Werbung für den Inter Fan Token auf einem Trikot von Inter Mailand
Reuters/Susana Vera
Spiel mit Emotion

Fußballclubs nutzen Krypto-Hype

Weil Fußball von emotionaler Bindung lebt, wissen die Clubs das zu Geld zu machen. Merchandising, Tickets und Mitgliedschaften spülen verlässlich Kapital in die Kassen. Doch es gibt neue Potenziale: So verfügen einige namhafte Vereine mittlerweile über eigene Kryptowährungen. Ausgegeben werden sie mit der Erzählung von mehr Mitsprache – ein in mehrfacher Hinsicht fragwürdiger Ansatz.

Das Angebot nennt sich Fan Token, bei einigen Clubs etabliert sich die digitale Währung gerade. Italiens Tabellenführer Inter Mailand bewirbt den „$Inter Fan Token“ gar auf seinem Trikot. Ein offensives Angebot an alle Inter-Fans also, sich Fan Token (also eine Art digitales Guthaben) ihres Lieblingsclubs zu erwerben – oder besser gesagt: in den Fan Token zu investieren. Diese werden dann wie die gängigen Kryptowährungen Bitcoin, Ethereum und Co. an Kryptobörsen gehandelt.

Doch handelt es sich um ein spekulatives Investment in einem volatilen Umfeld. Denn was bei der Werbung für eine Investition in den Herzensclub fallweise zu kurz kommt, ist eine entsprechende Warnung. Das bekam jüngst der englische Arsenal FC zu spüren – denn die Aufsichtsbehörde der britischen Werbeindustrie verbot dem Club Werbepraktiken für den „$AFC Fan Token“ via Facebook. In zwei Fällen seien Käuferinnen und Käufer in die Irre geführt und über die Risiken des Kryptohandels nicht ausreichend informiert worden. „Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit“ würden ausgenutzt, wurde moniert.

Screenshot der Seite coingecko.com zeigt die Fan-Token-Kurse mehrerer Fußballvereine
Screenshot coingecko.com
Von PSG bis AS Roma – Fan Token sind starken Kurssprüngen unterworfen. Hier nur eine kleine Auswahl an verfügbaren Angeboten.

Starke, unvorhersehbare Dynamik

Doch wieso ist der Handel so riskant? Für die Ausgabe von Fan Token schließen Clubs üblicherweise Partnerschaften mit Unternehmen, die den Handel abwickeln. Als Aushängeschild gilt derzeit Socios.com – die Plattform arbeitet mit vielen Akteuren im europäischen Clubfußball zusammen – weltweit sind es laut Unternehmensangaben derzeit 15 Ligen. Freilich sind auch andere Sportarten bzw. Ligen involviert – erst kürzlich wurde ein Deal mit mehreren Teams der US-amerikanischen National Hockey League (NHL) abgeschlossen.

Ist man im Besitz von Fan Token eines ausgebenden Clubs, werden beim Blick auf den Kursverlauf nur kurzfristige Tendenzen klar. Denn wie etablierte Kryptowährungen sind Fan Token unmöglich vorhersehbaren Einflüssen auf dem Kryptomarkt unterworfen – sportlicher Erfolg oder Misserfolg sind keine verlässlichen Faktoren. Rasche Zuwächse, aber auch ebenso rasche Verluste in kurzer Zeit sind möglich. Und Marktteilnehmer, die spekulieren und in kurzem Takt kaufen bzw. verkaufen, heizen diese Dynamik an.

Nur ein Marketinggag?

Doch werden Anlegerinnen und Anlegern von den teilnehmenden Fußballclubs in erster Linie nicht finanzielle Chancen in Aussicht gestellt – sondern in den Augen vieler Fans etwas anderes Wertvolles: Teilhabe und Mitsprache. Und damit ausgerechnet das, was viele im modernen Fußball zunehmend vermissen. Doch Gutgläubige werden mit Blick auf die gängigen Versprechen freilich enttäuscht: Designs für Clubbusse und Umkleidekabinen, Auswahl der Torhymne, Botschaften an Spieler – also Dinge von überschaubarer Relevanz.

Werbung für stake.com auf dem Trikot von Watfords Emmanuel Dennis
AP/Frank Augstein
Der englische FC Watford arbeitet seit Beginn der laufenden Saison mit Stake.com zusammen – dabei handelt es sich um ein Onlinecasino, in dem nur mit Kryptowährungen gespielt werden kann

Also alles nur ein Marketinggag, der den Vereinen und ihren Vermarktungspartnern in Zeiten von pandemiebedingten Ausfällen bei Ticketverkäufen einfaches Geld bringt? Oder tatsächlich ein Weg mit neuen Chancen, die Fans stärker in die Geschicke ihrer Lieblingsclubs einzubeziehen? Klar scheint jedenfalls, um welche Fans es den Clubs gehen könnte. Denn freilich ist der Handel mit Fan Token ein globales Geschäft – in den Augen so mancher Clubs wohl ein Asset für den so wichtigen asiatischen Markt.

Dortmunder Ultras auf Barrikaden

Doch was Anhängerinnen und Anhänger aus China im Idealfall als Ausdruck der engeren Bindung mit dem so weit entfernten Verein sehen könnten, sorgte in Europa in manchen Fällen bereits für Verwerfungen. Ein Beispiel findet sich etwa in Dortmund: Als die dortige Borussia vor einem Jahr der Idee des Einstiegs ins Token-Geschäft nähertrat und eine erste Verkaufsphase abhielt, stiegen Teile der organisierten Fanszene auf die Barrikaden.

„Stoppt den Marketingwahn – Fantoken einstampfen“ stand auf einem Spruchband der einflussreichen Ultra-Gruppe The Unity zu lesen. Nach den Gesprächen zwischen Fans und Clubverantwortlichen blies der Verein das Token-Experiment ab, ohnehin habe man zu keiner Zeit vorgehabt, „gegen Geld relevante Entscheidungsbefugnisse an internationale Fans abzutreten“, war Dortmunds Geschäftsführer Carsten Cramer um Beruhigung bemüht. Man habe „viele Kritikpunkte nachvollziehen“ können.

Verpuffter Messi-Effekt

Doch Auseinandersetzungen solcher Art gibt es in anderen Clubs nicht einmal in Ansätzen. Zuweilen trieben Werbeaktionen für die Kryptoidee seltsame Blüten: so wurde zum Transfer von Lionel Messi zum von Katar finanzierten und kontrollierten Club Paris Saint-Germain verkündet, der Argentinier habe bei seiner Vertragsunterzeichnung eine „große Anzahl“ an „PSG Fan Token“ bekommen – in welchem Ausmaß wurde freilich nicht bekannt.

Messi sei der erste Fußballprofi weltweit, der mit Token bezahlt werde, behaupteten PSG und die Plattform Socios.com in einer Mitteilung. Der Token von PSG war in den Tagen davor um über 130 Prozent auf knapp 50 US-Dollar angestiegen. Doch der Messi-Effekt in der Kryptowelt verpuffte so rasch, wie er kam: Eine Woche dem Hoch lag der Kurs bei etwa 32 US-Dollar – und das war erst der Anfang vom Absturz. Derzeit bewegt sich der Kurs der „PSG Fan Token“ bei etwa 15 US-Dollar.

Nur der Anfang?

Doch Anbieter wie Socios.com oder die teilnehmenden Clubs beruhigen mit dem Argument, wonach Wert bzw. Anzahl der Token nicht vorrangig wichtig seien für die Möglichkeit zur Teilhabe an den Geschicken im Verein. Der Spin: Bereits ein Token reiche für Teilhabe. Doch sind bei der Verbindung zwischen Sport- und Kryptowelt wohl erst leise Vorboten im Spiel – es gibt wohl noch sehr viel Luft nach oben.

So scheint die Befürchtung angebracht, dass solche künftig möglicherweise noch viel bedeutenderen Mechanismen dann auch über wirklich relevante Zugänge wie Ticketvergaben entscheiden könnten – und dann eifrige Token-Käufer oder gar Unternehmen mitsamt wirtschaftlichen Interessen im Vorteil wären. Doch bis Token ein ernstzunehmender Faktor werden, sollen sie wohl vor allem eines sein: eine „Einstiegsdroge“ für Fußballfans in den Kryptomarkt.