Frau mit Schutzmaske in Paris
Reuters/Sarah Meyssonnier
Omikron

Explodierende Fallzahlen quer durch Europa

Mehr als 200.000 Neuinfektionen in Frankreich, mehr als 180.000 neue Fälle in Großbritannien, fast 100.000 in Italien: In Europa steigen die Coronavirus-Infektionszahlen wegen der hochansteckenden Omikron-Variante stark an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte vor einem „Tsunami“ von Coronavirus-Fällen und einem Kollaps der Gesundheitssysteme.

In Europa steigen die Zahlen Tag für Tag sprunghaft an: In den vergangenen sieben Tagen wurden nach AFP-Zählung insgesamt mehr als 3,5 Millionen Fälle registriert. Das waren durchschnittlich mehr als 510.000 Fälle pro Tag. In früheren Infektionswellen waren in Europa nie mehr als 300.000 Fälle pro Tag registriert worden.

Länder wie Frankreich und Dänemark, wo sich Omikron schon stark ausgebreitet hat, verzeichnen inzwischen so viele Infektionen wie noch nie. In Frankreich wurde am Mittwoch erstmals die Schwelle von 200.000 Neuinfektionen überschritten. Binnen eines Tages wurden 208.000 neue Fälle registriert. Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Veran nannte den Anstieg „schwindelerregend“. Jede Sekunde würden zwei Menschen in Frankreich positiv auf das Coronavirus getestet, sagte er.

Die französische Regierung beschloss, die bereits seit Anfang Dezember geschlossenen Nachtclubs und Diskotheken für weitere drei Wochen zu schließen. Ab Freitag gilt in Paris auch draußen wieder Maskenpflicht, wie die Polizeipräfektur am Abend mitteilte. Das Schweizer Gesundheitsamt meldete im Vergleich zum Vortag 17.634 neue laborbestätigte Fälle.

Omikron-Variante auf dem Vormarsch

Die fünfte Cooronavirus-Welle nimmt mit der Verbreitung der infektiösen Omikron-Variante an Fahrt auf. Die Mitglieder der GECKO-Kommission mahnen zu Vorsicht rund um den Jahreswechsel.

Höchstwerte in Dänemark und Italien

In Dänemark wurde mit 23.228 neuen Infektionsfällen binnen 24 Stunden ebenfalls ein neuer Rekordwert erreicht. Das skandinavische Land hat mit einem Wert von über 1.700 die weltweit höchste 7-Tage-Inzidenz.

In Italien wurden in 24 Stunden fast 100.000 Coronavirus-Ansteckungen verzeichnet. Das ist Rekord seit Ausbruch der Pandemie, meldeten die italienischen Gesundheitsbehörden heute. Am Vortag waren es noch 78.313, eine Million Coronavirus-Tests wurden binnen 24 Stunden gezählt, was ebenfalls Rekord bedeutet. Vor den Teststationen bildeten sich lange Schlangen. In einigen Städten wurden die Testkits knapp. 1.185 Coronavirus-Patienten liegen auf den Intensivstationen der italienischen Krankenhäuser.

Ähnliches Bild in Großbritannien und Irland

Auch in Großbritannien wurde mit 183.037 Neuinfektionen binnen 24 Stunden ein neuer Höchststand erreicht. Darin sind zwar Neuinfektionen über fünf Tage in Nordirland enthalten, wo es wegen der Feiertage keine aktuellen Daten gab. Allein im größten Landesteil England wurden demzufolge allerdings an einem Tag 138.287 Menschen positiv auf das Virus getestet, auch Schottland meldete mit 15.849 Fällen einen Tagesrekord.

Die Zahl der Covid-19-Patienten in Englands Krankenhäusern stieg auf über 10.000 und war damit so hoch wie zuletzt am 1. März. In Irland stieg die Zahl auf 16.428. Fast alle neuen Fälle sollen dabei auf Omikron zurückgehen.

Maßnahmen in Griechenland vorgezogen

Auch Griechenland verzeichnete am Mittwoch mit 28.828 Neuinfektionen einen Rekordwert. Die Regierung zog für den 3. Jänner geplante Coronavirus-Maßnahmen vor. Unter anderem gilt für Bars und Restaurants bis 16. Jänner – und damit auch in der Silvesternacht – ein Musikverbot.

Auch in den USA wurden neue Höchstwerte bei den Neuinfektionen verzeichnet. Nach Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore vom Mittwoch wurden binnen 24 Stunden im 7-Tages-Schnitt 265.427 Coronavirus-Fälle gemeldet.

WHO warnt vor „Tsunami“

Die WHO warnte wegen des gleichzeitigen Zirkulierens der Omikron-und der Delta-Variante vor einem „Tsunami“ von Infektionsfällen. „Das setzt das erschöpfte Gesundheitspersonal und die Gesundheitssysteme, die am Rande des Zusammenbruchs stehen, immens unter Druck und wird es auch weiterhin tun“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Die WHO stuft das Risiko durch Omikron weltweit weiterhin als „sehr hoch“ ein. Omikron habe gegenüber der Delta-Variante einen Wachstumsvorteil mit einer Verdopplungsrate von zwei bis drei Tagen. Die UNO-Organisation erwartet, dass Omikron in Europa zu einer „großen Zahl von Klinikeinweisungen“ führen könnte. Das liege an der zu erwartenden Masse an Infektionen, sagte Catherine Smallwood von der WHO-Europa-Direktion am Dienstag der AFP.

Verständnis zeigte die WHO unterdessen für die Verkürzung der Coronavirus-Quarantäne durch einige Staaten. Die Reduzierung der Quarantänedauer sei ein „Kompromiss“ zwischen der Kontrolle des Infektionsgeschehens und wirtschaftlichen Überlegungen, sagte der WHO-Notfall-Beauftragte Michael Ryan in Genf.

Italien lockert Quarantäneregeln

So plant die Regierung in Rom, die Quarantäneregeln für Personen zu lockern, die in engem Kontakt mit Covid-19-Erkrankten stehen. Die Isolation wird nicht mehr für diejenigen erforderlich sein, die eine Auffrischungsdosis erhalten haben, den ersten Impfzyklus abgeschlossen haben oder seit weniger als 120 Tagen vom Coronavirus genesen sind. Sie müssen fünf Tage nach dem Kontakt einen negativen Test vorweisen.

Die Quarantäne wird für Personen, die den Impfzyklus abgeschlossen oder sich seit mehr als 120 Tagen von der Krankheit erholt haben, von sieben auf fünf Tage verkürzt. Auch sie benötigen danach einen negativen Abstrich. Diejenigen, die nicht geimpft wurden, müssen weiterhin eine zehntägige Isolation einhalten. Ausgeweitet wurden hingegen die 2-G- und 3-G-Regeln.

Wegen der stark wachsenden Infektionszahlen infolge der Omikron-Variante könnten in den nächsten zehn Tagen zehn Millionen Italiener zu Hause unter Quarantäne stehen, entweder weil sie sich selbst infiziert haben oder weil sie mit positiv getesteten Personen in Kontakt gekommen sind, schätzen Experten. Derzeit sind 2,5 Millionen der 59 Millionen Italiener in Quarantäne.

Kürzere Isolation auch in Spanien

Spanien verkürzt wiederum die verordnete Isolationsdauer nach einer Coronavirus-Infektion ohne Symptome von zehn auf sieben Tage. Das wurde am Mittwoch bei einem Treffen der Gesundheitsexperten der Zentral- und der Regionalregierungen beschlossen, wie das Gesundheitsministerium in Madrid mitteilte. Diese Verkürzung gelte auch für nicht geimpfte Menschen mit einem noch nicht bestätigten Verdacht auf eine Coronavirus-Ansteckung, etwa für die Kontaktpersonen eines Infizierten, hieß es. Geimpfte, die Kontakt zu einem Infizierten hatten, müssen sich in Spanien nicht isolieren.

Mit der Reduzierung will man Beeinträchtigungen der Grundversorgung zum Beispiel in den Krankenhäusern oder im öffentlichen Verkehr verhindern. Wegen der rasant zunehmenden Zahl der Infektionsfälle melden sich auch in Spanien immer mehr Arbeitnehmer krank, um nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus in Selbstisolation zu gehen.

Milderer Verlauf?

Die Entscheidung habe auch unter anderem mit den Erkenntnissen zu tun, wonach die neue Virusvariante Omikron zwar ansteckender sei, aber offenbar einen eher milden Krankheitsverlauf habe, berichteten der Fernsehsender RTVE und andere spanische Medien unter Berufung auf Teilnehmer des Treffens.

Am Dienstag hatte die Zahl der Coronavirus-Neuinfektionen in Spanien mit 99.671 Fällen binnen 24 Stunden einen neuen Höchststand erreicht. Damit wurde der bisherige Rekordwert von rund 40.000 Fällen Mitte Jänner übertroffen.