Wissenschaftler in Südafrika
AP/Jerome Delay
Omikron

Staaten liefern erste Einschätzungen

Die Omikron-Variante dominiert derzeit die Debatte über die Pandemiebekämpfung. Fachleute und Regierungen blicken mit Besorgnis auf die rasante Ausbreitung. Mehrere Länder kämpfen bereits mit stark steigenden Omikron-Fallzahlen, darunter Dänemark und Großbritannien. Die Staaten mit stärkerer Verbreitung lieferten mittlerweile auch erste Einschätzungen zu der Variante.

Omikron war vor fast einem Monat erstmals von südafrikanischen Fachleuten nachgewiesen worden und breitet sich seither aus. In Europa gehört derzeit Dänemark zu den besonders betroffenen Ländern. Am Freitag wurden dort 11.200 Neuinfektionen vermeldet, die Omikron-Variante machte bereits ein Fünftel der Fälle aus. Es wird damit gerechnet, dass Omikron bald die dominante Variante wird. Die Regeln wurden deswegen verschärft, Theater, Kinos und Museen sperren wieder zu, Lokale müssen früher schließen.

Dänische Forscherinnen und Forscher veröffentlichten zuletzt eine Analyse von 785 Omikron-Fällen, die bis 9. Dezember entdeckt wurden. Dabei zeigte sich ein starker Anstieg, der ab dem 4. Dezember rund 40 Prozent pro Tag betrug. Den Angaben zufolge waren die Betroffenen zwischen zwei und 95 Jahre alt, das durchschnittliche Alter lag bei 32. Viele Infektionen konnten sich auf ein Fest zurückführen lassen, bei dem sich von 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern 71 infizierten. Weitere Cluster gab es in der Folge bei zwei Schulen, einem Konzert und einem Spital.

Zwei Personen gehen auf einer schneebedeckten Straße in Aalborg, Dänemark
APA/AFP/Ritzau Scanpix/Henning Bagger
Dänemark kämpft mit der Omikron-Variante

Viele doppelt Geimpfte betroffen

Die Analyse ergab vorläufig eine niedrige Hospitalisierungrate: Von den 785 Infizierten mussten neun Personen ins Spital (1,2 Prozent), eine auf die Intensivstation. Es gab keinen Todesfall. „Besorgniserregend“ sei, dass insgesamt 83 Prozent der Betroffenen doppelt geimpft waren, davon 7,1 Prozent sogar dreifach geimpft. In Dänemark werden regulär nur die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna verwendet, Johnson & Johnson wird in Sonderfällen eingesetzt. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind geimpft.

Es sei noch zu früh, um daraus eindeutige Schlüsse über die Schwere der Erkrankung oder die Wirkung der Impfung zu ziehen, betonten die Forscherinnen und Forscher. Die niedrigen Hospitalisierungsraten könnten sich etwa darauf zurückführen lassen, dass durch strenges Contact-Tracing und durchgängiges Testen viele Fälle bereits im Frühstadium und damit vor der Entwicklung von Symptomen entdeckt worden seien. Einfluss könnte auch haben, dass sich das Infektionsgeschehen bei den untersuchten Fällen sehr stark in Settings mit vielen jungen Menschen ereignet habe. Die Daten würden nur eine erste Perspektive ermöglichen.

Neue Höchstzahl in GB, Omikron am Vormarsch

Ebenfalls eine starke Verbreitung der Omikron-Variante verzeichnet Großbritannien. Dort wurden am Freitag rund 93.000 Neuinfektionen nachgewiesen – so viele wie noch nie in der Pandemie. 3.200 Fälle wurden als Omikron-Variante identifiziert, das sind fast doppelt so viele wie am Vortag (rund 1.700). Es wird geschätzt, dass es in Großbritannien derzeit rund 15.000 Fälle der Variante gibt, die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Die Omikron-Fallzahlen dürften sich nun alle zwei bis drei Tage verdoppeln, so Fachleute.

Teststation in Anfield, Liverpool
Reuters/Peter Powell
Auch in Großbritannien bietet Omikron vor Weihnachten Grund zur Sorge

Damit droht eine schiere Masse an Fällen die Gesundheitssysteme zu überfordern. Entsprechend wäre Omikron auch dann ein erhebliches Problem, wenn es sich im Verlauf als milder erweist. Hierzu gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Laut einer aktuellen Modellrechnung von Forscherinnen und Forschern des Imperial Royal College gibt es derzeit aber keinen Hinweis darauf, dass Omikron-Fälle weniger schwer verlaufen als Delta-Fälle.

Herangezogen wurden dazu die Verhältnisse bei positiven Tests, gemeldeten Symptomen und Hospitalisierungen. Allerdings gebe es gerade zu letzteren noch zu wenig an Daten, man befinde sich noch in einem frühen Stadium der Erkenntnis.

Die Untersuchung des Imperial Royal College stützt hingegen Vermutungen, dass die Omikron-Variante den Impfschutz bei doppelter Impfung (untersucht wurden Impfungen mit Biontech/Pfizer und AstraZeneca) leicht umgehen kann. Ein Booster könne Abhilfe schaffen. Entsprechende Ergebnisse hatten zuletzt auch eine Untersuchung des Massachusetts General Hospital (MGH), der Harvard-Universität und des MIT zu Moderna, Biontech/Pfizer und Johnson & Johnson geliefert. Auch die Impfstoffhersteller kamen zu diesem Schluss. Fachleute und Regierungen rufen daher zu einer raschen dritten Impfung auf.

Südafrika sieht Wirkung der Impfung

Auch die südafrikanischen Behörden veröffentlichten am Freitag neue Einschätzungen zu Omikron. Diesen zufolge löst Omikron zwar steigende Infektionszahlen aus, es würden aber weniger schwere Erkrankungen und Todesfälle als bei früheren Pandemiewellen verzeichnet. Das wurde darauf zurückgeführt, dass mittlerweile mehr Menschen geimpft und genesen seien.

Angesichts der schnellen Ausbreitung der Omikron-Variante habe Südafrika am Mittwoch die höchste Zahl an täglichen Neuinfektionen seit Pandemiebeginn registriert, sagte Michelle Groome von Südafrikas Nationalem Institut für übertragbare Krankheiten (NICD) am Freitag. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wachse hingegen „nicht in solch dramatischem Ausmaß“. „Wir beginnen, ein paar Zuwächse, aber relativ kleine Zuwächse bei den Todesfällen festzustellen“, fügte Groome hinzu.

Weniger Patientinnen und Patienten würden Sauerstoff benötigen, zudem sei die Dauer der Aufenthalte kürzer. Nach Einschätzung von Gesundheitsminister Joel Phaahla bedeuten die Beobachtungen aber nicht, dass Omikron weniger gefährlich als frühere Varianten sei, sondern vielmehr, dass die Impfungen schwere Erkrankungen verhinderten. Die geringeren Hospitalisierungs- und Sterberaten seien „wahrscheinlich zurückzuführen auf eine bedeutende Impfabdeckung“ insbesondere bei älteren Menschen, sagte Phaahla.

„Größte aktuelle Bedrohung“

Die Gruppe der führenden sieben Industriestaaten (G-7) stufte die Omikron-Variante am Donnerstag indes als „größte aktuelle Bedrohung für die weltweite öffentliche Gesundheit“ ein. Es sei daher „wichtiger denn je, eng zusammenzuarbeiten“, so die G-7-Gesundheitsminister. Die EU-Staaten setzen im Kampf gegen Omikron auf beschleunigte Auffrischungsimpfungen. „Impfungen für alle anzubieten und Booster-Dosen bereitzustellen ist entscheidend und dringend“. Auch die EU-Seuchenbehörde warnte vor schwierigen Monaten und rief zur Verschärfung der Maßnahmen auf.

Deutschlands neuer Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte indes vor einer „massiven fünften Welle“. Diese werde „eine massive Herausforderung für unsere Krankenhäuser, für unsere Intensivstationen, aber auch für die Gesellschaft in der Gänze“. So eine Herausforderung habe man in der Pandemie noch nicht gesehen. Was in Großbritannien derzeit beobachtet werde, übertreffe alles, was in der Pandemie bisher beobachtet worden sei. Das Einzige, was zuverlässig schütze, sei die Booster-Impfung.