Menschen in der Getreidegasse in der Stadt Salzburg
APA/Franz Neumayr
„Neue Spielregeln“

Ruf nach klarer Omikron-Strategie

Angesichts der zuletzt stark gestiegenen Infektionszahlen erscheint es nur mehr eine Frage der Zeit, bis die nächste und mittlerweile fünfte Coronavirus-Welle Österreich voll erfasst. Rund um eine am Dienstagnachmittag stattgefundene Sitzung der gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (GECKO) war von einer „schwer abschätzbaren“ Lage die Rede. Vor der am Donnerstag erwarteten Entscheidung über die weitere Vorgangsweise mehrten sich zuletzt dennoch Rufe nach einer klaren Omikron-Strategie.

Omikron schreibe derzeit „die Spielregeln für den Umgang mit der Pandemie neu“. Die neue Coronavirus-Variante werde zur beschleunigten Durchseuchung führen und erfordere daher einen neuen Umgang mit der Pandemie, wie Peter Klimek und Stefan Thurner vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) in einem „Policy Brief“ schreiben. Ein Eindämmen der sich aufbauenden Infektionswelle sei jedenfalls kaum noch realistisch – vielmehr könnten sich bis zu 20 Prozent der Bevölkerung infizieren.

Was bleibe, sei erneut „nur die Frage, ob man die Durchseuchung langsam oder schnell geschehen lassen will. Die gewählte Strategie sollte von der Politik jedoch umgehend kommuniziert werden, damit sich die Bevölkerung darauf mit individuellen Schutzmaßnahmen vorbereiten kann, d.h. wie viel Zeit verbleibt, um sich etwa eine Booster-Impfung zu holen oder sich erstimmunisieren zu lassen“, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Papier.

Mit welchem Risiko, welche Entscheidungen treffen?

Was den weiteren Pandemieverlauf betreffe, rechne man damit, „dass wir innerhalb der nächsten paar Wochen den bisherigen Höhepunkt im Infektionsgeschehen übertreffen“, sagte Klimek dazu im Ö1-Mittagsjournal: „Wie hoch das dann insgesamt werden kann, hängt ganz maßgeblich davon ab, wie wir jetzt mit diesem Anstieg umgehen.“

Manchmal gehe es nicht darum, „dass etwas zu spät ist, sondern dass man ganz klar entscheiden muss, mit welchem Risiko man welche Entscheidungen trifft“, sagte dazu der Simulationsexperte Niki Popper von der TU Wien im Gespräch mit dem Landesstudio NÖ. „Eine Frage ist, wie stark wir diese Dynamik zulassen wollen. Wie stark kann und möchte ich die Spitäler unterstützen? Und wie gehen wir mit einer zu großen Zahl an positiv getesteten Menschen und Menschen, die in Quarantäne müssen, um, sodass unser alltägliches Leben aufrechterhalten bleibt?“ Das sind laut Popper „die drei Fragen, die man diese Woche ganz klar und transparent beantworten muss“ – mehr dazu in noe.ORF.at.

„Schwer abzuschätzen“

Es sei nach wie vor „schwer abzuschätzen, was auf uns zukommt“, zitiert der „Kurier“ indes die Epidemiologin und GECKO-Mitglied Eva Schernhammer von der MedUni Wien. In Österreich gebe es dieser zufolge zwar bereits eine Reihe von Einschränkungen – nun gelte es abzuklären, „ob das ausreicht“. „Solange die Unsicherheit über die mögliche Dramatik der Entwicklung nicht abschätzbar ist“, sei Schernhammer zufolge jedenfalls „Vorsicht sehr angebracht“.

Ein Lockdown sei der Expertin zufolge zwar „immer die Ultima Ratio“ und das versuche man auch jetzt zu vermeiden. „Aber ob das zu hundert Prozent möglich ist, weiß man nicht“, so Schernhammer, die hier außer Frage stellte, dass ein Lockdown in einer „massiv problematischen Situation“ nach wie vor wirken würde.

Wird Quarantäneregel gelockert?

Was die weitere Vorgangsweise betrifft, steht nach der neuerlichen GECKO-Lagebesprechung vom Dienstag am Donnerstag nun der nächste Bund-Länder-GECKO-Gifel auf der Agenda. Im Vorfeld mehren sich dabei auch die Rufe nach einer Lockerung der Quarantäneregeln für geimpfte und genesene Kontaktpersonen.

In der ZIB2 erklärte Gerald Gartlehner, Epidemiologe der Donau-Universität Krems, dass eine Quarantäneregelung in der aktuellen Omikron-Welle nötig werden könnte, um einen Stillstand des öffentlichen Lebens zu verhindern. Eine Abschaffung der Quarantäne für dreifach geimpfte Kontaktpersonen sei nach aktueller Studienlage vertretbar. Er hielte es in weiterer Folge auch möglich, Infizierte ohne oder sogar mit milden Symptome aus der Quarantäne zu entlassen, allerdings noch nicht sofort. „Das wäre die nächste Stufe“ – nämlich, wenn zu viele Personen in der kritischen Infrastruktur ausfallen würden, gab Gartlehner zu verstehen.

Epidemiologe Gartlehner zu Omikron

Omikron wird eine große Belastung für Österreichs Krankenhäuser werden, sagt Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems. Gartlehner sieht zudem das Problem, dass das Zivilleben zum Teil lahmgelegt werden könnte, wenn zahlreiche Menschen in Quarantäne müssen.

Wirtschaftskammer fürchtet Ausfälle

Forderungen nach Quarantäneverkürzungen kommen sowohl aus den Ländern als auch aus der Wirtschaftskammer. Argumentiert wird damit, dass andernfalls die Gefahr droht, dass das ganze Land stillsteht.

Dafür ausgesprochen haben sich etwa die Landeshauptleute aus Kärnten, Oberösterreich und Vorarlberg. Und auch die Wirtschaftskammer und der ÖVP-Wirtschaftsbund drängten am Dienstag darauf, dass Geimpfte und Genesene auch bei Omikron wieder als K2 eingestuft werden sollen. Es gelte alles daranzusetzen, „dass das wirtschaftliche Leben weitgehend am Laufen gehalten wird und versorgungsrelevante Produktionen und Infrastruktur nicht gefährdet werden“, betonten die Bundessparten Industrie, Gewerbe und Handwerk sowie Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer unisono.

Burgenland präsentiert Maßnahmenpaket

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich zuletzt so wie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) jedenfalls für bundeseinheitliche Regelungen aus. Ludwig äußerte am Rande der SPÖ-Klausur in Krems die Sorge, dass die Entscheidung angesichts der sich rasant ausbreitenden Omikron-Variante zu spät getroffen werden könnte. „Jeder Tag, der verstreicht, ist ein verlorener Tag.“

Und auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) spricht sich bezüglich der Omikron-Quarantäneregeln für eine Anpassung bei Geimpften und Kontaktpersonen aus. Sowohl die kritische Infrastruktur als auch die Versorgung müssten funktionsfähig bleiben, plädierte der Regierungschef für eine Verkürzung. Darüber hinaus setze man alles daran, die Schulen wie geplant am 10. Jänner zu öffnen.

Im Burgenland will Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz sein Omikron-Maßnahmenpaket präsentieren. Zum Bund-Länder-Gipfel liegen noch keine Vorinformationen vor, daher sei derzeit von einem Schulbetrieb unter den bereits bekannten Sicherheitsauflagen am Montag auszugehen.

Omikron „wird uns mehrfach stark herausfordern“

In Salzburg berate sich Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels laufend mit den Salzburger Expertengremien aus Medizin und Wissenschaft, hieß es auf APA-Anfrage am Dienstagnachmittag. Im Lichte der aktuellen Lage stünden aus Sicht des Landes vor allem die Ausgestaltung der Quarantäneregelungen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur, der Schulbetrieb ab Montag und der Ausbau der Testinfrastruktur im Vordergrund, wobei Haslauer in allen Bereichen für eine bundesweit einheitliche Lösung plädiere.

„Die Omikron-Welle wird uns mehrfach stark herausfordern. Jedenfalls wird es mit den derzeit bundesweit gültigen Quarantäne-Regelungen zu massiven Personalausfällen kommen, nicht nur im Bereich der kritischen Infrastruktur, sondern flächendeckend am Wirtschaftsstandort Oberösterreich“, erwartet Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der bei der Bund-Länder-Runde am Donnerstag ebenfalls auf Verkürzungen bzw. Erleichterungen bei der Quarantäne drängen will.

Verkürzte Quarantäne, sofern „medizinisch vertretbar“

Für Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ist eine Verkürzung der Quarantäneregelung vorstellbar. Sofern eine solche „medizinisch vertretbar“ sei, „sollte dies auf jeden Fall gemacht werden“. Eine „klare Aussage der Expertinnen und Experten über die Entwicklungen“ erwartet sich auch der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer (ÖVP). Vor dem Hintergrund der nahenden Omikron-Welle sei es umso wichtiger, bundeseinheitlich vorzugehen.

In Niederösterreich hielt man sich am Dienstag APA-Angaben zufolge noch bedeckt. Aus dem Büro von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hieß es auf Anfrage, dass es kein Vorgreifen auf den Gipfel geben werde.