Eine junge Frau steigt mit ihrem Koffer in einen Zug in Frankfurt (Deutschland)
Reuters/Ralph Orlowski
Einfacher, schneller, günstiger

Bahnpläne „Schritt in die richtige Richtung“

Bessere Verbindungen, leichtere Ticketkäufe, schnellere Züge, günstigere Fahrscheine – der kürzlich vorgelegte Aktionsplan der EU-Kommission will Reisen mit dem Zug attraktiver machen. Josef Doppelbauer, Chef der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA), spricht gegenüber dem ORF von dem Plan als einen „Schritt in die richtige Richtung“. Das Wichtigste sei nun aber, den Bahnverkehr über nationale Grenzen hinaus zu denken.

Gestalten sich für die Fahrgäste Zugsreisen quer durch Europa oftmals schon nicht allzu einfach, gleichen sie für Lokführer und Lokführerinnen einem schier undurchschaubaren Labyrinth aus nationalen Regelungen: Einmal sind die Gleise breiter, einmal enger, einmal hören sie schlichtweg ganz auf. In Österreich bedeutet ein rotes Licht „Halt“, in Belgien „Fahren auf Sicht“. Bricht ein Brand aus, müssen die Türen in Frankreich geschlossen bleiben, in England aufgehen.

Mit dem „Jahr der Schiene“ hat sich die EU-Kommission 2021 nichts Geringeres als die Modernisierung des europäischen Bahnverkehrs vorgenommen. Ende des Jahres wurde mit dem „Aktionsplan zur Stärkung des Schienenpersonenverkehrs auf Fern- und grenzüberschreitenden Strecken“ eine Reihe von Maßnahmen vorgelegt, um die Mobilitätswende auf Schiene zu bringen. Doppelbauer lobt den Aktionsplan als eine wichtige Initiative, die für den richtigen Anschub sorge und jetzt genützt werden müsse, „um rascher nach vorne zu kommen“.

Eine ausgediente Bahnstrecke
Getty Images/iStockphoto/Mieszko9
Der Aktionsplan stellt die Weichen zur Modernisierung des europäischen Bahnverkehrs

„Ende der Kleinstaaterei in Europa“

Eines der wesentlichsten Ziele sei dabei eine Reduktion der nationalen Regeln und eine Überwindung der „Kleinstaaterei in Europa“, so Doppelbauer. Das betreffe etwa auch die Vereinheitlichung der Ausbildung zum Triebfahrzeugführer.

„Ein Lkw-Fahrer kann mit einem Führerschein überall in Europa fahren. Ein Lokführer muss an der Grenze aussteigen, weil er entweder nicht die Genehmigung hat oder ihm die Sprachkenntnisse fehlen.“

Ganz generell wünsche sich Doppelbauer ein „europäisches Regelwerk“ für den Bahnverkehr. Die Herausforderung hierbei liege vor allem in der internationalen Zusammenarbeit und der Koordinierung von Investitionen.

EU-Bahnausbau: Lücken und Tücken

Die EU-Kommission drängt, das grenzüberschreitende Zugangebot auszubauen. Bis 2030 soll es etwa doppelt so viele Hochgeschwindigkeitszüge geben. Ganz einfach lässt sich das allerdings nicht umsetzen.

Einfachere Buchungen, günstigere Tickets

Was den grenzüberschreitenden Bahnverkehr betrifft, stelle aus Kundensicht vor allem die Fahrscheinbuchung nach wie vor ein großes Problem dar: „Es hat in den vergangenen Jahren zwar Verbesserungen gegeben, aber es ist immer noch schwierig, das beste Angebot zu finden“, sagt der ERA-Chef.

Im Aktionsplan heißt es dazu: „Das Planen und Reservieren grenzüberschreitender Bahnfahrten muss einfacher und benutzerfreundlicher werden, damit die Fahrgäste schnell die beste verfügbare Fahrkarte zum günstigsten Preis finden können und zugleich ein besserer Schutz bei einer Störung der Reise gewährleistet ist.“

Im besten Fall werden Zugsreisen aber nicht nur einfacher, sondern auch günstiger, enthält der Aktionsplan doch auch Maßnahmen „für ein besser funktionierendes Schienennetz, sodass Bahnfahren erschwinglicher wird.“ Und weiter: Die Kommission werde Möglichkeiten prüfen, um grenzüberschreitende Bahnfahrten gegebenenfalls EU-weit von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Nachtzug am Wiener Hauptbahnhof
ORF.at/Christian Öser
Am Abend in Wien einsteigen, in der Früh in Paris ankommen – Nachtzüge erleben nicht zuletzt aufgrund der Klimakrise eine Renaissance

Vorreiterrolle Österreichs bei Nachtzügen

Dass Geld bei all den Fragen eine große Rolle spiele, stehe außer Frage. So zeichne sich etwa ab, dass in den Ländern, wo die Investitionen in die Infrastruktur hoch sind, auch das Eisenbahnsystem gut funktioniere, meint Doppelbauer. An der Spitze befinde sich derzeit Luxemburg, gefolgt von der Schweiz und Österreich.

Doppelbauer betont hierbei die Vorreiterrolle, die Österreich mit den ÖBB einnehme – vor allem, was das sich stetig erweiternde Angebot von Nachtzügen betreffe. Zuletzt etwa mit der neuen Nachtzugsverbindung zwischen Wien und Paris, die Doppelbauer als „durchaus positiv“ bezeichnet.

Schließlich würde nun auch in Frankreich stärker über die Einführung neuer Nachtzüge nachgedacht. Eine Initiative gebe es derzeit zudem zu Nachtzügen zwischen Schweden, Dänemark, Deutschland und den Niederlanden. „Also, da ist schon einiges in Bewegung“, konstatierte Doppelbauer.

Politischer Wille entscheidend

Der Aktionsplan zeige zwar den politischen Willen der EU, diesen brauche es aber auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten: „Man muss Verbindungen schaffen. In vielen Fällen gibt es die Strecken und Möglichkeiten, aber es gibt das Angebot dazu nicht.“

Im Durchschnitt liege der Marktanteil in Europa im Schienenpersonenverkehr bei acht Prozent, in Österreich bei zwölf Prozent. Der Marktanteil für grenzüberschreitenden Schienenverkehr liege jedoch gerade einmal bei der Hälfte. Durch „vernünftige und leicht zu buchende Verbindungen“ könne dieser verdoppelt werden.

Eine Verdoppelung ist auch das Ziel der EU, wenn es um Hochgeschwindigkeitsverbindungen geht – so sollen bis 2030 doppelt so viele Züge mit 160 bis 200 km/h wie bisher auf europäischen Schienen fahren. Bis 2050 sollen es sogar dreimal so viele sein.

Klimafreundliche Alternative

Nicht zuletzt geht es bei der Mobilitätswende natürlich auch um die Erreichung der Klimaziele. Schließlich stellt der Schienenverkehr als emissionsärmere Alternative zum Auto- und Flugverkehr einen wichtigen Baustein für mehr Klimaschutz in Europa dar.

Die EU-Kommission hat sich mit dem „Green Deal“ vorgenommen, wichtige Bereiche der Wirtschaft – dazu gehört der Verkehr – in den kommenden 30 Jahren grundlegend umzugestalten. Ziel ist es, bis 2050 alle Treibhausgase zu vermeiden oder auszugleichen, um so klimaneutral zu werden.

Auch der für den „Green Deal“ zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans betonte die Rolle von schnelleren und europäischen Bahnverbindungen auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft. Ähnlich äußerte sich Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne): „Nur wenn Bahn in Europa auch wirklich europäisch gedacht wird, kann uns die Dekarbonisierung im Verkehrsbereich gelingen.“