Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Untersuchungsausschuss
ORF.at/Peter Pfeiffer
Neuer Job für Kurz

Die Frage der Ladung in den U-Ausschuss

Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat in den USA einen neuen Job gefunden. Die FPÖ fürchtet nun, dass er nicht zum neuen U-Ausschuss kommen könnte. SPÖ und NEOS sehen das anders. Seitens der ÖVP gab es keinen Kommentar.

Kurz dockt, wie zuvor schon gerüchteweise kolportiert, beim milliardenschweren deutsch-amerikanischen Investor Peter Thiel an. Kurz wird Global Strategist bei Thiel Capital, wie der frühere Kanzler gegenüber „Krone“ und „Heute“ bestätigte. Bekannt wurde Thiel als Mitgründer des Onlinebezahldienstes Paypal sowie der umstrittenen Datenanalysefirma Palantir und als Kapitalgeber von Facebook Anfang der Nullerjahre. Politisch unterstützte Thiel Ex-US-Präsident Donald Trump.

Die Firma ist eine von mehreren geschäftlichen Initiativen von Thiel. Der Milliardär investiert hauptsächlich in Technologieunternehmen. Thiel Capital hat seinen Sitz im US-Bundesstaat Kalifornien.

FPÖ fürchtet mögliches Fernbleiben

Das stellt laut FPÖ ein Problem für den kommenden Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Korruption in der ÖVP dar, der am 2. März mit den Befragungen beginnen soll. Der FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, sagte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, Kurz sei zwar mittlerweile nur noch ein „Nebenschauplatz“. Es sei aber zu befürchten, dass sich Kurz mit der Verlegung seines Wohnsitzes in die USA der Vorladung des Ausschusses entziehen könne.

FPÖ-Fragen zum ÖVP-U-Ausschuss

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Korruption in der ÖVP startet mit den Befragungen am 2. März. Die FPÖ geht mit Vermutungen und Fragen, die sie im Ausschuss klären will, bereits jetzt an die Öffentlichkeit.

Nur bei Wohnsitz in Österreich ladbar

Tatsächlich kann das Parlament nur Auskunftspersonen laden, die in Österreich gemeldet sind. Hier zählt nicht die Staatsbürgerschaft, sondern die Meldeadresse, wie die Parlamentsdirektion gegenüber ORF.at bestätigte. Nur bei Haupt- oder Nebenwohnsitz in Österreich könne „hoheitlich gehandelt werden“. Das bestätigte auch der Verfahrensrichter im BVT-U-Ausschuss, Eduard Strauss.

Wenn der oder die zu Ladende nicht in Österreich gemeldet ist und auch keine Rechtsvertretung genannt wurde, ist es – etwa bei Auslandsösterreichern, die gänzlich im Ausland beheimatet sind – zwar möglich, eine Einladung zu schicken. Diese ist aber dann rechtsunverbindlich. Wenn die Person nicht erscheine, gebe es keine Konsequenzen, so die Parlamentsdirektion. Falls die Ladung allerdings wahrgenommen werde, so stehe man wie üblich unter Wahrheitspflicht.

Kein Kommentar

Die ÖVP hatte stets betont, dass sie zur Aufklärung beitragen wolle. Auch die „Auslieferung“ Kurz’, damals noch ÖVP-Klubobmann, wurde im Sinne der Aufklärung begrüßt. Medien hatten berichtet, dass Kurz im Februar seinen neuen Job antreten wolle und künftig zwischen den USA und Österreich pendeln werde. Trotz mehrmaliger Anfragen wollte sich die ÖVP jedoch gegenüber ORF.at nicht zur Frage äußern, ob Kurz einer Ladung nachkommen werde.

SPÖ und NEOS gingen jedenfalls davon aus. „Es ist grundsätzlich nicht denkbar, dass Kurz nicht vor dem Ausschuss erscheint“, hieß es seitens des SPÖ-Fraktionsführers im U-Ausschuss, Jan Krainer. „Wir gehen schon davon aus, dass er kommt, da ist eben eine gewisse Flexibilität gefordert.“ Auch der U-Ausschuss werde bezüglich einer Terminfindung flexibel sein.

„Bisher sind ehemalige Kanzler immer erschienen“, hieß es auch aus dem NEOS-Büro. „Wir nehmen an, dass er kommt, die ÖVP hat daran ja auch selbst Interesse. Es geht aber nicht nur um Einzelpersonen, sondern darum, ein solches System in Zukunft zu verhindern.“

U-Ausschuss in den Startlöchern

Kurz war am 9. Oktober als Regierungschef zurückgetreten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen ihn wegen Bestechlichkeit, Untreue und falscher Zeugenaussage. Knapp zwei Monate nach seinem Rücktritt kündigte Kurz schließlich seinen vollständigen Rückzug aus der Politik an. Er begründete das mit den gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen, aber auch mit der Geburt seines Kindes.

Investor Peter Thiel
APA/AFP/Getty Images/Neilson Barnard
Peter Thiel

Der U-Ausschuss soll bis Mitte Juli an vorerst 25 Befragungstagen Vorwürfe gegen die ÖVP und einzelne ihrer Mitglieder behandeln. Beleuchtet haben will die Opposition, inwiefern zwischen 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021 Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden.

Dabei geht es um Vorwürfe von manipulierten Umfragen und Scheinrechnungen. Zuletzt dürften auch Berichte über Interventionen von MAN-Investor Sigfried Wolf im Finanzministerium das Interesse der Oppositionsparteien geweckt haben. Ermittlungsaufträge an die Behörden sind bereits ergangen.

Debatte über „Tribunal“

Die ÖVP fürchtet, dass sich der U-Ausschuss zum „Tribunal“ entwickelt. So sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), sie finde es „demokratiepolitisch bedenklich“, wenn man eine Untersuchung nur gegen eine Partei, die die größte im Nationalrat sei, führe. Kurz’ Nachfolger als Regierungschef, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), sagte, die ÖVP habe „kein Korruptionsproblem“. Die Opposition spricht hingegen von viel Arbeit für den U-Ausschuss auch nach Kurz’ Abschied von der politischen Bühne. „Überall, wo Korruptionsverdacht drin ist, steht ÖVP drauf“, so etwa SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung.