Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Reuters/Ludovic Marin
Ungeimpfte „sekkieren“

Wirbel um Macron-Interview

Ein Interview von Staatschef Emmanuel Macron hat am Mittwoch in Frankreich für heftige Kontroversen gesorgt. Er werde Ungeimpfte „bis zum bitteren Ende sekkieren“, indem er ihnen so weit wie möglich den „Zugang zu den Aktivitäten des sozialen Lebens“ einschränken werde, so Macron. Für Zürnen sorgte dabei vor allem die Verwendung eines eher vulgären Wortes. Die Opposition reagierte mit geharnischter Kritik, ein Treffen der Nationalversammlung musste wegen der Aufregung über den Sager unterbrochen werden.

Das Interview mit der Zeitung „Le Parisien“ war am Dienstag erschienen. Konkret war Macron darauf eingegangen, dass nur eine Minderheit die Impfung verweigere, diese aber erhebliche Kapazitäten der Gesundheitsversorgung in Anspruch nehme. Er habe große Lust, diesen Ungeimpften auf die Nerven zu fallen, um die Gruppe zu verkleinern. Dabei verwendete er das Wort „emmerder“, das sich ungefähr mit „auf den Sack gehen“ übersetzen lässt.

„Ich werde sie nicht ins Gefängnis stecken, ich werde sie nicht zwangsimpfen“, sagte Macron über seine Strategie zum Umgang mit Impfverweigerern. Stattdessen müsse die Botschaft der Regierung an die Ungeimpften lauten: „Ab dem 15. Jänner könnt ihr nicht mehr ins Restaurant gehen, ihr könnt keinen Rotwein mehr trinken, ihr könnt nicht mehr Kaffee trinken gehen, ihr könnt nicht mehr ins Theater gehen, ihr könnt nicht mehr ins Kino gehen …“

Kritik von Opposition, Plenum unterbrochen

Das Interview sorgte unmittelbar für Kritik – unter anderem von Kandidatinnen und Kandidaten für die nahende Präsidentschaftswahl. Valerie Pecresse, Kandidatin für die Republikaner, zeigte sich „empört“ und rief dazu auf, Macrons „Amtszeit der Verachtung ein Ende zu setzen“. „Ein Präsident kann so etwas nicht sagen“, sagte auch Parteichef, Christian Jacob. Er sei zwar für den Impfpass, aber er könne keinen Gesetzestext unterstützen, dessen Ziel es sei, die Franzosen zu nerven. Ohne eine klare Antwort darauf könne die Debatte nicht fortgesetzt werden.

Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen vom rechten Rassemblement National nannte Macron seines Amtes unwürdig. Der Linkenpolitiker Jean-Luc Melenchon bezeichnete die Aussage als „schockierend“. Grünen-Kandidat Yannick Jadot schrieb in einem Impfaufruf, die Menschen seien Macron egal. Der rechtsextreme Präsidentschaftsbewerber Eric Zemmour warf dem Präsidenten vor, seine „Grausamkeit“ nicht einmal zu kaschieren. Olivier Faure von der Parti Socialiste – kein Kandidat – sprach von einer Aussage, die nicht auf dem Niveau eines Präsidenten sei.

Auch in der Nationalversammlung sorgte der Sager für Aufruhr: Der Sitzungspräsident musste wegen des Wirbels unter den Abgeordneten in der Nacht zum Mittwoch eine Debatte über die Verschärfung der Regeln für den „Gesundheitspass“ unterbrechen. Mehrere Abgeordnete forderten den Premierminister Jean Castex dazu auf, er möge Macrons Wortwahl erklären. Von Macrons Partei LREM kam Unterstützung: Der Präsident sei nur geradlinig, so der Parteivorsitzende Stanislas Guerini.

Zweite Unterbrechung

Es ist bereits das zweite Mal, dass die Debatte zum umstrittenen Gesundheitspass unterbrochen wird. Dieser soll den Druck auf Ungeimpfte erhöhen, sich doch noch gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Viele Orte des öffentlichen Lebens sind dem Plan zufolge künftig nur vollständig Geimpften und Genesenen zugänglich, unter anderem Restaurants, Einkaufszentren und Kinos. Im Parlament wurde erbittert darüber gestritten. Die Opposition hatte das Projekt am Dienstag überraschend verzögert.

Derzeit kämpft Frankreich mit der starken Verbreitung der Omikron-Variante. Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei mehr als 1.600. Gut 3.600 Covid-19-Patienten liegen auf der Intensivstation, etwa zehn Prozent mehr als in der Vorwoche. Etwa 80 Prozent von ihnen sind nicht geimpft. Am Dienstagabend meldeten die Gesundheitsbehörden einen neuen Tageshöchststand an Neuinfektionen von mehr als 270.000.

In dem Interview mit „Le Parisien“ äußerte sich Macron auch zu seiner möglichen Präsidentschaftskandidatur für die Wahl im April. Er habe „Lust“, als Präsidentschaftskandidat anzutreten, sagte Macron. „Die Entscheidung festigt sich in meinem Innersten. Ich muss sicher sein, dass ich in der Lage bin, so weit zu gehen, wie ich will“, fügte er hinzu.