„Wir versuchen unser Bestes, die Menschen zu schützen“, sagte der Kanzler. Würden die Gesundheitsbehörden Silvesterpartys freigeben, und würde es dann aber steigende Infektionszahlen und Cluster aus diesen Partys geben, dann „würden Sie mich oder den Gesundheitsminister zurecht beim nächsten Mal fragen, warum hat die Bundesregierung es zugelassen, dass Silvester gefeiert werden darf“, sagt Nehammer.
Für den teils lautstarken Protest aus Gastronomie und Tourismus, der auch aus seiner eigenen Partei kommt, äußerte Nehammer zwar Verständnis. Gleichzeitig betonte er: Niemand wolle irgendwen „quälen“ oder „Geschäftsbereiche von anderen vorsätzlich stören“, aber „das Virus ist nach wie vor gefährlich“.
Ministerien verweisen auf GECKO
Eine Absage an die Touristiker kommt auch aus dem Gesundheits- wie aus dem Tourismusministerium und von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Sie alle verwiesen am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal auf das Beratungsgremium GECKO der Bundesregierung, das zur Vorsicht rund um den Jahreswechsel mahnte. Deren Vorschläge habe die Regierung angesichts der neuen Virusvariante Omikron umgesetzt.
„Wir müssen Zeit gewinnen und uns jetzt an die Maßnahmen halten. Lassen Sie sich testen, feiern Sie im kleinen Kreis“, sagte die Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit, Katharina Reich. Generalmajor Rudolf Striedinger rät von Versammlungen wie Demonstrationen ab.
Silvester als „markanter Wendepunkt“
Reich, die gemeinsam mit Striedinger die GECKO-Kommission leitet, sagte im schriftlichen Statement, Silvester werde mit großer Wahrscheinlichkeit auch ein „markanter Wendepunkt“ in der Infektionskurve sein. „Wir lernen Omikron gerade erst kennen, wissen aber bereits, dass die Gefahren groß sind. Klar ist, dass wir mit einer neuen Dynamik der Pandemie rechnen müssen. Extrem rasche Entwicklungen sind zu erwarten.“ Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres hält größere Feiern für gefährlich.
Platter sieht „Ho-ruck-Aktion“
Kritik kommt erneut von Platter, der derzeit auch der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz ist. „Solche überfallsartigen Entscheidungen führen nur zu weiteren Verunsicherungen und werden uns im Kampf gegen die Pandemie und Omikron nicht weiterbringen“, sagte er der „Tiroler Tageszeitung“. Es ärgere ihn nach wie vor, „dass die Sperrstunde in einer Ho-ruck-Aktion und ohne Zustimmung der Bundesländer vorverlegt wurde“.
Einmal mehr argumentierte der Landeshauptmann damit, dass durch die Vorverlegung der Sperrstunde die Menschen in den unkontrollierten, privaten Bereich getrieben würden, wo die Ansteckungsgefahr um vieles höher sei als im kontrollierten und mit Auflagen versehenen öffentlichen Bereich.
Tiroler Touristiker erhöhen Druck auf Politik
Besonders in Tirol waren die führenden schwarzen Touristiker und Kammervertreter zuletzt verbal auf die Barrikaden gestiegen und hatten vor allem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) unter Beschuss genommen. Von einem „Desaster“, „Wahnsinn“ war die Rede, Existenzen würden aufs Spiel gesetzt.
Auch der Druck auf die Landesspitze dürfte zuletzt gestiegen sein. 15 namhafte Touristiker sollen Landeshauptmann und Tourismusreferent Platter zum Handeln aufgefordert haben. Auch die Überlegung, Protestaktionen zu veranstalten, wurde ventiliert.
Omikron-Zahlen steigen auch in Tirol
Kritik an der Kritik der schwarzen Touristiker und Kammerfunktionäre übte unterdessen der grüne Koalitionspartner auf Landesebene. Dessen Tourismussprecher Georg Kaltschmid sprach von einem „Dauerlobbyismus-Feuer“ von Tourismusobmann in der Tiroler Wirtschaftskammer Mario Gerber, ÖVP-Tourismussprecher Abg. Franz Hörl und Tirols Wirtschaftskammer-Chef Christoph Walser: „Ihr Ego ist groß, ihr Verantwortungsbewusstsein klein.“
In der Zwischenzeit steigen auch in Tirol die Omikron-Fallzahlen. Auch der neue Ischgler „Kitzloch“-Fall ist einer der neuen Variante – mehr dazu in tirol.ORF.at.
Gastronomie befürchtet große Einbußen
Doch auch in anderen Bundesländern trommeln Gastronomen bereits seit Tagen gegen die Vorverlegung der Sperrstunde auf 22.00 Uhr, insbesondere zu Silvester. Wobei die Aussicht auf Gehör schwindet. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, so Gastronomieobmann Mario Pulker, sehr optimistisch sei er aber nicht. Er erwartet alleine vom Ausfall des Geschäftes zum Jahreswechsel einen branchenweiten Umsatzverlust von 50 bis 60 Prozent. WIFO-Experte Oliver Fritz sprach heute im Ö1-Mittagsjournal von rund 40 Prozent.
Markus Grießler von der Wiener Wirtschaftskammer rechnete vor: „Der abgesagte Silvesterpfad und die eingeführte Sperrstunde um 22.00 Uhr kosten den Wiener Tourismus 50 Millionen Euro. Einnahmen, die auch nicht mehr nachgeholt werden können.“
SPÖ verständnisvoll, NEOS und FPÖ nicht
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte Schwerpunktkontrollen der Polizei zum Jahreswechsel an und meinte: „Ich appelliere an alle, feiern Sie Silvester, aber feiern Sie im kleinen Kreis mit Freunden oder Familie.“
Von der SPÖ kommt Verständnis für die Sperrstunde vor Mitternacht. Deren Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner meinte auf Facebook, dass heuer „nicht die Zeit für Partys und große Feiern“ ist. NEOS hingegen erachten die Lösung als „sinnbefreit“ und verlangen ein Schließen um ein Uhr.
FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl betonte: „Die Leidtragenden sind die Tourismus- und Gastronomiebetriebe des Landes, die auch in der aktuellen Wintersaison herbe Verluste einfahren werden, obwohl vor wenigen Wochen die ÖVP-Tourismusministerin (Elisabeth) Köstinger noch vollmundig versprochen hat, dass es heuer eine Wintersaison geben werde.“