Afghanische Frauen mit Kindern in Kabul
Reuters/Zohra Bensemra
Afghanistan

Taliban schränken Frauenrechte weiter ein

Wenige Monate nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan schränken die Taliban die Rechte der Frauen weiter ein. Künftig dürfen Frauen auf längeren Wegen nur noch in Begleitung eines engen männlichen Verwandten befördert werden. Fahrzeughalter werden auch aufgefordert, nur Trägerinnen eines Hidschab zu transportieren. Dass die Taliban nun milder regieren als in den 90ern, wird von Fachleuten trotz anderslautender Versprechen stark angezweifelt.

„Frauen, die eine Strecke von mehr als 72 Kilometern zurücklegen, sollten nicht mitgenommen werden, wenn sie nicht von einem engen Familienmitglied begleitet werden“, sagte ein Sprecher des Ministeriums für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters am Sonntag. In der neuen Anweisung des Ministeriums werden die Menschen auch aufgefordert, in ihren Fahrzeugen keine Musik mehr zu hören.

Die Taliban hatten Mitte August wieder die Macht in Afghanistan übernommen und die Frauenrechte im Land stark eingeschränkt. Bisher hat kein Land die Taliban-Führung offiziell anerkannt, die mit dem Versprechen angetreten war, dass ihre neue Herrschaft über das Land milder ausfallen werde als einst in den 90er Jahren.

TV-Serien mit Frauen verboten

Zweifel an den Zusicherungen der Islamisten werden seither aber immer wieder geschürt. Erst Ende November hatte das Ministerium afghanische Fernsehsender aufgefordert, keine Dramen und Seifenopern mit weiblichen Darstellern mehr zu zeigen. In Afghanistan sind vor allem türkische, indische und iranische Seifenopern beliebt, seltener wurden US-Serien und -Filme gezeigt.

Bereits zuvor gab es von Konservativen in dem Land immer wieder Kritik an diesen Programmen, in denen etwa Frauen ihre Ehepartner selbst wählten. Die Serien verführten die Jugend, hieß es. Das Ministerium hatte auch Fernsehjournalistinnen aufgefordert, bei ihren Auftritten Hidschabs zu tragen.

Frau in Kabul putzt Schule
Reuters/Ali Khara
Viele Frauen können seit der Taliban-Herrschaft keiner regulären Arbeit mehr nachgehen

Arbeit und Schulbesuch erschwert

Frauen können vielfach seit der Machtübernahme der Taliban aber gar nicht mehr zur Arbeit gehen. Immer wieder gibt es auch Berichte, wonach Schülerinnen daran gehindert werden, in die Schule zu gehen. Die Taliban erlauben überwiegend zudem nur Jungen den Besuch weiterführender Schulen. Diese dürfen auch nur von Männern unterrichtet werden. Das Frauenministerium wurde bereits vor Monaten aufgelassen.

NGO: Frauen bei Gewalttaten ungeschützt

Die NGO Amnesty International klagte kürzlich auch an, dass es für weibliche Gewaltopfer seit der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban fast unmöglich geworden sei, Hilfe zu bekommen. Unterstützungsnetzwerke für Überlebende von Gewalt in Beziehungen oder Zufluchtsorte wie Frauenhäuser seien so gut wie verschwunden. Proteste wurden teils gewaltsam niedergeschlagen.

Für Frauen war die Herrschaft der Taliban vor 20 Jahren – also von 1996 bis 2001 – gekennzeichnet von Unterdrückung und Gewalt. Frauen durften damals prinzipiell nicht das Haus verlassen, und wenn, dann nur in Burka und mit einem männlichen Familienmitglied. Es war ihnen zudem verboten zu arbeiten und über dem Alter von acht Jahren unterrichtet zu werden. Unter Unterricht verstehen die Taliban vorwiegend das Studieren des Koran.

Bei dem kleinsten Verstoß drohte spontane öffentliche Misshandlung durch Ordnungshüter. Im schlimmsten Fall waren Auspeitschungen, Folter und Hinrichtungen die Folge. Die Taliban von heute halten nach wie vor an der Scharia, der strengen Auslegung des islamischen Rechts, fest.

Erlass zu Frauenrechten veröffentlicht

Dass die Taliban nun aber – zumindest nach außen hin – versuchen, moderater aufzutreten, zeigte etwa ein Anfang Dezember veröffentlichter Erlass: Darin wiesen sie Organisationen, religiöse Gelehrte und Älteste an, ernsthafte Maßnahmen zur Durchsetzung von Frauenrechten zu ergreifen. Wörtlich heißt es darin: „Eine Frau ist kein Eigentum, sondern ein edler und freier Mensch.“

In dem Erlass wird als eines der Rechte angeführt, dass niemand eine unverheiratete Frau oder eine Witwe zur Heirat zwingen dürfe. Auch dürfe niemand Frauen im Austausch für Frieden oder zur Beendigung einer Feindseligkeit irgendjemandem zur Verfügung stellen. In Afghanistan kommt es immer wieder vor, dass eine Frau etwa bei Familienfehden als Wiedergutmachung gegeben wird. Witwen hätten zudem einen Anspruch auf ein Erbe sowie auf eine Brautgabe, sollten sie wieder heiraten.

Positionen nicht neu

In dem Erlass werden zudem zwei Ministerien sowie die Gerichte dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Rechte bekanntgemacht und umgesetzt werden. Die Positionen in dem Dekret sind insgesamt nicht neu und entsprechen auch den Regeln des Islam.

Auch die bisherigen afghanischen Gesetze garantierten diese Rechte. Allerdings wurden sie auch vor der Machtübernahme der Taliban oft nicht gewährt. Vor Gericht waren sie oft nicht durchsetzbar. In dem neuen Dekret gibt es keine Angaben zu Rechten von Frauen bezüglich Bildung oder Arbeit.

Humanitäre Lage verschlechtert sich

Unterdessen verschlechterte sich die humanitäre Lage im Land zuletzt enorm: Afghanistan leidet aktuell unter einer der schwersten Dürren der zwei vergangenen Jahrzehnte. Mit der Machtübernahme der Taliban wurde der Großteil der Hilfen für das Land eingestellt und Reserven der Zentralbank des Landes eingefroren. Die bereits zuvor angeschlagene Wirtschaft befindet sich seither im freien Fall, Preise für Lebensmittel stiegen signifikant an.