Menschen auf einer Straße in Köln mit Einkaufstaschen
Reuters/Thilo Schmuelgen
Deutschland vor Verschärfungen

Absage an „große Silvesterparty“

Angesichts der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante steht auch Deutschland vor einer deutlichen Verschärfung der Coronavirus-Maßnahmen. Diese dürften bereits am Dienstag bei einem Bund-Länder-Krisentreffen auf den Weg gebracht werden. Ob es noch vor Weihnachten zu verschärften Kontaktbeschränkungen kommt, bleibt fraglich – anders erscheint die Lage aber für die nachfolgenden Tage rund um den Jahreswechsel.

Ein Vorstoß kam hier vom Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU). Gegenüber der ARD sprach sich der Vorsitzende der deutschen Ministerpräsidentenkonferenz am Montag klar für verschärfte Maßnahmen zu Silvester aus. „Die große Silvesterparty kann dieses Jahr nicht stattfinden“, so Wüst, der während der anstehenden Weihnachts- und Silvesterferien persönlich auch auf Auslandsreisen „einfach mal verzichten“ würde.

Omikron mahne jedenfalls „zur absoluten Wachsamkeit“, und sollten die bisherigen Befürchtungen zutreffen, komme man im Jänner um weitere Schließungen nicht herum. Weit weniger hält der CDU-Politiker von Verschärfungen noch vor Weihnachten. Vielmehr wisse man „aus der Vergangenheit, dass das Weihnachtsfest nicht der Pandemietreiber ist“.

„Wenn wir sagen, wir wollen keinen Lockdown, dann bedeutet das, man kann Weihnachten mit der Familie feiern, man kann Freunde treffen, man kann die ein oder andere kleine Veranstaltung besuchen“, sagte laut „Welt“ in diesem Zusammenhang der scheidende Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD): „Aber es gehen eben keine Silvesterpartys, es gehen keine Feiern in großem Kreis.“

Lockdown-Absage auch von Lauterbach

Eine Absage für einen Lockdown vor Weihnachten kam schon am Sonntag vom deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Nein, einen Lockdown wie in den Niederlanden vor Weihnachten – den werden wir hier nicht haben“. Dennoch gebe es „keine roten Linien“, wie Lauterbach im ARD-Interview dazu noch sagte.

Lauterbach schließt Lockdown zu Weihnachten aus

Deutschlands Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich über die rasche Ausbreitung der CoV-Variante Omikron sehr besorgt gezeigt. Zwar schließe er einen Lockdown über Weihnachten aus – außer Frage stehe aber: Die fünfte Welle werde kommen.

Laut FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner müssten pauschale Schließungen von Schulen und im Einzelhandel „immer nur Ultima Ratio“ sein. Er gehe davon aus, dass es weitere Verschärfungen bei öffentlichen und privaten Veranstaltungen geben werde. Auch bei Clubs seien schärfere Auflagen geboten. Man müsse immer „lageadäquat“ entscheiden, so Lindner, der sich am Montag gleichzeitig zuversichtlich zeigte, dass mit der konsequenten Anwendung etwa des Maskentragens oder auch der 2-G- und 3-G-Regeln ein Lockdown noch abgewendet werden könne.

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) rechnet nach dem Jahreswechsel bereits fix mit einer Ausweitung der Coronavirus-Beschränkungen. „Ich bin mir sicher, dass Clubs und Diskotheken schließen werden, dass wir die Kontakte auch für Geimpfte in Innenräumen reduzieren werden“, sagte Habeck am Tag vor dem deutschen CoV-Gipfel im Deutschlandfunk. Einen kompletten Lockdown, wie ihn sein Parteikollege Janosch Dahmen ins Gespräch gebracht hatte, hält Habeck nicht für erforderlich.

Expertenrat schlägt Alarm

Geht es nach dem wissenschaftlichen Beratergremium von Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD), bringt die Omikron-Variante eine „neue Dimension in das Pandemiegeschehen“. Mathematische Modelle hätten ergeben, dass eine Überlastung des Gesundheitssystems und eine Einschränkung der kritischen Infrastruktur nur zusammen mit starken Kontakteinschränkungen eingedämmt werden könnten, wie der Expertenrat nach Angaben vom Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) weiter mitteilte.

Das Expertengremium verwies in seiner Stellungnahme auch vor einer Ansteckung von zweifach Geimpften sowie Genesenen durch Omikron. „Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen.“ Eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser sei zu erwarten. „Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne.“

RKI verschärft Risikobewertung

Wegen der Omikron-Variante des Coronavirus verschärfte am Dienstag schließlich auch das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Risikobewertung. Für zweifach Geimpfte und Genesene werde die Gefahr einer Ansteckung nun als hoch angesehen, teilte das RKI auf Twitter mit. Für Ungeimpfte bleibt das Ansteckungsrisiko weiter „sehr hoch“. Für Geimpfte mit Auffrischungsimpfung (Booster) schätzt das Institut die Gefährdung hingegen als moderat ein.

Insgesamt werde die Gefährdung der Bevölkerung als „sehr hoch“ eingeschätzt, schreibt das Institut in seiner geänderten Risikobewertung. Es warnt vor schlagartiger Erhöhung der Fallzahlen und rascher Überlastung der Versorgung.

Auch private Kontakte von Geimpften Thema

Zur Eindämmung der vorhergesagten nächsten Coronavirus-Welle stehen in Deutschland nun neue Regeln bei Veranstaltungen, eine flächendeckende FFP2-Maskenpflicht sowie Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte im Raum.

Man werde sich am Dienstag unter anderem mit den privaten Kontakten auch von Geimpften befassen, „und einzelne in dieser Richtung liegende zusätzliche Entscheidungen treffen“, sagte Scholz am Montag bei seinem Antrittsbesuch in Rom. „Das Ergebnis wird sein, dass wir, glaube ich, ein konsensuales Vorgehen festlegen können. Das ist wichtig, gerade jetzt in dieser Zeit und in diesem Moment.“

„Es ist naheliegend, dass es da insbesondere um private Zusammenkünfte geht, für die heute vielerorts noch eine Obergrenze von 50 Personen indoor und 200 Personen outdoor gilt, und um Großveranstaltungen und Bars und Clubs“, sagte zuvor der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin.

„Die 30 Millionen sind zu schaffen“

„Omikron stellt uns vor neue Herausforderungen.“ Es war laut Büchner gelungen, die vierte Coronavirus-Welle etwas zu bremsen. Nun sei das Land leider mit der Omikron-Variante konfrontiert, die ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen auslösen werde. „In Deutschland haben wir mit Omikron auch deshalb ein Problem, weil die Zahl der Geimpften nicht hoch genug ist“, sagte Büchner.

Laut offiziellen Zahlen vom Montag sind mindestens 58,4 Millionen Personen nach bisherigen Maßstäben vollständig geimpft, also 70,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mindestens 26,2 Millionen – insgesamt 31,5 Prozent – haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung bekommen. „Beides müssen wir jetzt auch während der Feiertage und zwischen den Jahren noch einmal intensivieren – das Impfen und das Boostern“, sagte Büchner. Er zitierte Kanzler Scholz mit den Worten: „Jetzt Leute, geht dahin und macht das.“

Der Leiter des deutschen CoV-Krisenstabes Carsten Breuer erinnerte an das Regierungsziel von 30 Millionen Impfungen bis zum Ende des Jahres. Seit Mitte November seien mehr als 24 Millionen geimpft worden, jetzt seien noch knapp zwei Wochen Zeit, „die 30 Millionen sind zu schaffen“, wie Breuer gegenüber der „Bild am Sonntag“ („BamS“) sagte.

Pandemiepläne auf Prüfstand

Der Expertenrat der deutschen Regierung hatte angesichts der erwarteten vielen Infektionen und des damit verbundenen befürchteten Ausfalls vieler Beschäftigter auch vor Problemen bei der kritischen Infrastruktur gewarnt. Gemeint sind unter anderem Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr und Strom- und Wasserversorgung.

Die deutschen Behörden sollen nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums nun deshalb bestehende Pandemiepläne auf den Prüfstand stellen. Solche Pläne seien zwar seit vielen Monaten in Kraft, sagte der Sprecher. Nun müssten alle Behörden für sich prüfen, „welche Maßnahmen zusätzlich ergriffen werden müssen, damit die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Behörden auch unter diesen Bedingungen erhalten bleibt“.