Geschenke unter einem Weihnachtsbaum
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Coronavirus und Feiertage

Nervenprobe vor dem Weihnachtsbaum

Der Onkel, der die Impfung ablehnt; die Angst, die Oma anzustecken; die Furcht vor Omikron: Viele Familien blicken den Feiertagen mit Sorge entgegen. ORF.at fragte bei der Psychologin Beate Wimmer-Puchinger nach, wie sich die Nervenprobe vor dem Weihnachtsbaum meistern lässt.

Fürs Erste vorbei sind die Zeiten, als das größte Problem zu den Feiertagen noch der neuerdings vegane Teenager war, der die Weihnachtsgans verweigerte. Schon im Vorjahr überschattete die Pandemie die Festtage. Am 24. und 25. Dezember war das Feiern im kleinen Kreis erlaubt, ab dem Stefanitag trat ein harter Lockdown – der damals dritte – in Kraft.

Dieses Weihnachten kommt Österreich gerade aus dem vierten Lockdown. Ein weiterer kann wegen der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante nicht ausgeschlossen werden. Die Situation „zerrt an den Nerven und zehrt an den Kräften“, sagt Wimmer-Puchinger, die auch Präsidentin des Berufsverbandes der Österreichischen PsychologInnen (BÖP) ist.

Klare Vereinbarungen statt schlaflose Nächte

Höchste Priorität bei den diesjährigen Familienfeiern sollte die Sicherheit haben, sagt die Psychologin. „Wir wollen sorgenfrei Weihnachten feiern. In Corona-Zeiten heißt das, dass ich alle Erkenntnisse der Medizin einhalte“, so Wimmer-Puchinger. Das umfasse die Impfung, den Boostershot, einen aktuellen negativen PCR-Test und die grundlegenden Hygiene- und Abstandsregeln.

Die Regeln sollten im Vorfeld der Zusammenkünfte klar definiert werden, rät die Psychologin. Wenn die Gäste bereits vor der Haustüre stehen, sei es zu spät. „Was man nicht machen sollte: Erst nichts sagen, und dann am nächsten Tag die Sorge haben, man wäre zu leichtfertig gewesen.“ Mit klaren Vereinbarungen ließe sich schlaflosen Nächten vorbeugen.

Wie man mit jemandem umgeht, der den Test vor der dem gemeinsamen Feiern verweigert, hänge stark von der Beziehung zur betroffenen Person ab. Bevor man sich dazu entscheide, jemanden nicht einzuladen oder wieder auszuladen, sollte man mit der betreffenden Person eine Lösung suchen. Dabei müsse man aber deutlich kommunizieren, dass man auf Nummer sicher gehen möchte – zum Schutz vulnerabler Verwandter, etwa der Großmutter, kleinen Kindern oder Menschen mit Risikofaktoren.

„Der Feind ist das Virus“

Kommunikation ist auch im Umgang mit Verwandten gefragt, die Impfung und Maßnahmen gegen das Coronavirus ablehnen. Sollten Reizthemen wie die Impfpflicht beim gemeinsamen Weihnachtsessen auf den Tisch kommen, sollte man nicht versuchen, die Diskussion abzuwürgen, rät die Psychologin. Das gelte auch bei unterschiedlichen politischen Präferenzen. Wichtig jedenfalls sei, dass „der Tonfall wertschätzend bleibt und man sich nicht abfällig übereinander äußert“, so Wimmer-Puchinger.

Bei allen politischen Differenzen sei die Betonung des Gemeinsamen gefragt: „Das Virus ist der Feind, den müssen wir bekämpfen, und nichts anderes. Und von daher sitzen wir alle im gleichen Boot und müssen füreinander Verständnis aufbringen.“

Das schlechte Gewissen

Nach einer Phase der Stagnation ist die Impfquote im Herbst wieder gestiegen. Die Booster- und Kinderimpfungen werden gut angenommen. Auch die Zustimmung zur Impfpflicht wächst, wie die aktuellste Erhebung des Austrian Corona Panel Project (ACPP) zeigt. Ganz allgemein trägt die Mehrheit die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus mit. Viele Menschen übererfüllen sie sogar und trugen etwa FFP2-Masken zu einem Zeitpunkt, als nicht einmal der Mund-Nasen-Schutz gesetzlich vorgeschrieben war.

Besagte Personen drückt zur Weihnachtszeit das schlechte Gewissen. Wie kann man Weihnachten feiern, wenn die Lage auf den Intensivstationen und im Pflegebereich nach wie vor angespannt ist? Solidarität mit dem Gesundheitspersonal und das Durchschnaufen zu Weihnachten seien keine Gegensätze, so Wimmer-Puchinger. „Ich habe das Recht, ein paar Tage durchzuatmen – gefährde dabei aber niemanden, das ist wichtig“, könnte eine mögliche Devise aus ihrer Sicht lauten.