Ein Schild in einer Apotheke weist darauf hin, dass keine Tests verfügbar sind
Reuters/Kevin Coombs
Omikron

England gehen Schnelltests aus

England steht in der Coronavirus-Pandemie im nächsten Dilemma: Angesichts der starken Infektionszahlen sind die kostenlosen Antigenschnelltests knapp. Sowohl in Apotheken als auch bei der Onlinebestellung über eine Regierungswebsite ist es Glückssache, einen Test zu bekommen. Die Regierung hatte zuvor dazu aufgerufen, vor Treffen zu Weihnachten Tests durchzuführen. Und auch eine verkürzte Quarantäneregelung stellt auf regelmäßige Tests ab.

Gesundheitsminister Sajid Javid räumte ein, dass er das Covid-19-Testsystem in den nächsten zwei Wochen aufgrund der hohen Nachfrage möglicherweise einschränken müsse. Er verwies darauf, dass die Regierung ohnehin Maßnahmen ergriffen habe, um das Angebot an Tests zu erhöhen. 300 Millionen Antigentests würden voraussichtlich im Jänner zur Verfügung stehen, geplant seien eigentlich nur 100 Millionen gewesen.

Er machte Probleme in den globalen Lieferketten für den Mangel verantwortlich. Javid empfahl bei lokalen Behörden nach Tests zu fragen – oder auch in Gemeinschaftseinrichtungen wie Bibliotheken.

Neue Regeln für Freitesten

Anders als in Schottland, Wales und Nordirland führte England vor dem Jahreswechsel keine neuen Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie ein, sondern rief eben zu regelmäßigen Testungen auf. Die Nachfrage nach den Tests wurde auch durch eine Änderung der Quarantänevorschriften angekurbelt, die es erlaubt, nach sieben statt nach zehn Tagen die Selbstisolierung zu beenden, sofern zwei negative Antigentests vorliegen.

Die oppositionelle Labour-Party beschuldigte die Regierung, ein „Chaos“ zu verursachen, da viele Bürgerinnen und Bürger Schwierigkeiten haben, Tests zu erhalten, obwohl die Regierung die Tests in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zur Bekämpfung der Verbreitung der Omikron-Variante gestellt habe.

Ein Schild in einem Geschäft weist darauf hin, dass keine Tests verfügbar sind
Reuters/Kevin Coombs
Mit Aushängen im Schaufenster weisen Apotheken auf fehlende Tests hin

Auch Bestellung über Website lahmt

Der Mangel sei ein riesiges Problem, zumal die Nachfrage gewaltig sei, sagte auch die Chefin des Apothekerverbandes AIMP, Leyla Hannbeck, am Mittwoch dem Sender BBC Radio 4. Viele Menschen könnten keine Tests erhalten. Täglich werden derzeit 900.000 Tests zur Verfügung gestellt. Diese Menge reiche bei Weitem nicht aus, sagte Hannbeck. „Etwa alle fünf Minuten kommt jemand und fragt nach einem Test.“

Auf der Website der Regierung für die Bestellung von Tests, die dann per Post geliefert werden, hieß es am Donnerstag mehrere Stunden: „Tut uns leid, im Moment sind keine Zeitfenster für die Zustellung von Schnelltests verfügbar.“ Dann hieß es, in einigen Regionen seien keine oder nur sehr wenige Tests verfügbar. Die Gesundheitsbehörde UKHSA, die die Tests organisiert, räumte ein, dass es immer Engpässe gebe. Für Freitag wurde eine neue Tranche versprochen.

Problem auch in anderen Ländern?

Termine für PCR-Tests in Teststraßen waren in den vergangenen Tagen ebenfalls kaum zu bekommen, auch wenn die Behörden versprachen, hier die Testkapazität zu erhöhen. Flächendeckende Angebote an Gurgeltests wie in Österreich gibt es in England nicht. Allerdings bleibt die Frage, ob Testkapazitäten auch in anderen Ländern angesichts der explodierenden Fallzahlen zum Problem werden könnten. So hieß es zuletzt aus Italien, dass Tests in einigen Regionen eher Mangelware seien.

Gesundheitsmitarbeiter fordern Vorrang bei Tests

In England fordern Berufsverbände im Gesundheitswesen wie die British Medical Association (BMA) und das Royal College of Nursing (RCN) nun, dass die Mitarbeiter des Gesundheitswesens Vorrang bei den Schnelltests haben müssten. Derzeit sind sie auf dieselben Quellen bei Tests angewiesen wie alle anderen Briten, müssen aber strengere Auflagen erfüllen: Nach einem Kontakt mit einer infizierten Person muss nach einem PCR-Test auch zehn Tage jeweils vor Dienstbeginn ein Antigentest durchgeführt werden.

Teststation in London
APA/AFP/Tolga Akmen
Bei Teststraßen herrscht großer Andrang

Die Verbände warnten vor einem weiteren Anstieg von Ausfällen beim Krankenpersonal. Laut BBC waren in der Vorwoche rund 18.500 Mitarbeiter des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS) entweder infiziert oder als Kontaktperson in Quarantäne.

Silvester als nächster Schub?

Experten befürchten auch, dass sich Omikron bei Silvesterpartys mit ungetesteten Personen weiter ausbreitet. Die Bedingungen bei einer Silvesterfeier seien „perfekt“ für die Verbreitung des Coronavirus, sagte Peter Openshaw, Immunologe vom Imperial College London, dem „Guardian“.

Großbritannien verzeichnete am Donnerstag mit fast 190.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden erneut einen neuen Rekord. Getrennte Daten zeigten auch, dass die Zahl der mit Covid-19-Patienten belegten Krankenhausbetten in englischen Spitälern auf 11.452 stieg. Das ist ein Anstieg um mehr als 4.000 in der vergangenen Woche.

Bettenkapazität in Spitälern wird ausgebaut

Noch in dieser Woche werde mit dem Bau zusätzlicher Strukturen mit Platz für je 100 Betten auf dem Gelände von acht Krankenhäusern begonnen, erklärte NHS am Donnerstag. Krankenhäuser sollen zudem prüfen, wo etwa Sporthallen oder Bildungseinrichtungen in provisorische Krankenstationen umgewandelt werden können, um bis zu 4.000 Betten bereitstellen zu können. Die Extrabetten sollen Patienten aufnehmen, die bereits auf dem Wege der Besserung sind, um Platz für akute Covid-19-Fälle zu machen.

Die britischen Behörden gehen zwar davon aus, dass Omikron tendenziell weniger schwere Erkrankungsverläufe als Delta auslöse, angesichts der schieren Masse an Infektionen will man aber auf Nummer sicher gehen. NHS sei „in Kampfbereitschaft“, betonte dessen medizinischer Leiter Stephen Powis. Zwar sei bisher noch unklar, ob die zusätzlichen Strukturen gebraucht werden, „aber wir können nicht abwarten, bis wir es wissen“.