Menschen in einer Einkaufsstraße
APA/Roland Schlager
Appelle gegen Spaltung

„Es muss sich eine Mehrheit erheben“

Der Angriff auf eine Altenpflegerin in Braunau in Oberösterreich am Rande einer CoV-Demo hat zuletzt für große Empörung gesorgt. Dass die Straße in den letzten Wochen den Maßnahmengegnern überlassen wurde, stört viele im Land. Das soll sich ändern, am Sonntag will eine Initiative in Wien der Tausenden CoV-Toten gedenken. Es gehe auch um ein Zeichen gegen Spaltung und Radikalisierung und das Erzeugen „anderer Bilder“, hieß es am Freitag auf einer Pressekonferenz der Volkshilfe.

„Es ist Zeit aufzustehen – mit starker Stimme“, sagte Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher, man müsse ein Zeichen setzen, „dass es reicht mit dem Zerstören unserer Gesellschaft“. Die roten Linien des Miteinanders dürften nicht überschritten werden. Es gehe um eine „breite Allianz für die Abrüstung der Worte und Taten“. Vorfälle wie der Angriff auf die Pflegerin brächten die „immer tiefer werdende Spaltung zum Ausdruck“, man habe Sorgen hinsichtlich der Verhetzung und der Radikalisierung in der Gesellschaft.

Bildungsexperte Daniel Landau, Initiator der ab 18.30 Uhr geplanten Lichterkette am Sonntag auf dem Wiener Ring, will mit der Aktion („Yes We Care“) Dank an all jene ausdrücken, die „so viel leisten“ – für alles Weitere sei die Politik gefragt. Ein Zeichen zu setzen und um die mittlerweile über 13.000 CoV-Toten zu trauern, tue der Gesellschaft gut. Man wolle einen Kontrapunkt gegen Spaltungsversuche setzen – „nicht im Sinne des Gegeneinanders, sondern des Miteinanders“, wie Landau versicherte.

Daniel Landau, Initiator der Lichterkette
Volkshilfe
Daniel Landau initiiert die Aktion „Yes We Care“

Forderung nach „Bannmeile“ vor Spitälern erneuert

Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres sprach auf der Volkshilfe-Pressekonferenz: In Gesundheitsberufen werde seit bald zwei Jahren „Übermenschliches“ geleitet, darum seien die Demos dagegen „gar nicht“ zu verstehen („Gegen jene, die anderen helfen?“). Entsprechend verstärke man die Forderung, Demonstrationen vor Spitälern und Gesundheitseinrichtungen zu verbieten und dort eine „Bannmeile“ einzurichten.

„Endlich andere Bilder erzeugen“

Dieser Forderung schloss sich auch die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber, an. Sie verwies auf den Umstand, dass es wichtig sei, nun „endlich andere Bilder zu erzeugen als diese Demos vor Gesundheitseinrichtungen“. Zu Beginn der Pandemie seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch „als Helden beklatscht (worden), nun werden sie von Einzelnen angepöbelt“. „Die neuen Bilder lassen uns erschüttert und fassungslos zurück“, so Teiber. Die Kolleginnen und Kollegen fühlten sich im Stich gelassen, ein starkes Zeichen sei nötig.

Auch eine Volkshilfe-Mitarbeiterin wurde vor Kurzem Opfer eines Angriffs, als Teilnehmer einer CoV-Demo in Braunau sie mit Kaffee anschütteten. Die Frau war auf dem Weg zu einer Klientin gewesen. „Wir sind noch immer schockiert, was passiert ist“, sagte Volkshilfe-OÖ-Chefin Jasmin Chansri. Die Mitarbeiterin sei eingekesselt worden. „Sie hat Angst, ist traumatisiert“, so Chansri. „Bitte hören wir auf, das kann zu nichts Gutem führen!“ Man bekomme viele solidarische Zurufe aus der Zivilgesellschaft. „Es muss sich eine Mehrheit erheben.“

Unter welch schwierigen Bedingungen Angestellte im Pflegeberufen arbeiten, ist in einer am Freitag veröffentlichten Sonderauswertung des Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer Oberösterreich illustriert. In keiner anderen Berufsgruppe offenbaren sich derart hohe psychische Belastungen wie im Pflegebereich – und das nicht erst seit der Pandemie. Daraus resultieren auch vermehrt physische Probleme und Krankheiten.

„Instrumentalisierung durch Neonazis und Rechte“

Entsprechend kritisierte auch der ehemalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Präsident der Volkshilfe Wien, Demos vor Pflegeeinrichtungen. Auch Wissenschaftsfeindlichkeit sei ein „No-Go“. „Ich verstehe, dass man Sorgen vor wissenschaftlichem Fortschritt hat, doch dass man sich instrumentalisieren lässt von Neonazis und Rechtsextremen ist unverständlich.“ Diesen Gruppen gehe es nicht um die Sorgen der Menschen, das sei aus der Geschichte bekannt. „Man muss dem rechtzeitig entgegentreten, damit man nachher nicht den Schaden hat“, so Häupl. „Lasst euch das einfach nicht gefallen!“, appellierte Häupl.

PK der Volkshilfe
Volkshilfe
Es gehe um ein Zeichen gegen Spaltung und Radikalisierung, hieß es bei der Pressekonferenz

Kritik an „rein parteipolitischer Orientierung“

Ähnlich Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger – er sagte, die Pandemie sei auch eine Belastungskrise. Und die Belastung der Menschen sei ausgenutzt worden, rein parteipolitische Orientierung habe zu einem Versagen im Pandemiemanagement geführt. Erst dadurch hätten die FPÖ und die extreme Rechte die Krise für ihre Zwecken missbrauchen können, so Fenninger.

Den Worten seien Taten gefolgt, die den sozialen Frieden gefährden – nun müsse man „aufpassen, dass es nicht zu einer Krise des sozialen Friedens kommt“. Entsprechend sei die Aktion am Sonntag ein Zeichen für die Gemeinsamkeit: „Wir sind viele, wir sind die Mehrheit.“

Unterstützung für die Aktion kommt auch von der SPÖ-Bundespartei. „Das ist ein starkes Zeichen der Solidarität mit dem Gesundheitspersonal, das Tag für Tag Übermenschliches leistet. Gerade in Krisenzeiten ist ein sichtbares und friedvolles Zeichen des Zusammenhalts besonders wichtig“, so SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und -Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung.