Lehrlinge in Werkstätte
ORF.at/Carina Kainz
Dezember-Zahlen

Arbeitslosigkeit knapp unter Vorkrisenniveau

Per Ende Dezember sind 402.378 Menschen in der Arbeitslosigkeit gewesen. Davon waren 336.276 arbeitslos gemeldet, 66.102 Personen befanden sich in Schulungen. Das ergab eine Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent, so das Arbeitsministerium am Montag. Im Vergleich zu 2020 ging die Zahl deutlich zurück und befindet sich knapp unter Vorkrisenniveau. Kritik und Forderungen kommen von AK, ÖGB, SPÖ und FPÖ. Problembereich bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Bilanz der Arbeitslosenzahlen im Dezember zeige, dass im Monatsvergleich weniger Menschen arbeitslos gemeldet sind als vor Beginn der Pandemie, so das Ministerium. Schließlich waren nun Ende Dezember um 5.494 Personen weniger arbeitslos oder in Schulungen als im Dezember 2019 mit 407.872 Betroffenen insgesamt. Verglichen zum Dezember vor einem Jahr sind um rund 119.000 Menschen weniger arbeitslos oder in Schulungen gewesen.

„Es entspricht dem gewöhnlichen Trend, dass saisonale Effekte zum Jahreswechsel am österreichischen Arbeitsmarkt wirken“, meinte ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher. Dennoch bewege sich die Arbeitslosigkeit in einem für diese Jahreszeit niedrigeren Bereich als in den Vorjahren.

Grafik zeigt Daten zu den Arbeitslosen im Dezember
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Positiv sei auch, dass die Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf um rund 130.000 Personen abgenommen habe. „Das zeigt, dass unsere Maßnahmen wirken und die Dynamik am Arbeitsmarkt trotz zeitweiser Einschränkungen, die pandemiebedingt notwendig waren, besser ist als erwartet“, so Kocher. Für 2022 sei er zuversichtlich, der Arbeitsmarkt habe „sich gegen Pandemieentwicklung immunisiert“ auch wenn die „Unsicherheit weiterhin groß“ sei, wie Kocher im Ö1-Mittagsjournal sagte.

„Pandemiebedingt bei Weitem noch nicht alles gut“

Der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, sieht Licht und Schatten in den neuen Arbeitslosendaten. Einerseits seien „erfreulicherweise“ per Ende Dezember um 5.000 Menschen weniger ohne Job gewesen als vor CoV im Dezember 2019. „Aber pandemiebedingt ist bei Weitem noch nicht alles gut“, so Kopf. Aber gut 6.000 AMS-Mitarbeiter stünden weiter bereit, „um mit Hilfe unserer Kurzarbeitsförderung Zehntausende oder wenn notwendig auch Hunderttausende Jobs zu sichern“.

Kopf strich hervor, dass verglichen mit dem vorigen Jahreswechsel – der inmitten eines Lockdowns stattfand – die Arbeitslosigkeit im Tourismus um die Hälfte zurückgegangen ist. Daher gebe es nach Bundesländern auch die stärksten Rückgänge der Arbeitslosigkeit in den (winter-)touristisch geprägten Ländern Tirol und Salzburg.

Grafik zeigt Daten zu den Arbeitslosen in den Bundesländern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Insgesamt sank die Zahl der arbeitslosen Personen und Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmer um 118.541 auf 402.378 Menschen (minus 22,8 Prozent). „Bitte lassen Sie uns trotz der Corona-Wolken voll Zuversicht in dieses neue Jahr blicken. Ich bin sicher, es wird ein sehr gutes Jahr am Arbeitsmarkt werden“, so Kopf.

Mehr als 100.000 Jobs und 7.000 Lehrstellen verfügbar

Nicht nur ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu vor einem Jahr gesunken, sondern auch die Zahl der offenen Stellen und offenen Lehrstellen gestiegen. So sind laut AMS-Angaben derzeit 102.193 Jobs (plus 101,9 Prozent) und 6.916 Lehrstellen (plus 52,6 Prozent) sofort verfügbar. Dazu kommen noch weitere, nicht sofort verfügbare offene Stellen. Hier gibt es bei den Lehrstellen einen Rückgang von 4,9 Prozent auf 9.724 solcher Angebote, bei den „Erwachsenen“ ein Minus von 11,6 Prozent auf 11.589.

Langzeitarbeitslosigkeit höher als vor Krise

Doch bleibt die Langzeitarbeitslosigkeit eine „große Herausforderung“, wie es aus dem Ministerium hieß. Ende Dezember 2021 befanden sich mit 115.743 Langzeitarbeitslosen um 20.877 Personen mehr in Langzeitarbeitslosigkeit als im Vergleichszeitraum 2019, vor der Krise. „Auch im Jahr 2022 liegt daher unser Fokus auf der Reduktion der Langzeitarbeitslosigkeit durch Maßnahmen im Rahmen des Programms Sprungbrett“, so Kocher. 2021 habe man bereits einige Erfolge bei der Reduktion erzielt – seit dem Höhepunkt im April mit 148.436 Personen sei die Zahl der Betroffenen schließlich wieder zurückgegangen.

Ein weiteres Problemfeld ist die Gruppe der älteren Arbeitslosen. Insgesamt sind Ende Dezember 110.054 Personen über 50 Jahre beim AMS arbeitslos gemeldet. 2020 lag dieser Wert bei 143.710 Personen, 2019 bei 110.866 Personen. Mit 124.482 Personen, die im Jahresverlauf insgesamt aus der Arbeitslosigkeit wieder in eine Beschäftigung vermittelt wurden, habe es aber auch bei der Vermittlung von älteren Arbeitslosen Fortschritte gegeben.

Arbeitslosenquote bei Frauen etwas niedriger

Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit bei Männern und Frauen bewegte sich zum Ende des Vorjahres den Ministeriumsangaben zufolge im üblichen Trend. Die Arbeitslosenquote bei Frauen lag Ende Dezember um 2,3 Prozentpunkte unter jener der Männer. Derzeit sind 133.088 Frauen arbeitslos gemeldet, bei den Männern sind es 203.188 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr ist ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit sowohl bei Frauen (minus 31,4 Prozent) als auch bei Männern (minus 23,5 Prozent) zu verzeichnen. Ende Dezember 2020 waren 194.006 Frauen arbeitslos gemeldet und 265.676 Männer.

Grafik zeigt Details zu den Arbeitslosenzahlen im Dezember
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit bei 32.180 Personen. Sie ist im Vorjahresvergleich um 13.206 Personen gesunken. Kocher führt das auf Maßnahmen wie ein „Jugendcoaching“ zurück und auf die Tätigkeit einer Taskforce für Jugendbeschäftigung.

176.529 im Dezember in Kurzarbeit

Zur Kurzarbeit waren im Dezember 176.529 Personen angemeldet. Kocher sprach hier von einem „recht moderaten Ausmaß. Entscheidend wird sein, wie stark die Kurzarbeit nach den Abrechnungen tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Es ist jedenfalls zu erwarten, dass die Inanspruchnahme der Kurzarbeit bei Weitem nicht das Ausmaß des Vergleichszeitraums 2020 erreichen wird.“ Zum Jahreswechsel 2020/2021 waren rund 390.000 Personen in Kurzarbeit.

AK, ÖGB und SPÖ fordern Joboffensiven

Arbeiterkammer (AK), Gewerkschaftsbund (ÖGB) und SPÖ fordern mehr Maßnahmen der Bundesregierung. AK-Präsidentin Renate Anderl will von ÖVP und Grünen im neuen Jahr „volle Kraft, um den Arbeitsmarkt wieder in Ordnung zu bringen“. Es brauche Joboffensiven in Zukunftsbranchen, Qualifizierungsmaßnahmen, eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie sowie eine Modernisierung der Arbeitslosenversicherung.

Es gebe mit mehr als 400.000 Menschen auf Arbeitsuche bzw. in Schulungen nämlich „überhaupt keinen Grund, nachzulassen“, so Anderl. Sie verlangt „endlich ernsthafte Bemühungen“, um die Arbeitslosigkeit zu senken und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fit für die Jobs der Zukunft zu machen. So müsse jetzt eine Joboffensive in Schlüsselbereichen wie Elementarpädagogik, Bildung, Pflege, Digitalisierung und Ökologisierung angegangen werden. „Ich habe das Jammern nach Fachkräften satt, wenn ich sehe, dass Betriebe immer weniger selbst ausbilden.“

Für eine bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Privatleben brauchten Frauen Rahmenbedingungen, die ihnen Vollzeitarbeit ermöglichen und auch eine Einkommensgerechtigkeit. Viele Vorschläge lägen auf dem Tisch, jetzt brauche es noch den politischen Willen, so die AK-Chefin. Bei der geforderten Modernisierung der Arbeitslosenversicherung müsse die Unterstützung arbeitsuchender Menschen im Vordergrund stehen, „nicht strafen und pauschal verunglimpfen“.

„Krise noch nicht vorbei“

Auch aus der Sicht des ÖGB gibt es weiterhin zu viele Arbeitslose, auch wenn der Rückgang erfreulich sei. Die Krise auf dem Arbeitsmarkt sei noch nicht vorbei, so Ingrid Reischl, Leitende ÖGB-Sekretärin, in einer Aussendung. Sie fordert „einen Schub in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, etwa durch Arbeitsstiftungen im Bereich der Pflege oder auch die längst überfällige Umsetzung einer Umweltstiftung. Mit Hilfe dieser Stiftungen könnten die Arbeitslosen von heute die Fachkräfte von morgen sein“, so die Gewerkschafterin.

Der SPÖ-Sozialsprecher und Chef der Bau-Holz-Gewerkschaft, Josef Muchitsch, verwies auf ein großes Problem bei Langzeitarbeitslosigkeit und bei über 50-Jährigen. „Hier brauchen wir viel mehr Angebote und Anreize, damit es die Betroffenen wieder in den Arbeitsmarkt schaffen.“ Die türkis-grüne Bundesregierung sei hier „säumig“. Die Sozialdemokraten sind für ein Ausbildungsgehalt von 1.700 Euro in der Pflege sowie einen Umstiegsbonus von 500 Euro für Arbeitslose, die sich zu Pflegekräften umschulen lassen wollen oder die „Aktion 40.000“ für Langzeitarbeitslose.

Auch FPÖ sieht „keinen Grund zur Freude“

Kritik an der Regierung kam auch von der FPÖ: Der leicht positiv ausgefallene Vergleich mit dem Vorkrisenniveau sei „kein Grund zur Freude“, teilte die blaue Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch per Aussendung mit. Kocher vergesse auf knapp 180.000 Menschen, die sich aktuell in Kurzarbeit befänden. Hierbei könne „niemand eine Garantie abgeben (…), ob diese danach dann auch ihren Job behalten werden können“, so Belakowitsch. Auch durch die Impfpflicht und einen möglichen Lockdown drohe ein „Arbeitslosen-Tsunami“.

19 Prozent weniger Arbeitslose im Vorjahr

Fast 332.000 Menschen waren im Jahr 2021 arbeitslos – das sind um rund 19 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem haben etwa 70.000 Personen an einer AMS-Schulung teilgenommen, um knapp ein Viertel mehr als 2020.

Noch keine Details zu neuem Arbeitslosengeld

Arbeitsminister Kocher „hofft“ unterdessen, dass heuer „spätestens im zweiten Quartal“ ein „Gesamtkonzept“ für eine neue Ausgestaltung des Arbeitslosengeldes vorgelegt wird. Details wollte er im Ö1-„Mittagsjournal“ keine nennen: Es gebe zu viele verschiedene Faktoren, die im Gesamtkonzept berücksichtigt werden müssten. Es gehe nicht nur um den einen Prozentsatz, den ein Arbeitsloser von seinem Letztgehalt bekommt, so Kocher. Derzeit sind das 55 Prozent.

Gehen dürfte es in Richtung eines degressiven Modells. Dabei würden Arbeitslose am Anfang mehr Arbeitslosengeld erhalten – mit der Zeit würde dieses aber abschmelzen. „Wir haben immer gesagt, wenn ein degressiver Verlauf kommt, dann muss es am Anfang mehr sein – sonst macht das keinen Sinn“, sagte Kocher. Zudem könne es „am Ende nicht viel weniger“ sein als die aktuellen 55 Prozent.

„Wir haben noch einige Gespräche in den nächsten Wochen und Monaten, dann können wir sagen, wo es hingehen soll“, so Kocher. Es seien auch ursprünglich schon geplante Termine nachzuholen, die im November und Dezember pandemiebedingt ausgefallen sind.

WKÖ will raschere Vermittlung von Arbeitslosen

Kochers Parteikollege, ÖVP-Finanzsprecher und WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf, forderte von Kocher, dass „ein Schwerpunkt der angekündigten Arbeitsmarktreform in der Verkürzung der Arbeitslosigkeit durch rasche Vermittlung der Arbeitslosen liegen muss“. Derzeit kämen auf einen Arbeitssuchenden nur 1,5 offene Stellen. Auch die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt müsse deutlich gesteigert werden, etwa durch Ausbau der überregionalen Vermittlung und bessere Unterstützung für jene, die bereit sind, überregional einen Arbeitsplatz anzunehmen, so Kopf.

Handlungsbedarf bestehe auch in Hinblick auf die Qualifizierung von arbeitslosen Menschen, so der Wirtschaftskämmerer. Noch immer hätten rund 44 Prozent der Arbeitslosen nur einen Pflichtschulabschluss. Arbeitslose, die für eine Ausbildung geeignet sind, müssten für eine arbeitsplatznahe Ausbildung zu Fachkräften weiterentwickelt werden, so Kopf.

Hinzu komme der Bedarf eines weiteren Ausbaus der Kinderbetreuung, damit Eltern mit Betreuungspflichten rasch in den Arbeitsmarkt wieder einsteigen bzw. ihre Arbeitszeiten ausweiten können sowie die Verringerung von Vermittlungshemmnissen wie mangelnde Deutschkenntnisse durch ein ausreichendes und passendes Angebot an Deutschkursen.