Maschine in Chipfabrik, Ormoy, Frankreich
APA/AFP/Thomas Samson
Chipmangel

Analoge Halbleiter als wertvoller Schatz

Der Chipmangel lässt Produktionen weltweit stillstehen, die Nachfrage nach den begehrten Halbleitern ist auf einem Höhepunkt. Übersehen wird oft, dass nicht nur die digitalen, sondern auch die analogen Chips Mangelware sind. Das beschert ausgerechnet einem Hersteller der guten, alten Taschenrechner einen Höhenflug: Das 91 Jahre alte US-Unternehmen Texas Instruments (TI) ist derzeit 170 Mrd. US-Dollar (150 Mrd. Euro) schwer.

Texas Instruments, Schülerinnen und Schülern nur allzu gut für ihre Taschenrechner bekannt, ist einer der größten Player in der Produktion analoger Chips. Auch sie werden weltweit dringend für die Herstellung zahlloser Geräte gebraucht, auch hier herrscht großer Mangel. Das bescherte TI zuletzt einen regelrechten Boom.

Während digitale Chips nur mit Nullern und Einsern arbeiten, also in der Regel nur zwischen „ein“ und „aus“ unterscheiden, sind analoge Chips für die Verarbeitung von natürlichen Signalen nützlich, beispielsweise für den Ton, der in ein Mikrofon gesprochen wird. Auch als Sensoren werden sie eingesetzt – und sind damit in der Autobranche und Industrieanwendungen unverzichtbar. Neben Texas Instruments gehört auch das deutsche Infineon, das in Österreich gerade eine neue Fabrik öffnete, dazu.

Die analogen Chips kosten nur ein paar Dollar, doch wenn sie fehlen, werden Lieferketten für Produkte mit einem Umsatz von Milliarden behindert. Während in der Debatte über den Chipmangel Hersteller hoch entwickelter digitaler Chips wie Intel und Samsung im Rampenlicht stehen, stehen die analogen kaum im Fokus.

Tech-Giganten in Not

Dabei leiden weltweit Hersteller stark unter dem Chipmangel. Lockdowns, hohe Energiepreise und Nadelöhre in den Lieferketten beeinträchtigten die Verfügbarkeit sowohl digitaler als auch analoger Chips. Auch die großen Tech-Firmen sind vom Mangel an analogen Halbleitern betroffen. So beschwerte sich Apple-Chef Tim Cook jüngst darüber, offenbar führte er heuer auch zu Problemen bei der Herstellung von iPhones. Man stehe in starkem Wettbewerb mit verschiedenen Branchen um das begehrte Gut, so Cook.

Talk mit Experte Wilfried Sihn

Managementwissenschafter und Autoexperte zum Chipmangel und seinen Folgen.

Die größten Chiphersteller der Welt, Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), Samsung und Intel, haben Dutzende Milliarden Dollar für neue Produktionskapazitäten ausgegeben.
Doch von den etwa 50 Chips, die in den neuesten High-End-Smartphones verarbeitet sind, fallen laut „WSJ“ nur die wenigsten in diese Kategorie. Zu den anderen gehören analoge Chips, die Aufgaben wie die Stromversorgung des Telefondisplays regeln.

Vorsicht bei strategischen Veränderungen

Das asiatische Marktforschungsunternehmen TrendForce berichtete, dass die Hersteller analoger Halbleiter einen Auftragsbestand von Automobilkunden bis Ende 2022 haben. Auch Hersteller von Unterhaltungselektronik haben mit monatelangen Wartezeiten und höheren Preisen zu kämpfen.

Auch TI räumte trotz geplanter Investitionen in Milliardenhöhe ein, die Nachfrage derzeit nicht ausreichend bedienen zu können, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“). Das Unternehmen war zuvor schon beschuldigt worden, die Produktion nicht ausreichend hochzufahren. „Man kann die Kapazitäten nicht substanziell in einem oder zwei Jahren ändern“, sagte darauf TI-Präsident Rich Templeton. „Wir hätten jetzt gerne mehr Kapazitäten. Aber es gibt viele Dinge im Leben, die man gerne hätte.“ Die Hersteller von Analogchips verhielten sich bei der Expansion allerdings zurückhaltend, so das Blatt.

„Irgendwann werden wir zu viel haben, so sind die Zyklen in unserer Branche“, wird Dave Pahl von TI, zitiert. „Es wird uns also nicht überraschen, wenn der Zyklus irgendwann zu Ende geht. Darauf werden wir vorbereitet sein.“

Spät, aber doch: Europa will reagieren

Bis die Chipknappheit und die daraus resultierenden Folgen beseitigt sind, dürfte es also noch dauern. Kurzfristige Abhilfe scheint auch wegen des komplexen Produktionsprozesses der Halbleiter nicht möglich. Zumindest mittel- und längerfristig will sich aber die EU wappnen. Brüssel will mittels des „European Chips Act“ den Marktanteil europäischer Unternehmen an der weltweiten Herstellung auf 20 Prozent verdoppeln. Frühester Starttermin der Initiative: erstes Halbjahr 2022.