Transparente von Abteibungsbefürworterinnen
Reuters/Evelyn Hockstein
Strenge Abtreibungsgesetze

Hilfe aus Mexiko für US-Amerikanerinnen

Eigentlich ist in den USA mit einem Grundsatzurteil des US-Supreme Court von 1973 das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankert worden. In den vergangenen Jahren schlug aber in einigen US-Bundesstaaten das Pendel in die andere Richtung aus. Einige Bundesstaaten, allen voran Texas und Mississippi, verschärften ihre Abtreibungsgesetze. Unerwartete Hilfe für US-amerikanische Frauen kommt nun aus Mexiko.

Auch in Mexiko galten rigide Abtreibungsgesetze. Aktivistinnen zufolge waren heimliche Abtreibungen die vierthäufigste Todesursache bei Müttern. Im September entkriminalisierte der Oberste Gerichtshof Mexikos Abtreibungen. Bis zu diesem Urteil waren in dem konservativen, katholischen Land nur in Mexiko-Stadt und in drei Bundesstaaten Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt – in allen anderen Bundesstaaten nur im Fall einer Vergewaltigung.

Nahezu zeitgleich mit der Lockerung in Mexiko verschärfte Texas sein Abtreibungsgesetz, das Schwangerschaftsabbrüche verbietet, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Das kann bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein. Zudem können Privatpersonen zivilrechtlich gegen alle vorgehen, die bei einer Abtreibung helfen. Nach der jüngsten Entscheidung des Supreme Court bleibt das Gesetz in Kraft, Anbieter von Schwangerschaftsabbrüchen dürfen aber dagegen klagen.

Abtreibungsgegner und – befürworter vor dem Supreme Court in Washington
Getty Images/Chip Somodevilla
Das US-Höchstgericht muss bis spätestens Ende Juni über ein Grundsatzurteil zur Abtreibung entscheiden

In lateinamerikanischen Ländern, allen voran in Mexiko, organisieren sich Aktivistinnen schon seit Jahren, um Frauen trotz staatlicher Beschränkungen bei Abtreibungen zu unterstützen. Eine dieser Organisationen ist Las Libres, die Frauen Abtreibungspillen organisiert und beim Abbruch begleitet und unterstützt. Wurden in den Anfängen der Organisation vor Jahren noch Ärzte persönlich gebeten, Vergewaltigungsopfern kostenlose Abtreibungen zu ermöglichen, erleichtert die Verfügbarkeit von Medikamenten nun den Prozess.

Unterstützung durch Netzwerk

Auch in den USA nahm die Zahl der medikamentösen Schwangerschaftsabbrüche mit den Arzneien Mifepriston und Misoprostol stark zu. Laut dem auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte spezialisierten Guttmacher Institute liegt der Anteil der medikamentösen Abtreibungen derzeit bei 40 Prozent von jährlich knapp 900.000 in den USA. Das ist ein starker Anstieg. 2001 lag deren Anteil noch bei fünf Prozent.

Die Medikamente ermöglichen den Frauen den Eingriff zu Hause. Das nützen Frauennetzwerke wie Las Libres, um Frauen beim Abbruch zu unterstützen und zu begleiten. Häufig erfolgt das durch Frauen, die bereits selbst eine Abtreibung hinter sich haben. Sie begleiten via Videoanrufe, Telefonate und Textnachrichten.

Medikamente via Post

Diesen Zugang möchte die Organisation nun auch US-amerikanischen Frauen ermöglichen und ihnen mit Informationen, psychologischer Beratung, medizinischer Unterstützung und Abtreibungspillen helfen. Veronica Cruz von der Organisation Las Libres half bereits in Mexiko Tausenden von Frauen zu einer Abtreibung. Dasselbe will sie jetzt Frauen in den USA anbieten: „Wir haben keine Angst. Wir sind bereit, uns der Kriminalisierung zu stellen, weil das Leben der Frauen wichtiger ist als das Gesetz“, sagte sie gegenüber der „New York Times“ („NYT“).

Erleichtert werden könnte dieser Ansatz durch eine kürzlich von der US-Behörde für Lebensmittel und Medikamente (Food and Drug Administration, FDA) getroffenen Entscheidung, dass Abtreibungsmedikamente auch weiterhin nach ärztlicher Verschreibung per Post verschickt werden können. Das war eine aufgrund der Pandemie eingeführte Maßnahme. Trotz der FDA-Entscheidung verhindern einige US-Bundesstaaten auch diese Maßnahme und verlangen, dass die Medikamente persönlich abgegeben werden.

„Gesetzloser Angriff auf das Leben“

In Texas wurde Ärzten überhaupt verboten, die Abtreibungspillen nach der siebenten Schwangerschaftswoche herzugeben, berichtete die „NYT“. Bei Verstößen drohen Gefängnisstrafen und eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Dollar (8.850 Euro). Es könnte aber schwierig sein, Aktivisten, die Pillen verteilen, zu belangen, heißt es auch von Abtreibungsgegnern. Noch schwieriger sei das, wenn sie aus dem Ausland wie etwa Mexiko kommen. Die Pläne der mexikanischen Frauenaktivistinnen bezeichnete John Seago, Chef von Texas Right to Life, gegenüber der „NYT“ als „wirklich schrecklichen, gesetzlosen Angriff auf das Leben“.

Ein Mann sitzt am Straßenrand auf einem Klappsessel und hält ein Schild mit der Aufschrift „Babies are murdered here“ hoch
AP/Lm Otero
In Texas gilt ein besonders striktes Abtreibungsgesetz

Die Unterstützung aus Mexiko könnte wichtiger werden. Denn Verfassungsjuristen und -juristinnen halten es für wahrscheinlich, dass die konservative Mehrheit im US-Höchstgericht das Grundsatzurteil Roe v. Wade von 1973, mit dem das Recht auf Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Fötus – also etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche – festgestellt wurde, abschwächen oder ganz außer Kraft setzen könnte. Das würde sich auf zahlreiche US-Bundesstaaten auswirken.

Der Supreme Court nimmt das Abtreibungsgesetz von Mississippi zum Anlass, um sich mit diesem Grundsatzurteil zu befassen. Das 2018 beschlossene Gesetz ist mit seiner 15-Wochen-Grenze zwar weniger streng als etwa in Texas, verstößt aber auch gegen Roe v. Wade. Daher ist nun der Supreme Court am Zug. Ein Urteil muss bis spätestens Juni fallen.