Britischer Premierminister Boris Johnson
Reuters/Dylan Martinez
Foto von Lockdown-Party

Für Johnson wird es eng

Die Omikron-Variante hat das Land erfasst, der Brexit-Minister tritt zurück – der britische Premier Boris Johnson ist stark unter Druck. Am gefährlichsten für Johnson ist derzeit der Skandal um Lockdown-Partys an seinem Amtssitz. Nun ist erstmals ein Foto aufgetaucht, das zeigt, dass Johnson selbst an solchen Events teilnahm.

Das Foto zeigt den britischen Premier mit seiner Frau und 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin im Garten des Amtssitzes Downing Street 10 mit Weinflaschen im Bild. Bereits in den letzten Wochen hatte das Bekanntwerden von Verstößen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegen die Lockdown-Regeln im Vorjahr für einen Aufschrei der Empörung in der britischen Öffentlichkeit gesorgt.

Das von der britischen Zeitung „Guardian“ am Montag veröffentlichte Foto, das erstmals Johnson selbst bei einem die Regeln brechenden gesellschaftlichen Event zeigt, kommt äußerst ungelegen für den Premier, der zunehmend den Rückhalt in seiner Konservativen Partei verliert.

Nach Pressekonferenz zu Abstandsregeln

Das Foto stammt laut „Guardian“ vom Mai 2020, als man maximal eine Person aus einem anderen Haushalt treffen durfte. Die Reaktion von Downing Street 10 lautete, dass „Arbeitstreffen in der Downing Street in den Sommermonaten oft im Garten stattfinden. In diesem Fall gab es nach einer Pressekonferenz eine Zusammenkunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Dem „Guardian“ wurde das Foto laut eigenen Aussagen zugespielt, nachdem die Regierung letzte Woche geleugnet hatte, dass das im Foto mutmaßlich festgehaltene Treffen je stattgefunden habe. Dass es sich um ein Arbeitstreffen handelte, bezweifelt freilich der „Guardian“ und verweist auf den Wein, den fehlenden Abstand und darauf, dass insgesamt 19 Personen anwesend waren.

Laut „Guardian“ fand das im Foto festgehaltene Treffen am 15. Mai nach einer Pressekonferenz des damaligen Gesundheitsministers Matt Hancock statt. Dabei hatte Hancock an die Öffentlichkeit appelliert, die Abstandsregeln trotz des schönen Wetters einzuhalten. Hancock selbst betonte, er habe Downing Street 10 nach der Pressekonferenz verlassen und nicht an dem Event im Garten teilgenommen. Die Vizechefin der oppositionellen Labour-Partei, Angela Rayner, forderte von Johnson, die Wahrheit über Treffen am Amtssitz zu sagen.

Autorität für aktuelle Verschärfungen fehlt

Johnson ist in den vergangenen Wochen stark unter Druck geraten, weil er während des strikten Lockdowns im vergangenen Jahr mehrere Feiern in der Downing Street geduldet oder an diesen selbst teilgenommen haben soll. In der aktuellen, wegen der Omikron-Variante extrem angespannten Lage wird das zum ernsthaften Problem: Wegen der mutmaßlichen Regelbrüche sind weitere Verschärfungen für Johnson nun schwer durchsetzbar.

Prüfender Beamter selbst betroffen

Erst am Wochenende war die hochrangige Beamtin Sue Gray aus dem Bauministerium mit der Untersuchung der Frage, wer wann wo und mit wem feierte, beauftragt worden. Denn der zuvor damit beauftragte Beamte Simon Case hatte das Amt abgeben müssen, weil er selbst in seiner Abteilung Feiern geduldet haben soll.

„Sie wird die Fakten ermitteln und ihre Ergebnisse dem Premierminister präsentieren“, hieß es aus der Downing Street. Wann das passieren soll, ist unklar. Mit den Ergebnissen der Untersuchung von Case war bereits in diesen Tagen gerechnet worden.

Johnson verliert engen Verbündeten

Am Wochenende hatte Johnson, der vor wenigen Tagen eine historische Wahlniederlage um einen Parlamentssitz in einer Tory-Hochburg hinnehmen musste, auch an der Brexit-Front einen schweren Rückschlag erlitten. Letzteres ist ein weiteres Indiz dafür, wie angegriffen Johnsons Status in der eigenen Partei mittlerweile ist.

Denn sein enger Vertrauter David Frost trat als Brexit-Minister zurück. Frost begründete das damit, dass er generell über den aktuellen Weg von Johnson enttäuscht sei. Er sei traurig, dass sich die Aufhebung der Covid-Beschränkungen nicht wie versprochen als „unumkehrbar“ erwiesen habe, so Frost. „Ich hoffe, dass wir bald wieder auf den richtigen Weg kommen.“

Omikron als Schutz für Johnson

Im Frühjahr, als Großbritannien vorfreudig auf den „Freedom Day“ zusteuerte, hatte Johnson seinen „vorsichtigen, aber unumkehrbaren Weg aus dem Lockdown“ mantraartig wiederholt. Wegen der Omikron-Variante, die in Großbritannien bereits stark verbreitet ist, drängen Fachleute auf einen neuerlichen Lockdown. Dabei hatte schon die Einführung des unter Briten besonders umstrittenen 3-G-Nachweises – ohnehin nur in Clubs und Großveranstaltungen – fast 100 Abgeordnete seiner Tory-Partei gegen Johnson aufgebracht.

Ironischerweise scheint dem Premier die Omikron-Variante eine Gnadenfrist zu verschaffen. „Wäre da nicht die Pandemie, würde ich jetzt einen Brief schreiben (…), um ein Misstrauensvotum auszulösen“, sagte ein früheres Regierungsmitglied dem „Guardian“. „Und ich glaube, dass viele von uns das Gleiche tun würden.“