei seinem Antrittsbesuch traf er auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Gesprächen. Nehammer unterstrich die Bedeutung Europas und der Europäischen Union für Österreich und bekräftigte, dass Österreich „eine starke Stimme“ sein werde.

„Ich konnte darlegen, woher der Migrationsdruck gerade besonders stark spürbar ist für Österreich, und was es bedeutet, wenn wir nicht genug Augenmerk darauf legen, dass wir schnelle Asylverfahren haben, einen starken Außengrenzschutz und auch schnelle und effiziente Rückführungen.“ Im letztgenannten Punkt sei die Präsidentin „eine starke Verbündete für die österreichische Position“, betonte Nehammer.

Auch Konflikt mit Bayern in Sachen Verkehr war Thema

Die Kommissionspräsidentin habe auch ein großes Interesse daran, dass der Konflikt zwischen Bayern und Österreich betreffend „Lkw-Transit und Brenner“ gelöst werde, erklärte Nehammer. „Sie wird vonseiten der Kommission verschiedene Maßnahmen setzen, um in einer Form der Mediation Österreich und Bayern zueinanderzubringen, um hier einen Interessenausgleich zu finden.“ Das sei „ganz besonders wichtig“ für die Tiroler Bevölkerung, „die unter dem Lkw-Transit in einer unglaublichen Art und Weise belastet ist“, formulierte der Bundeskanzler.

Dass er außer seinem griechischen Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis bisher keinen der in Brüssel anwesenden Staats- und Regierungschefs persönlich kenne, irritiert Nehammer nicht. „Wichtig sind politische Kontinuitäten.“ Auch als Innenminister sei er bei diversen EU-Meetings stets mit neuen Politikerkollegen konfrontiert gewesen.

Spitzen der östlichen Partnerländer getroffen

Am Nachmittag traf Nehammer mit den 26 anderen EU-Staats- und -Regierungschefs und Spitzen der östlichen Partnerschaftsländer Ukraine, Georgien, Moldawien, Armenien und Aserbaidschan zusammen. Die Ukraine-Krise sowie Migrationskrise mit Belarus dürften den Gipfel dominieren. Zudem will die EU 35 Millionen Euro aus dem EU-Budget bereitstellen, um CoV-Impfungen in den Ländern der östlichen Partnerschaft voranzutreiben.

„Für uns als Österreich ist dieses Treffen deshalb wichtig, weil wir auch der Ukraine klar unsere volle Unterstützung und Solidarität signalisieren“, betonte Nehammer. In der Ukraine-Krise, bekräftigte der Bundeskanzler, wolle Österreich die Funktion des „Brückenbauers“ einnehmen. „Wir tolerieren keine Politik der Gewalt“, sagte er. Seiner Ansicht nach sei es wichtig, neben dem Drohszenarium zur Entspannung beizutragen, mit den Konfliktparteien in einen Dialog einzutreten.

Hintergrund der Diskussionen sind Erkenntnisse der NATO, wonach Russland in Gebieten unweit der Ukraine derzeit zwischen 75.000 und 100.000 Soldaten zusammengezogen hat. Russland wies wiederholt zurück, einen Angriff auf die Ukraine zu planen.

„Scheinwerfer nach Weißrussland ausrichten“

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko suspendierte unterdessen die Teilnahme an dem Gipfel von sich aus, die EU lehnt aber auch hochrangige Treffen mit Vertretern derzeit ab. „Wir müssen den Scheinwerfer nach Weißrussland ausrichten, wenn es darum geht, Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung von Meinungsfreiheit, Unterdrückung von Pressefreiheit sichtbar zu machen“, betonte Nehammer. Auch müsse man dem Regime klarmachen, dass „die Europäische Union sich in keinster Weise erpressen lässt“.

Auf der Tagesordnung stand auch ein Treffen mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Seit Jahresbeginn kamen Tausende Geflüchtete – viele von ihnen aus dem Nahen Osten – über Belarus an die EU-Außengrenzen in Litauen, Polen und Lettland. Besonders angespannt ist die Situation an der Grenze zu Polen, auf dem Gebiet halten sich nach jüngster Einschätzung der polnischen Behörden nach wie vor rund 7.000 Personen auf.