AKW om der Nähe von Doel in Belgien
AP/Virginia Mayo
Entwurf

EU-Kommission sieht Atomenergie als grün

Innerhalb der EU wird schon länger darum gefeilscht, ob Atomkraft als grüne und nachhaltige Energie eingestuft werden kann. Nun wurde ein Entwurf der EU-Kommission bekannt, dass Energiegewinnung aus Erdgas- und Atomanlagen als klimafreundlich eingestuft werden soll – unter Auflagen.

Demzufolge sollen bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke unter die Taxonomieverordnung fallen und der Bau damit entsprechend gefördert werden können. Weitere Vorgaben sind etwa für den langfristigen Umgang mit radioaktiven Abfällen vorgesehen. Für neue Gaskraftwerke soll das unter bestimmten Voraussetzungen bis 2030 gelten.

So müssen etwa bei der Förderung neuer Gaswerke alte Anlagen, die fossile Brennstoffe nutzen, ersetzt werden. Auch soll nachgewiesen werden müssen, dass die geplante Energieproduktion nicht auch mit einer erneuerbaren Energiequelle geleistet werden könnte. Relevant sein soll auch, wie viele Treibhausgase ausgestoßen werden. Die Gaserzeugung würde als umweltfreundlich eingestuft werden, da es sich um eine „Übergangstätigkeit“ handelt, die zwar nicht vollständig nachhaltig ist, deren Emissionen jedoch unter dem Branchendurchschnitt liegen und die während der Umstellung auf saubere Energie keine umweltschädlichen Anlagen bindet.

Gaskraftwerk in Mainz (Deutschland)
Getty Images/iStockphoto/ollo
Auch Gaskraftwerke sollen übergangsweise als klimafreundlich eingestuft werden

Entwurf in Silvesternacht verschickt

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Taxonomieverordnung, die im Zuge des EU-Klimaschutzpakets „Green Deal“ Richtlinien für grüne Finanzinvestments geben soll. Den entsprechenden Rechtsakt hatte die EU-Kommission bereits im April vorgestellt. Ab Jänner dürfen Investitionen, die nicht in der Taxonomie aufgeführt sind, in der EU nicht mehr als klimafreundlich vermarktet werden. Durch diesen Katalog „grüner“ Investitionskriterien sollen Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden.

Die heikle Frage der Bewertung von Gas- und Atomenergie ließ die Behörde damals jedoch aus. Es sollten noch weitere Expertenberichte und Bewertungen abgewartet werden. „Es muss anerkannt werden, dass der fossile Gas- und der Kernenergiesektor zur Dekarbonisierung der Wirtschaft der Union beitragen können“, heißt es nun in dem Brüsseler Entwurfspapier. Offiziell vorgestellt wurde das Papier noch nicht. Es wurde in der Silvesternacht kurz vor Mitternacht für einen Konsultationsprozess an die 27 EU-Mitgliedstaaten geschickt.

Gegner in Minderheit

Die EU-27 ist sich uneinig, wie grün Atomkraft und Gasenergie tatsächlich einzustufen sind. Vor allem Frankreich, aber auch Polen und andere östliche Länder drängen auf eine klimafreundliche Anerkennung. Die strikten Gegner vor allem bei der Einstufung von Atomkraft als nachhaltig – Österreich, Deutschland und Luxemburg – bilden bisher nur eine Minderheit. Deutschland setzte am Silvestertag einen weiteren Schritt beim Atomausstieg.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hatte bereits im September der EU-Kommission mit Klage gedroht, sollte die Atomenergie aufgenommen werden. Die Grünen sprachen am Samstag von einem „Tiefschlag für die europäische Energiewende“ und „Etikettenschwindel“. Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich kritisierte in einer Aussendung, dass die EU-Taxonomie Greenwashing von Erdgas und Atomstrom legalisiere: „Nur wenige Wochen nach der Klimakonferenz COP26 opfert die EU-Kommission ihre Führungsrolle in der Klimapolitik für die Interessen der Atom- und Gas-Lobby.“

Auch die Deutsche Umwelthilfe reagierte empört auf den Vorstoß der EU-Kommission. Das EU-Parlament und die EU-Mitgliedstaaten müssten diesen Vorschlag ablehnen.

Zwei Wochen Konsultationsprozess

Der nun gestartete Konsultationsprozess mit den Staaten soll nun rund zwei Wochen dauern. Mitte Jänner will die Kommission den finalen Vorschlag vorstellen. Ein Veto dagegen einlegen können eine Mehrheit der EU-Länder sowie das EU-Parlament.

Im Parlament regt sich bereits Widerstand: „Der Vorschlag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist ein Schritt zurück“, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen. „Atom und fossiles Gas sind nicht zukunftsfähig.“