Bewaffnete Taliban
AP/Abdul khaliq
Afghanistan und China

Eiertanz um Bodenschätze

Chinesische Konzerne wollen die afghanischen Bodenschätze, allen voran Lithium und Kupfer, gewinnbringend abbauen. Doch so einfach ist die Sache nicht – ein wahrer Eiertanz scheint begonnen zu haben. Peking warnte die Bergbauunternehmen bereits mit geharnischten Appellen vor überschießendem Engagement, will jedoch die Bodenschätze unter chinesischer Kontrolle sehen. Experten sehen aus guten Gründen jedoch den Reichtum an Bodenschätzen nur als „theoretisch“ an.

Zusätzlich spießt es sich an der Sicherheit in dem Land. Und auch Warnungen, dass eine Kooperation mit den Taliban rufschädigend sein könnte, bleiben nicht unverhallt. China ist allerdings nicht nur der wichtigste Langzeitinvestor in Bodenschätze bei seinen asiatischen Nachbarn, sondern auch der weltweit größte Konsument von Rohstoffen, wie der US-Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg schreibt.

Um sich den Nachschub mit Rohstoffen zu sichern, ist Peking bereits Investitionen in einigen Ländern, „in denen der Rechtsstaat nicht sehr ausgeprägt ist“, eingegangen, etwa in Afrika und Südamerika, wie Bloomberg weiter schreibt. Kooperationen, die jetzt auch Hoffnungen bei den Taliban schüren.

Chinas Präsident Xi Jinping
AP/Xinhua/Li Gang
Für den Rohstoffhunger seines Landes braucht der chinesische Präsident Xi Jinping Metalle aus dem Ausland

Chinas Versprechen

Zusätzlich stellt Peking den Taliban auch lukrative Handelsverträge in Aussicht, so Bloomberg. Ob es dabei tatsächlich am Ende zu Abschlüssen kommt, oder das nur ein Steinchen im Gefüge komplexer Verhandlungen um Rohstoffe ist, ist offenbar unklar. Peking hat auch versprochen, das Land beim Wiederaufbau zu unterstützen – und somit auch die Taliban.

Die internationale Gemeinschaft steht vor der Aufgabe, die benötigte Hilfe zu leisten, ohne die als Terroristen eingestuften Taliban zu unterstützen und zu legitimieren. Ob China sich an diesen Rahmen hält bzw. halten wird, ist angesichts der Kontakte zu den Taliban und der möglichen Ausbeutung von Bodenschätzen unklar.

Peking bremst Konzerne ein

Die chinesischen Konzerne sind in Sachen Investment in Afghanistan in einer veritablen Zwickmühle. Peking ruft die chinesischen Bergbaukonzerne zu Disziplin und Vorsicht auf. Sie sollten nicht „blind“ und ohne vorherige Ankündigung bzw. Absprache auf Lokalaugenschein in Afghanistan gehen, so die „South China Morning Post“ („SCMP“) auf ihrer Website.

Mes Aynak Tal in Afghanistan
AP/Rahmat Gul
Ein Blick über Mes Aynak – eines der weltweit größten Kupfervorkommen

Die Taliban-Regierung habe Vorschriften über die Untersuchung von Bodenschätzen erlassen, und Genehmigungen seien erforderlich, zitiert die Morning Post die chinesische Botschaft in Kabul. Es habe eine Reihe von Vorfällen mit Ausländern gegeben, die in verschiedenen Teilen des Landes angetroffen worden waren, hieß es von der chinesischen Botschaft. Einige wurden von den lokalen Taliban offenbar auch festgesetzt.

China will „Goldgräberstimmung“ vermeiden

Die Botschaft bat in ihrem Statement auch, dass „chinesische Unternehmen und Bürger nicht blind auf alle Arten von Informationen bezüglich Kooperation und Rohstoffe hören". Außerdem sollte „nicht gegen lokale Gesetze und Vorschriften verstoßen“ werden, um „verschiedene Sicherheitsrisiken zu vermeiden“, hieß es von der chinesischen Botschaft weiter.

Einer „Goldgräberstimmung“ soll so vorgebeugt und die Taliban nicht verstimmt werden. Für die Bergbauunternehmen geht es jedoch darum, die Verträge so schnell wie möglich unter Dach und Fach zu bringen, schläft doch die Konkurrenz, sei es chinesische oder aus einem anderen Land, ebenfalls nicht. Den Taliban ist bewusst, dass sie quasi auf einer Goldmine sitzen, auch ist durch die gesperrten Gelder der Taliban der aktuelle Finanzbedarf der Islamisten teils nicht mehr gedeckt.

„Saudi-Arabien des Lithiums“

Die chinesischen Minenunternehmen loten die Möglichkeiten in Afghanistan aus, um von den reichen Lithium- und Kupfervorkommen zu profitieren, wie die „Financial Times“ schreibt. Ein internes Memo des US-Verteidigungsministeriums beschrieb Afghanistan einmal gar als potenzielles „Saudi-Arabien des Lithiums“. Laut Bloomberg werden die Vorkommen an Bodenschätzen auf einen Wert von einer Billion Dollar oder noch mehr geschätzt. Darunter befindet sich auch ein Lithiumvorkommen das von einigen Experten als das größte Vorkommen weltweit eingeschätzt wird.

Und Lithium, aber auch Kupfer, von dem es in Afghanistan ebenfalls große Vorkommen geben soll, sind für die Energiewende wichtig. So findet es sich etwa in E-Auto-Batterien und Handyakkus. China ist denn auch der weltweit größte E-Auto-Produzent. Durch den Militärabzug des größten chinesischen Konkurrenten auf dem Weltmarkt, den USA, sieht China sich bereits in einer Gewinnerposition rund um die Minenlizenzen.

Bewaffnete Talibankämpfer
APA/AFP/Wakil Kohsar
Taliban-Kämpfer patrouillieren auf den Straßen – hier im afghanischen Jalalabad

Taliban sehnen sich nach Anerkennung

Chinas Bemühungen, sich die Abbaurechte zu sichern, kommen den Taliban in ihrer desaströsen finanziellen Situation gerade recht. Auch versprechen sich die Taliban von China durch eine etwaige Zusammenarbeit zumindest mittelfristig die Anerkennung als legitime Regierung. Bisher hat kein Land der Welt die Taliban-Regierung offiziell anerkannt.

China hat jedoch bereits als Zeichen des Goodwills gegenüber den Taliban eine Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen gefordert, so die „FT“ weiter. Auch sollen nach dem Willen Pekings die eingefrorenen Gelder in Milliardenhöhe freigegeben werden. Diese Auslandsgelder stehen derzeit unter der Kuratel von multilateralen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds.

Chinesische Sicherheitsbeamte in Xinjiang
Reuters/Thomas Peter
Chinesische Sicherheitsbeamte in Xinjiang vor einem offiziell als Schulungszentrum für Uiguren titulierten Gelände

Direkter Kommunikationsdraht

China hat laut Claudia Chia, Expertin für die Region an der Universität Singapur, einen direkten Draht der Kommunikation zu hochrangingen Taliban. China sei auch eines der ersten Länder gewesen, die Hilfe nach Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban geschickt hätten, wird Chia in der „FT“ zitiert. Das habe das Verhältnis zu den Taliban definitiv gestärkt. Die Taliban suchten nach Einnahmequellen, um die afghanische Ökonomie stabilisieren zu können, so Chia.

Gespräche zwischen den Taliban und chinesischen Bergbauinvestoren seien in Mes Aynak, südöstlich von Kabul, abgehalten worden, hieß es weiter. In Mes Aynak ist eines der weltweit größten Kupfervorkommen. Chinesische Konzerne hatten bereits vor dem Taliban-Regime eine Lizenz zum Abbau. Doch diese blieb ungenutzt. Andere private chinesische Investoren seien in die östlichen Provinzen Nangarhar und Laghman gereist, um dort nach anderen Metallvorkommen zu suchen.

„Äußerst heikle“ Situation

Die Gespräche seien allerdings erst am Beginn und somit in einer heiklen Phase, so die „FT“. Es gebe auch keine Garantien, dass daraus auch lukrative Geschäftsabschlüsse würden. Laut dem Verband der chinesischen Industrie hätten bereits Dutzende Firmen ihre Erkundungen über das Potenzial von Afghanistans Ressourcen eingezogen und sondiert, so der Bericht weiter.

Die Situation ist laut Fachleuten des japanischen Beratungs- und Wirtschaftsforschungsunternehmen Nomura äußerst heikel. Das Institut hält es für „unwahrscheinlich“, dass die großen Lithiumkonzerne in Afghanistan investieren werden. In den Konzernen gäbe es große Bedenken in Bezug auf Umwelt- , Sozial- und Verwaltungs- bzw. Regierungsprobleme, werden Nomura-Fachleute von der „FT“ zitiert. Bei einem Engagement in der derzeitigen unsicheren Lage in Afghanistan müssten sie um ihren Ruf fürchten, so der Tenor.

Auch der IS mischt mit

Bergbauprojekte in Afghanistan seien seit Langem von immensen logistischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen gekennzeichnet. So ist die Provinz Lagham etwa der Geburtsort des afghanischen Ablegers der radikalislamischen Miliz Islamischer Staat (IS). Der IS kämpft gegen die Taliban und schreckt auch vor Anschlägen auf die Zivilbevölkerung nicht zurück. Die Sicherheit für chinesische Unternehmen wäre ohne große, teure Vorkehrungen so nicht gegeben, heißt es in der „FT“.

Leicht könnten die Unternehmen dann auch zwischen die Fronten bei Auseinandersetzungen kommen bzw. auch Mitarbeiter als Geiseln genommen werden. Peking will laut Bloomberg seinen Einfluss in der Region ausbauen und verhindern, dass sich militante Islamisten und Flüchtlinge über die Grenzen Afghanistans hinaus ausbreiten.

Sicherheit als Damoklesschwert

Die Taliban bereiten China daher besonders auch wegen der Grenze Sorgen, wie die „FT“ weiter schreibt. In der chinesischen Provinz Xinjiang, die an Afghanistan grenzt, hat Peking mehr als eine Million Menschen der Minderheit der muslimischen Uiguren, aber auch andere muslimische Minderheiten in Lagern festgesetzt bzw. in offizielle „Schulungsprogramme“ gesteckt. Islamistische Aufrührer und etwaige Anstachler zu einem bewaffneten Aufstand aus dem Nachbarland will Peking deshalb überhaupt nicht haben.

Ein weiterer Punkt, der damit zusammenhängt, ist die Sicherheit. Jedes chinesische Investment ist davon abhängig, dass die Taliban für die Sicherheit garantieren können, so Experten. Die Taliban könnten Sicherheitspersonal für die diversen chinesischen Unternehmungen stellen, eine andere Möglichkeit wäre, chinesische Sicherheitsfirmen einzusetzen. Ob das allerdings die Zustimmung der Taliban finden würde, ist unklar. Sicherheit sei allerdings in jedem Fall eine äußerst schwierige Aufgabe, hieß es weiter.

Reichtum an Bodenschätzen nur „theoretisch“

Experten sind jedoch skeptisch, dass Afghanistan in nächster Zeit tatsächlich Minenprojekte mit China abschließen wird. Afghanistan sei keine Schatzkiste, die es nur zu heben gelte, so eine Analyse des US-Politmagazin „Foreign Policy“. Chinesische Firmen könnten die Metalle auch teils viel einfacher aus anderen Quellen bekommen. Damit würden sich diese Unternehmen auch die bekannten Risiken und das „dazugehörige Kopfweh, das bei Geschäften mit Afghanistan immer dabei ist“, ersparen, so „FP“.

Der Reichtum an Bodenschätzen in dem Land sei nur ein „theoretischer“. Zwar sei es durch die Nähe zu Afghanistan für chinesische Firmen interessant zu investieren, die Rohstoffvorkommen seien allerdings oft in unzugänglichen Gebieten mit so gut wie keiner bwz. einer hoffnungslos veralteten Infrastruktur, so „FP“. Jahrzehnte des Krieges und der wirtschaftlichen Not hätten die Probleme nur verschlimmert. Auch werde Afghanistans komplexe Sicherheitslage chinesische Politiker und Wirtschaftsführer äußerst misstrauisch machen, so das US-Magazin über die chinesischen Ambitionen in Afghanistan.