Bundesministerium für Finanzen
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Studien für Finanzministerium

Revisionsbericht zeichnet desaströses Bild

Die nach Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen die ÖVP im Finanzministerium gestarteten internen Untersuchungen haben Unregelmäßigkeiten bestätigt. Kritik üben die Prüfer insbesondere an der Vergabe von Studien an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, aber auch an der Vergabe von Inseraten. Der Bericht der internen Revision zeichnet ein teilweise desaströses Bild.

Der neue Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sieht ein „Strukturversagen“, wie er Donnerstag vor Journalistinnen und Journalisten sagte. Das Ministerium prüft Schadenersatzforderungen. „Das Bild ist nicht wirklich ein besonders rosiges“, sagte der Leiter der Revision, Hannes Schuh.

Negativ aufgefallen ist der internen Revision insbesondere eine Studie der Meinungsforscherin Beinschab zur „Wirtschafts- und Budgetpolitik“. Im September 2016 gestartet, hätte sie nur 34.680 Euro kosten sollen. Bezahlt wurden aber 155.940 Euro, weil bis Jänner 2018 neun zusätzliche Rechnungen gelegt wurden. Welchen Sinn die „Ergänzungsarbeiten“ hatten, konnte die Revision nicht nachvollziehen.

ÖVP-Ermittlungen: Unregelmäßigkeiten bestätigt

Die nach Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen gegen die ÖVP im Finanzministerium gestarteten internen Untersuchungen haben Unregelmäßigkeiten bestätigt. Kritik üben die Prüfer insbesondere an der Vergabe von Studien an die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, aber auch an der Vergabe von Inseraten. Der neue Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sprach am Donnerstag von einem „Strukturversagen“.

„Hohes Maß an Unregelmäßigkeit“

Die ursprüngliche, undatierte Studie habe „in hohem Maße Fragen zu politischen Parteien und Politikern“ enthalten, heißt es im Revisionsbericht. Und die „Ergänzungsarbeiten“ würden „den sachlichen Zusammenhang zu der ursprünglichen Studie vermissen lassen“. Die Studie überschneide sich zudem thematisch mit Studien eines anderen Instituts von 2012 bis 2017, wurde ebenfalls festgehalten. Insgesamt weise der Auftrag ein „hohes Maß an Unregelmäßigkeit“ auf, hieß es dazu im Bericht.

WKStA ermittelt

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt wegen des Verdachts, dass Vertraute von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dessen politischen Aufstieg durch manipulierte Umfragen unterstützt und aus Mitteln des Finanzministeriums bezahlt haben könnten. Hinweise darauf entnehmen die Ermittler sichergestellten Chats zwischen dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und der lange für die Tageszeitung „Österreich“ tätigen Meinungsforscherin Sabine Beinschab.

Die Ermittler glauben, dass Beinschab später in „Österreich“ veröffentlichte Umfragen über Scheinaufträge an das Finanzministerium verrechnet haben könnte. Einen dieser Scheinaufträge vermutet die WKStA in der erwähnten Studie zur Budgetpolitik.

Studienergebnisse nur in zwei Fällen im Amt

Von der Revision überprüft wurden insgesamt aber 28 Studien, die von der Kommunikationsabteilung des Ministeriums in Auftrag gegeben wurden, davon 13 bei Beinschab. Ergebnis: In keinem einzigen Fall gab es eine Ausschreibung, in 26 Fällen fehlten die Studienergebnisse im Akt, und in zwei Fällen waren die Studien auch auf Nachfrage nicht mehr aufzufinden. Dabei handelt es sich um zwei von Beinschab abgerechnete Studien zu den Themen „Nulldefizit“ und „Steuerentlastung“. Das Gesamtvolumen aller Studien beträgt laut Zahlung rund 1,2 Millionen Euro.

Magnus Brunner und Wolfgang Peschorn
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Minister Brunner und Finanzprokuratur-Chef Peschorn bei der Präsentation

Unregelmäßigkeiten bei Inseraten

Unregelmäßigkeiten fanden die Prüfer auch bei den Inseraten der Kommunikationsabteilung in der Tageszeitung „Österreich“. Auch hier gab es Direktvergaben ohne Ausschreibung, obwohl Inseratenschaltungen eigentlich über die Bundesbeschaffung hätten erfolgen sollen. Außerdem ging die Initiative für die Schaltung von Inseraten laut Schuh stets von der Zeitung aus.

Auch hier waren die Akten unvollständig. Brunner erklärte, die Inserate des Ministeriums künftig reduzieren zu wollen. Die Untersuchungsergebnisse hätten „Defizite aufgezeigt, die dem Selbstbild einer modernen und effektiven Verwaltung entgegenstehen“.

In dem Bericht wird festgehalten, dass die Ausgaben der Öffentlichkeitsarbeit von 2,84 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 13,22 Millionen Euro im Jahr 2020 gestiegen sind. Aus Sicht der internen Revision fehlt allerdings „eine umfassende Kommunikationsstrategie und abgeleitete Umsetzungspläne“.

Keine Befragungen für den Bericht

Ausgespart bleibt im Bericht aber die Frage, ob die Kommunikationsabteilung ihr Vorgehen mit Schmid oder dem Ministerbüro abgesprochen hat. Die Revision hat sich nämlich ausschließlich auf die vorliegenden Akten konzentriert und keine Befragungen durchgeführt. „Dass es vorher vermutlich in manchen Fällen Besprechungen mit jemand anderem gibt, das ist nicht aktenkundig dargestellt“, sagte Schuh dazu. Auch „externe Korrespondenz“ (etwa mit ÖVP oder Kanzleramt, Anm.) finde sich in den Akten nicht.

Leiter der Kommunikationsabteilung übt scharfe Kritik

Scharfe Kritik am Vorgehen der Revision kommt daher von Johannes Pasquali, dem derzeit dienstfrei gestellten Leiter der Kommunikationsabteilung. Von allfälligen Vereinbarungen zwischen Schmid und Beinschab habe er keine Kenntnis gehabt, betonte er in einer schriftlichen Stellungnahme. Außerdem sei er stets von der „rechtmäßigen Verwendung“ der Studien ausgegangen. Trotzdem sei er entgegen der Revisionsordnung des Ministeriums nicht zu den Vorwürfen befragt worden. „Zur Aufklärung und zum Verständnis hätte ich gerne beigetragen, doch war dies offensichtlich nicht erwünscht und wurde sogar schriftlich verweigert“, so Pasquali.

Das Finanzministerium überlegt nun jedenfalls, sich für die entstandenen Kosten schadlos zu halten, wie der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, sagte. Den Revisionsbericht hat er wie auch die Studien an die WKStA weitergeleitet. Keine Vorwürfe erhebt das Ministerium übrigens gegen Susanne Thier, die Freundin von Ex-Kanzler Kurz, die vor ihrer Karenz ebenfalls in der Kommunikationsabteilung arbeitete, wie Peschorn sagte.

Magnus Brunner und Wolfgang Peschorn
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Minister Brunner, Finanzprokuratur-Chef Peschorn und der Leiter der Revision, Schuh

Opposition sieht sich bestätigt

Die Opposition sieht sich durch den Bericht bestätigt. Die SPÖ sah Vorarbeiten für den kommenden Untersuchungsausschuss geleistet: „Nachdem das Finanzministerium nur einen kleinen Teil des Untersuchungsgegenstandes beleuchtet hat, watet es schon hüfttief im Korruptionssumpf. Wir danken für diese wichtige Vorarbeit und erwarten schnellstmögliche Übermittlung des Berichts an den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“, so Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsvorsitzender im Untersuchungsausschuss, in einer Aussendung: „In dem Bericht offenbart sich schon ein erster Teil des korrupten politischen Systems, das die ÖVP eingezogen hat. Wir werden dieses umfassend aufdecken.“

Für sein FPÖ-Gegenüber Christian Hafenecker ist es immer offensichtlicher, warum Sebastian Kurz und Gernot Blümel vor rund zwei Wochen endgültig ihre Posten räumen mussten. „Die Faktenlast dafür, dass die türkise Familie unter Missbrauch von Steuergeldern, der Manipulation von Umfragen und deren Verbreitung durch Inseratenkorruption die Übernahme der ÖVP sowie der Republik durchgezogen hat, ist erdrückend“, erklärte er.

Für den stellvertretenden NEOS-Klubobmann Niki Scherak stellt sich die Lage ähnlich dar. „Es ist höchst an der Zeit, dass Sebastian Kurz und die ÖVP ihr Versprechen wahr machen und endlich dazu beitragen, dass diese massiven Korruptionsvorwürfe restlos aufgeklärt werden. Von Karl Nehammer erwarte ich mir, dass er die Verantwortung der ÖVP für all das erkennt und dass auch die Volkspartei jetzt zur Aufklärung dieser schwerwiegenden Vorwürfe beiträgt“, so Scherak.

ÖVP: Keine Hinweise auf Kurz-Involvierung

Völlig anders sah man das bei der ÖVP. „Das Finanzministerium hat in seinem internen Revisionsbericht unmissverständlich klargestellt, dass es keinerlei Hinweise auf eine Involvierung von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz in die heute bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten gibt“, unterstrich ÖVP-Mandatar Christian Stocker in einer Aussendung: „Zudem geht es im Revisionsbericht um die Amtszeiten von Hans-Jörg Schelling und Hartwig Löger, und nicht um jene von Gernot Blümel. Damit zeigt sich einmal mehr, dass die seitens der Oppositionsparteien vorgebrachten Vorwürfe der Faktenlage widersprechen.“