„Sissi!“ – „Franz!“ – Hach! Spätestens seit „Sissi“ kurz vor Weihnachten 1955 ins Kino kam und aus Romy Schneider und ihrem Regisseur Ernst Marischka Stars machte, gilt die junge Kaiserin Elisabeth als Garant für begeistertes Publikum. Dabei begann der Sisi-Kult viel früher, die echte Kaiserin war bereits zu Lebzeiten mythenumrankt: ihre ungewöhnliche hochgewachsene Gestalt, ihre Liebe zur Natur, ihre Begeisterung für alles Ungarische, ihre konsequenten Leibesübungen und die spezielle „Wiener Taille“, die sie sich als erste schnüren ließ.
Doch erst die „Sissi“-Trilogie von Marischka, der damit einen Operettenstoff aus den Dreißiger Jahren wiederaufgenommen und neu interpretiert hatte, löste einen Boom aus, der tatsächlich weltweit Fans fand. In Spanien, Schweden und Frankreich wurde Schneider als junge Kaiserin gefeiert. Der zweite Teil „Sissi – Die junge Kaiserin“ startete 1957 sogar im Wettbewerb des noch sehr jungen Festivals von Cannes – auf Betreiben des Unterrichtsministeriums, das dem Film das Prädikat „künstlerisch wertvoll“ verliehen hatte.
„Die österreichische Wesensart“
„Nach Auffassung der Kommission stellt der Film innerhalb des Genres des spezifisch Wiener Films eine ernst zu nehmende künstlerische Gesamtleistung dar“, hieß es in der Entscheidung. Außerdem betonte das Ministerium, dass der Film „keine wesentlichen Fehler oder historische Verzeichnungen“ aufweise, und zudem „die Werte des Herzens und der Menschlichkeit als charakteristische Merkmale österreichischer Wesensart“ darstellte.
Sendungshinweis
- „Sissi“ ist am 25. Dezember um 0.05 Uhr in ORF2 und am 2. Jänner um 20.15 Uhr in ORF III zu sehen.
- „Sissi, die junge Kaiserin“ ist am 3. Jänner um 21.05 Uhr in ORF III zu sehen.
- „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ ist am 26. Dezember um 14.35 Uhr in ORF2 zu sehen.
- „Sisi“ – Die sechsteilige Serie ist am 28., 29. und 30. Dezember um 20.15 Uhr in ORF1 zu sehen.
- „Kaiserin der Leinwand – Die Geschichte der Sissi-Trilogie“ ist am 4. Jänner um 20.15 Uhr in ORF III zu sehen.
Die begleitende Medienkampagne war gewaltig, nicht nur Setberichte und die minutiöse Berichterstattung von Premieren betreffend. In französischen und holländischen Zeitschriften erschienen „Sissi“-Comics, Fotolovestorys und Fortsetzungsgeschichten, in Spanien brachte der Verlag Bruguera „Sissi“-Hefte und Romane für Mädchen heraus, und Marischka verhandelte sogar über eine Lizenz für die Herstellung von „Sissi“-Püppchen.
Dauerpräsente Kaiserin
Die Theater- und Operetteninszenierungen, literarischen Adaptionen, sensationalistischen Berichte, Verfilmungen und Neuinterpretationen des Sisi-Stoffes sind zahllos, doch schon lange war die Kaiserin nicht mehr dauerpräsent wie jetzt, 65 Jahre nach der berühmtesten Verfilmung ihres Lebens und mehr als 120 Jahre nach ihrem Tod. Erst kürzlich machte die Versteigerung von Elisabeths Leibwäsche durch ein bayrisches Auktionshaus weltweit Schlagzeilen.
Im Herbst hat „Knickerbocker-Bande“-Autor Thomas Brezina den ersten Band einer „Sisi“-Krimireihe für erwachsene Leserinnen und Leser veröffentlicht, in dem die Kaiserin höchstpersönlich Fälle löst. Der sorgfältig recherchierte Band „Romy spielt sich frei“ des Filmhistorikers Günter Krenn schildert unter anderem die Produktionsbedingungen der „Sissi“-Trilogie. Am 12. Jänner kommt am Volkstheater „Ach, Sisi – Neunundneunzig Szenen“ von Rainald Grebe zur Uraufführung. Und noch im Dezember wird die sechsteilige Serie „Sisi“ zu sehen sein.
Es ist eine Sisi, die weit weg ist von Marischkas keuschen Jungmädchenfantasien: Gleich in der ersten Folge masturbiert die junge Elisabeth (gespielt von Dominique Devenport) im Bett und wird dabei von ihrer Schwester Nene erwischt, später folgt sie Franz heimlich ins Bordell. Auch politische Konflikte werden hier nicht am höfischen Tanzparkett gelöst: Der junge Kaiser wird als impulsiver Mann charakterisiert, der patriotische und persönliche Kränkungen mit Gewalt quittiert – ein Politthriller mit Romantiktouch, irgendwo zwischen „Bridgerton“ und „Game of Thrones“.
So viele Kaiserinnen!
Die „Sisi“-Serie ist nur eines von drei aktuellen Serienprojekten: Durch das Coronavirus und danach kolportierte Besetzungsschwierigkeiten ins Stocken geraten ist die große europäische Netflix-Prestigeproduktion „The Empress“. Auch hier soll es um die ersten Jahre der rebellischen jungen Kaiserin am Wiener Hof gehen, allerdings neidet dort Franz’ jüngerer Bruder Maxi dem Kaiser nicht nur den Thron, sondern auch die schöne Gattin.
Literaturhinweis
- Günter Krenn: Romy spielt sich frei. Glanz und Tragik einer Schauspieldynastie. Molden.
- Thomas Brezina: Sisis schöne Leichen. Edition A.
- Michaela Lindinger: Mein Herz ist aus Stein. Die dunkle Seite der Kaiserin Elisabeth. Amalthea.
Aus den USA kommt ein drittes Projekt, die Adaption der beiden großen Elisabeth-Romane „The Accidental Empress“ und „Sisi: Empress on her Own“ von Allison Pataki. Erstaunlich ist es doch, dass das Gros der filmischen Beschäftigung mit Elisabeth immer wieder neu von ihren ersten Jahren in Wien und den komplizierten Umständen ihrer jungen Liebe erzählt.
Die späte Elisabeth
Dabei sei die ältere Kaiserin die fast noch spannendere Figur, so die Historikerin Michaela Lindinger, die mit dem Buch „Mein Herz ist aus Stein – Die dunkle Seite der Kaiserin Elisabeth“ eine Biografie der späten, melancholischen Elisabeth vorgelegt hat. In ihren letzten zwanzig Lebensjahren zeigte die historische Sisi ihr unverschleiertes Gesicht nicht mehr in der Öffentlichkeit, Maler verwies sie auf die alten Bilder als Vorlagen.
Mit der Kaiserin in dieser Phase befasst sich das momentan spannendste Sisi-Projekt: In Marie Kreuzers Film „Corsage“, der in der ersten Jahreshälfte 2022 seine Weltpremiere feiern soll, spielt Vicky Krieps die Kaiserin, zu einem Zeitpunkt, an dem sie der Vergänglichkeit ihrer sprichwörtlichen Schönheit nicht mehr entkommen kann.
Die Anstrengung um den Erhalt ihres Äußeren und zugleich die gewaltige persönliche Entwicklung, die die historische Elisabeth zwischen ihrem 35. und dem 60. Lebensjahr durchlaufen hat, verpackt der Film in ein einziges Jahr rund um den vierzigsten Geburtstag der Kaiserin, 1877/78. Kreuzer entkoppelt die Figur vom Anspruch auf eine historische Wahrheit im Bemühen um eine womöglich noch viel größere innere Wahrheit, was die Zerrissenheit dieser so oft porträtierten Frau angeht.

Was bleibt, ist sicherlich die süße „Sissi“ von Marischka. Mit den Produktionsbedingungen der Trilogie setzt sich die Doku „Kaiserin der Leinwand: Die Geschichte der Sissi-Trilogie“ auseinander, sie erzählt von der Entstehung der erfolgreichsten Filmreihe Österreichs und den Auswirkungen, die sie auf ihre jungen Stars und die heimische Filmlandschaft hatte.