Unternehmer Siegfried Wolf
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Steuerakt Siegfried Wolf

Neue Razzien, neue Vorwürfe, neue Causa Schmid

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat am Montag Razzien unter anderem in einem Finanzamt durchgeführt. Wie die Wochenzeitung „Falter“ berichtet, steht der Verdacht im Raum, der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, könnte dem Unternehmer Siegfried Wolf einen großzügigen Nachlass von Steuerschulden ermöglicht haben.

Damit dürfte der gerade eingesetzte Untersuchungsausschuss im Parlament neuen Stoff erhalten. Es geht um fast 630.000 Euro, die Wolf erlassen worden sein sollen – obwohl die Fachaufsicht im Finanzministerium sich dagegen ausgesprochen habe, so der „Falter“. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In dem Verfahren, das die WKStA dazu im Juli eröffnet habe, gab es am Montag drei Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit bzw. der Bestechung. Bei einer Hausdurchsuchung wurde auch „eine Sicherstellung im Wege der Amtshilfe vollzogen“, wie die WKStA in einer Aussendung bestätigte.

Hintergrund der Ermittlungen ist laut WKStA der Verdacht der „parteilichen Behandlung eines Antrages eines beschuldigten Unternehmers auf Steuernachsicht durch die damalige Leiterin des zuständigen Finanzamtes im Gegenzug für die Unterstützung bzw. Intervention im Bundesministerium für Finanzen im Zuge einer Bewerbung um die Leitung eines anderen Finanzamts“. Eine hohe Beamtin soll den Steuerschuldnachlass abgenickt haben und sich dafür Hilfe in der Karriereplanung erhofft haben, so die Zeitung.

Prüfer untersuchten routinemäßig

Im Frühjahr 2019 sahen laut dem Bericht die internen Prüfer des Finanzministeriums routinemäßig die Steuernachlässe durch. Dort soll ihnen der Name des Managers und früheren ÖIAG-Aufsichtsratschefs Wolf aufgefallen – und die Summe: 629.941 Euro. Die Prüfer hätten damals untersucht, wem die Republik im Jahr zuvor Steuerschulden nachgesehen hat. Der Staat hat – in einem restriktiven Rahmen – diese Möglichkeit beispielsweise, wenn ein Unternehmen in der Insolvenz steckt und das Finanzamt als Gläubiger zurücktritt.

Der „Falter“ schreibt davon, dass Akteineinsichten nahelegten, dass Schmid als Generalsekretär im Finanzministerium dem Investor einen Vorteil verschafft und eine Steuernachsicht ermöglicht haben könnte. Schmid könnte in dem Zusammenhang auch gegen die Rechtsmeinung der eigenen Fachaufsicht im Ministerium vorgegangen sein, schreibt die Zeitung.

Fachaufsicht fällt eindeutiges Urteil

Dem Bericht zufolge forderte das Finanzamt Wiener Neustadt im Jahr 2016 von Wolf entgangene Steuern von gut sieben Millionen Euro und die Strafzinsen in Höhe von 686.736,44 Euro zurück. Wolf hatte offenbar Einkünfte aus einer Geschäftsführertätigkeit in der Schweiz nicht so versteuert, wie sich das nach einer Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens gehörte.

Neue Vorwürfe gegen Thomas Schmid

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führte am Montag drei Hausdurchsuchungen und eine Sicherstellung in einem Finanzamt durch. Bei den Ermittlungen geht es um den Vorwurf der Bestechung und der Bestechlichkeit. Thomas Schmid soll dem steirischen Manager Siegfried Wolf geholfen haben, eine Steuerschuld von 630.000 Euro loszuwerden.

Daraufhin hätten sich Wolfs Steuerberater ans Finanzministerium gewendet und auf „sachliche Unbilligkeit“ gepocht, schreibt die Zeitung. Man sei vom Finanzamt nicht darauf hingewiesen worden, dass ein schweizerisch-österreichisches Steuerabkommen (seit 2007) eine andere Versteuerung verlange, das Amt habe die Steuerbescheide in alter Form akzeptiert. Zumindest die Strafzinsen müssten gestundet werden, so die Ansicht der Steuerberater Wolfs, die ihrerseits die ausschlaggebenden Änderungen im Doppelbesteuerungsabkommen laut „Falter“ übersehen hatten.

Die Fachaufsicht im BMF habe eindeutig festgestellt: Eine Nachsicht könne auf Gesetzeswegen nicht erteilt werden. Die volle Summe sei zu zahlen.

Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid
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Thomas Schmid: Der ehemalige Generalsekretär im Ministerium und ÖBAG-Chef taucht in einer neuen Causa auf

Amt stimmt doch zu

Daraufhin soll Wolf seine Verbindungen in die Politik genutzt haben. Am 26. April 2018 stellen Wolfs Steuerberater jedenfalls einen Antrag auf Nachsicht beim zuständigen Finanzamt. Von ihrer Argumentationslinie der „sachlichen Unbilligkeit“, der die Fachbeamten des Finanzministeriums widersprochen hatten, weichen sie nicht ab. Wenige Wochen später habe das zuständige Finanzamt in Wiener Neustadt dem Antrag zugestimmt.

In der Begründung dafür folgen die Finanzbeamten weitgehend dem Vorschlag von Wolfs Steuerberatern, die einen ausgearbeiteten Entwurf Anfang Juli geschickt hatten. Dem Finanzamt sei ein Mitverschulden anzulasten, schließlich habe es den Methodenwechsel im Doppelbesteuerungsabkommen übersehen, hieß es dort. Letzten Endes wurden Wolf zwar nicht die Strafzinsen, aber ein Teil der Gesamtsumme erlassen. Der Betrag änderte sich damit auf 629.941 Euro, die Wolf weniger habe bezahlen müssen.

„Einvernehmen mit dem Herrn Generalsekretär“

Mit der Fachsektion des Finanzministeriums hatten sich die Beamten im Finanzamt in Wiener Neustadt nicht mehr beraten, so der „Falter“. Das könnte angesichts der Summe zumindest den Gepflogenheiten der Finanzverwaltung widersprechen. Der Bescheid gründe sich auf eine „unrichtige rechtliche Beurteilung und hätte bei korrekter Vorgangsweise keine Zustimmung unsererseits gefunden“, schreibt ein hoher Fachbeamter nachträglich laut Zeitung.

Ein Jahr später haben die Prüfer mit Verweis auf Paragraf 299 der Bundesabgabenordnung die gesamte Summe fällig gestellt. Dieser Paragraf erlaubt es, den „Bescheid der Abgabenbehörde aufzuheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist“. Darauf hatte die Fachaufsicht schon zuvor verwiesen.

Auf die Nachfrage der Revisoren antworteten die zuständigen Mitarbeiter, die ihre Unterschrift unter den Nachlass der Steuerschulden gesetzt haben, schriftlich: „Das Einvernehmen mit dem Herrn Generalsekretär wurde hergestellt“, schreiben sie im Juni 2019. Schmid sei „über die Besprechungen zwischen dem Finanzamt und dem Abgabepflichtigen bzw. der steuerlichen Vertretung informiert“ gewesen. Und dann auch noch: „Die Entscheidung ad teilweiser Stattgabe“ sei von diesem „mitgetragen worden“.

Keine Zahlung eingelangt

Schmid wollte die Angelegenheit laut „Falter“ nicht kommentieren. Das Geld ist laut der Zeitung immer noch nicht beim Finanzamt eingelangt. Wolf habe gegen den Spruch Beschwerde vor dem Bundesfinanzgericht eingebracht.

Wolf ließ bereits vor einigen Tagen via Aussendung eines Sprechers wissen: „Herr Wolf legt auf die Feststellung Wert, dass gegen ihn kein Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde und dass er niemals an die ÖVP, Sebastian Kurz oder eine Vorfeldorganisation gespendet habe.“

Jan Krainer, SPÖ-Fraktionsführer im Untersuchungsausschuss, reagierte am Montag per Aussendung. Der Ausschuss werde „sehr viel Arbeit“ haben. „Jede Woche kommen neue Verdachtslagen ans Licht, die uns zeigen, wie unverzichtbar neben der strafrechtlichen Aufklärung die politische Aufklärung in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist“, so Krainer.