Beschlussreigen im letzten Nationalrat des Jahres

Mit einem Beschlussreigen hat der Nationalrat gestern seine letzte reguläre Sitzung des Jahres 2021 abgehalten. Unter scharfer Kritik der Opposition wurde – mit Regierungsmehrheit – die Urheberrechtsnovelle beschlossen. Viele Kulturschaffende hatten sich schon im Vorfeld sehr unzufrieden gezeigt mit dieser Umsetzung der EU-Copyright-Richtlinie 2019 in das österreichische Recht.

Die Urheberrechtsnovelle soll die einschlägige Verantwortung großer Plattformen für den Upload geschützter Werke durch ihre Nutzer klären. Demnach ist künftig eine Lizenz einzuholen. Maßnahmen der Plattformen sollen jedenfalls nicht dazu führen, dass erlaubte Nutzungen unterbunden werden, auch im Sinne der Meinungsäußerungsfreiheit. Daher sind etwa Inhalte zugänglich zu machen, bei denen die Nutzer bereits beim Hochladen erklärt haben, dass diese erlaubt sind („Pre-flagging“). Kleine Teile von Werken sollen (mit einer Bagatellegrenze von 15 Sekunden) nicht automatisch blockiert werden.

Kein Direktvergütungsanspruch gegenüber Onlineriesen

Wenn Plattformen systematisch überbordende Schutzmaßnahmen setzen, die dazu führen, dass erlaubte Nutzungen auf der Plattform unterbunden werden, hat die KommAustria als im Entwurf vorgeschlagene Aufsichtsbehörde ein Aufsichtsverfahren einzuleiten. Nicht vorgesehen ist der – in Deutschland geltende – Direktvergütungsanspruch gegenüber Onlineplattformen. „ÖVP und Grüne gehen vor den Onlineriesen in die Knie“, kritisierte Katharina Kucharowits (SPÖ), dass „Google, Amazon oder Facebook“ geschützt würden. Auch aus Sicht des NEOS-Abgeordneten Johannes Margreiter „geht’s nicht ohne Direktvergütung“. Die Umsetzung der EU-Richtlinie sei missglückt, konstatierte Harald Stefan (FPÖ), etwa mit Hinweis auf die „sehr problematische“ Bagatelleregelung.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) beeindruckten diese Bedenken nicht: Sie lobte die „größte Reform seit Einführung des Urheberrechts 1936“ – und sieht diesen Rechtsbereich jetzt „zukunftsweisend“ für das digitale Zeitalter gestaltet.

Hilfen für selbstständige Kunstschaffende verlängert

Fixiert wurde – wie bei Verkündung des aktuellen Lockdowns angekündigt – die Verlängerung der Coronavirus-Hilfen für selbstständige Kunstschaffende. Die Geltung des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes wurde um ein weiteres Quartal bis Ende März 2022 ausgedehnt. Die „Gutscheinlösung“ für entfallene oder verschobene Veranstaltungen wurde verlängert.

Kronzeugenregelung verlängert

Die „große Kronzeugenregelung“ wird weiterhin gelten. Knapp vor Auslaufen der mit Jahresende befristeten Regelung wurde sie mit den Stimmen von ÖVP, Grünen, SPÖ und FPÖ um sieben Jahre verlängert.

Außerdem wurden einige kleinere Änderungen vorgenommen: Die Kriminalpolizei wird in den Kreis der Behörden einbezogen, an die Kronzeugen herantreten können. Zusätzlich zu um Kronzeugenstatus ansuchenden Unternehmen können künftig auch die einzelnen Mitarbeiter ihr Wissen offenbaren – und es wird sichergestellt, dass nur kooperierende Mitarbeiter auch den Status erlangen.

Geben kann es den Kronzeugenstatus bei Korruptions- und Wirtschaftskriminalität sowie bei Delikten mit Strafdrohung über fünf Jahre. Zentrales Kriterium ist weiter die Freiwilligkeit. Der potenzielle Kronzeuge muss aktiv an die Staatsanwaltschaft oder eben nunmehr die Kriminalpolizei mit seinem Wissen über kriminelle Handlungen oder Beweise herantreten – und sein Beitrag zur Aufklärung muss das Gewicht der eigenen Tat bei Weitem übersteigen.

CoV-Bestimmungen in Justiz verlängert

Ebenso verlängert wurden einige CoV-Bestimmungen zum Justizbereich, jedoch nur für sechs Monate. Mit Blick auf die Pandemie für weitere sechs Monate etabliert wurde u. a. die Möglichkeit, bestimmte Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen etwa per Video durchzuführen. Die Gebührenfreiheit der Unterhaltsvorschussgewährung wurde verlängert. Gleiches gilt für die Möglichkeit von Videokonferenzen und Umlaufbeschlüssen zur Entscheidungsfindung in Gremien, die nach dem Parteien- und Medienrecht vorgesehen sind.

„Klimafitter“: Wohnungseigentumsgesetz novelliert

„Klimafitter“ werden sollen Wohnhäuser ab Jänner 2022 mit der Novelle zum Wohnungseigentumsgesetz (WEG), die mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ beschlossen wurde. Der Einbau von E-Ladestationen in Mehrfamilienhäusern wird erleichtert, ebenso die Errichtung von Photovoltaikanlagen, thermische Sanierung von Gebäuden und Maßnahmen für die Barrierefreiheit.
Die Beschlussfassung für die Durchsetzung solcher Maßnahmen durch Eigentümer wird einfacher: Miteigentümer, die nicht mitstimmen, können künftig nicht mehr alles blockieren. Diese müssen aber über die geplante Änderung mit der Möglichkeit des Widerspruchs verständigt werden. Diese Regelung über eine „Zustimmungsfiktion“ soll auch bei anderen Änderungen zum Tragen kommen.

Zuverdienstgrenze bei Kindergeld wurde erhöht

Mit einstimmigen Beschlüssen für kleinere Anpassungen bei Kindergeld und Familienbeihilfe beendete der Nationalrat dann seine Sitzung. Eine kurzfristig von der ÖVP und Grünen vorgelegte Änderung brachte Familien ein kleines Weihnachtsgeschenk: Die Familienbeihilfe wird künftig vier Monate nach Schulabschluss weiter ausbezahlt.
Außerdem wurde der Weiterbezug der Familienbeihilfe für Studenten entbürokratisiert: Es ist künftig kein schriftlicher Antrag mehr nötig, der Anspruch läuft automatisch weiter. Wie angekündigt beschlossen wurde die Erhöhung der Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld von 7.300 auf 7.600 Euro. Damit ist auch im nächsten Jahr – trotz ASVG-Anpassungen – eine geringfügige Beschäftigung während der Karenz möglich.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) dankte den Abgeordneten zum Jahresende für ihre viele Arbeit – und dafür, dass es trotz der manchmal sehr polarisierten Stimmung doch allen ein Anliegen sei, den anderen mit Respekt zu begegnen, auch wenn das an den Reden im Plenum nicht immer zu erkennen sei. Die nächste reguläre Sitzung des Nationalrats steht für 20. Jänner am Kalender.