Atomkraft: Grüne erwägen Klage gegen Kommissionspläne

Die Europäischen Grünen erwägen eine Klage gegen die Pläne der EU-Kommission, Atomkraft und fossiles Gas als nachhaltig einzustufen. „Wir erwägen als europäische Grüne, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Pläne der EU-Kommission, Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke als nachhaltig und klimafreundlich einzustufen, zu klagen“, sagte der Kovorsitzende und österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz der „Welt“.

„Die EU-Kommission weiß, dass ihr Vorschlag rechtlich anfechtbar ist und nicht auf besonders festen Beinen steht“, sagte Waitz. „Wir wollen jetzt auch im EU-Parlament eine Mehrheit gegen die Pläne mobilisieren.“

Gegenüber österreichischen Medien hatte Waitz zunächst erklärt, er unterstütze einen nationalen Schulterschluss aller österreichischen Abgeordneten im Europäischen Parlament mit dem Ziel, den Vorschlag der Kommission mit einer Mehrheit im Europäischen Parlament zu verhindern.

Auch Gewessler drohte bereits mit Klage

Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen Investitionen in neue Gaskraftwerke insbesondere auf Wunsch Deutschlands übergangsweise als klimafreundlich eingestuft werden können. Auch Investitionen in neue Atomkraftwerke – vor allem in Frankreich geplant – sollen unter bestimmten Bedingungen als grün klassifiziert werden können.

Diese im Fachjargon Taxonomie genannte Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten soll mehr Geld in nachhaltige Technologien und Unternehmen lenken und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen.

Während Frankreich auf Atomkraft setzt, steigt Deutschland bis Ende 2022 aus der Technologie aus – und schrittweise auch aus der Kohle. Die Aussichten, die EU-Pläne zur Atomkraft noch ändern zu können, schätzt die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) aber als gering ein. In Österreich hatte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit einer Klage gegen die EU-Pläne gedroht.

Experte: Chance für Klage gegen EU-Energie-Einstufung gering

Der Europarechtler Walter Obwexer rät Österreich von einer Klage gegen die Pläne der EU-Kommission, Atomkraft und fossiles Gas per Verordnung für Finanzprodukte als nachhaltig einzustufen, ab. Die Aussichten, damit durchzukommen, seien nicht groß, sagte Obwexer im Ö1-Morgenjournal. Eine Klage vor dem EuGH hätte ihm zufolge auch keine aufschiebende Wirkung.

Eine Nichtigkeitsklage gegen die neue Einstufung der Energieformen (Taxonomie) könnte laut dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck aus zwei Gründen erfolgen: Verstoß der Kommission gegen die bisherige Taxonomieverordnung von 2020 und/oder Ermessensüberschreitung durch die Kommission.

Obwexer: „Beide Klagegründe scheinen nicht Erfolg versprechend zu sein.“ Die Zuständigkeit der EU-Kommission sei in der Frage der Einstufung jedenfalls „eindeutig gegeben“, betonte der Europarechtler. Das Argument, dass Atomkraft nicht nachhaltig sei, stehe auf schwachen Beinen.

Auch Litauen will Klein-AKW bauen

Die Debatte über eine Renaissance der Atomkraft ist auch in Litauen wieder aufgeflammt. Staatspräsident Gitanas Nauseda sprach sich in einem Radiointerview für den Bau kleiner Atomkraftwerke (SMRs) aus. Litauen müsse neben der Erzeugung von erneuerbarer Energie auch die Energiequellen diversifizieren, so Nauseda.