Bundespräsident Alexander Van der Bellen
APA/BMLV/Daniel Trippolt
Neujahrsansprache

„Wir dürfen den Mut nicht verlieren“

Die Neujahrsansprache von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist ganz im Zeichen der Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen für die Gesellschaft gestanden. Es sei schwer, die Hoffnung nicht aufzugeben. „Und trotzdem: Wir dürfen den Mut nicht verlieren“, und das ist laut Van der Bellen Staatsbürgerpflicht.

Zu Beginn seiner Ansprache erinnerte Van der Bellen an die „Ibiza“-Affäre vor zwei Jahren. Damals habe er „an dieser Stelle davon gesprochen, wie wichtig es für unsere Gesellschaft ist, Mut und Zuversicht zu bewahren“. Für einen kurzen Augenblick schien es Van der Bellen zufolge dann so, „als ob sich nach einer Regierungskrise und den darauffolgenden Neuwahlen wieder so etwas wie Normalität einstellen würde in unserem Land“.

„Und dann kam Corona“, wobei zum Beginn der Pandemie „noch ein großer Zusammenhalt spürbar“ gewesen sei, wie Van der Bellen hier ausführt. „Aber je länger dieser Ausnahmezustand anhielt, erster Lockdown, zweiter Lockdown, wieder ein Lockdown und noch einer, desto deutlicher machten sich Gräben in unserer Gemeinschaft bemerkbar.“

Neujahrsansprache des Bundespräsidenten

In seiner Neujahrsansprache ermutigt Bundespräsident Alexander Van der Bellen dazu, trotz der schwierigen Zeit nicht die Hoffnung zu verlieren. Man müsse weiterhin aufeinander achtgeben und jede Gelegenheit nutzen, ins Gespräch zu kommen.

Auf Ungeduld, Skepsis, Kritik, Empörung und Enttäuschung folgten „Wut, Zorn, Angst; Stimmen, die alles besser wissen, Stimmen von Misstrauen, Stimmen, die von Verschwörungen sprechen, von Unversöhnlichkeit, aber auch echte Verzweiflung“, so der Bundespräsident. „Heute sind diese Stimmen zum Teil so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Geschweige denn das des anderen.“

„Und trotzdem“

„Und ein Ende von Corona ist noch lange nicht in Sicht. Denn gerade als wir dachten, wir hätten das Schlimmste hinter uns, kam Omikron um die Ecke“, weswegen man nun nicht wisse, „was uns die nächsten Wochen, ja die nächsten Tage diesbezüglich bringen werden“.

Auch wenn man sich Van der Bellen zufolge mittlerweile sogar an diese Ungewissheit gewöhnt habe, sei es „schwer, da nicht teilnahmslos zu werden. Es ist schwer, da nicht die Hoffnung aufzugeben. Es ist schwer, sich da nicht vom Ärger überwältigen zu lassen.“

„Und trotzdem: Wir dürfen den Mut nicht verlieren.“ Das sei jetzt „unsere Pflicht als Staatsbürger“, nämlich „nicht loslassen, dranbleiben, füreinander da sein“. Van der Bellen erinnerte an die Zeile „Mutig in die neuen Zeiten“ – „das sind die Tage, in denen wir unsere Bundeshymne mit Leben erfüllen“.

„Es darf uns nicht alles wurscht sein“

„Wir dürfen uns nicht von Verzweiflung und Wut beherrschen lassen. Es darf uns nicht alles wurscht sein.“ Neben Abstand halten, Maske tragen, sich impfen lassen und Hände waschen gehe es darum, aufeinander achtzugeben. „Es wäre ein Fehler, glaube ich, jetzt andere, die nicht der eigenen Ansicht sind, herabzusetzen“, mahnte der Bundespräsident.

Alle stünden unter Druck, trotzdem müsse man an das Gute im anderen glauben. So solle man sich an der Hingabe der Mitarbeiter im Gesundheitsbereich ein Beispiel nehmen, „die seit langer, langer Zeit an und über ihrem Limit sind und jetzt auch noch dafür attackiert werden, dass sie für andere da sind“.

Es gehe nicht darum, immer einer Meinung zu sein, aber man müsse wieder mehr ins Gespräch kommen, glaubt Van der Bellen, und dazu solle man jede Gelegenheit nutzen. Irgendwann werde man auf die Zeit der Pandemie zurückblicken und sagen: „Gut, dass wir unsere Entspanntheit wiedergefunden haben. Und unseren Mut und unsere Zuversicht nie verloren haben. Gut, dass wir einander noch in die Augen schauen können“, so Van der Bellen. „Ich wünsche Ihnen und uns allen gemeinsam ein großartiges Jahr 2022. Trotz allem.“