Demonstration von Bolsonaro-Unterstützern in Rio de Janeiro, 2020
AP/Silvia Izquierdo
Ungarn, Frankreich, Brasilien

International steht Superwahljahr bevor

In Österreich steht heuer mit der Bundespräsidentenwahl gegen Ende des Jahres nur ein großer Urnengang an. International hat es das Wahljahr aber in sich: In Frankreich muss Präsident Emmanuel Macron den Elysee-Palast verteidigen. In Ungarn wird die vereint antretende Opposition versuchen, Ministerpräsident Viktor Orban von der Macht zu verdrängen. Die Wahl des Jahres steigt aber wohl in Brasilien.

Die ersten Entscheidungen stehen schon im Jänner an: Am 30. wählen die Portugiesen ein neues Parlament. Die linke Regierung des Sozialisten Antonio Costa zerbrach am Budget, zwei Kleinparteien verweigerten die Gefolgschaft. Nachdem sich die Regierung in der Coronavirus-Pandemie aber achtbar geschlagen hatte, sind Costas Sozialisten in Umfragen weiter voran. Die Frage einer Koalition bleibt aber heikel.

Ebenfalls im Jänner sollte ein neuer italienischer Präsident gewählt werden, allerdings nicht von der Bevölkerung, sondern vom Parlament und Vertretern der Regionen. Der 80-jährige Sergio Mattarella will keine weitere Amtszeit absolvieren. Wer infrage kommt, ist noch offen: Seit Monaten wird spekuliert, ob und wie Regierungschef Mario Draghi nun in den Quirinalspalast wechseln könnte.

Dann käme es aber wohl zu vorgezogenen Parlamentswahlen, die relativ stabile Regierungszeit wäre damit vorbei. Für Proteste sorgte die Ankündigung von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, er wolle sich für das Amt zur Verfügung stellen – mehr dazu in Italien braucht noch einen „Super Mario“.

Mario Draghi
AP/Fabio Frustaci
Vom Regierungschef zum Präsidenten?

Bewährungsproben für deutsche „Ampel“

Am 13. Februar wird in Deutschland der Bundespräsident gewählt, Überraschungen sind da aber auszuschließen. Frank-Walter Steinmeier wird im Amt bleiben, alle größeren Parteien, auch zuletzt die Union, bekannten sich dazu. Gewählt wird er von der nur dafür einberufenen Bundesversammlung, die aus den 736 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen durch die Landesparlamente entsandten Delegierten besteht.

Spannender wird es im Laufe des Jahres, wenn die neue „Ampelkoalition“ von SPD, Grünen und FDP in Landtagswahlen ihre ersten Bewährungsproben hat. Das Saarland wählt im März, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai und Niedersachsen im Oktober.

Wer kann Macron herausfordern?

Das erste große Highlight des Wahljahres steht am 10. April an: der erste Wahlgang zur französischen Präsidentschaft. Macron wird wohl auch mit seiner EU-Ratspräsidentschaft alles tun, um innenpolitisch zu glänzen, doch hat er noch nicht einmal sein Antreten offiziell bestätigt. Zweifel daran gibt es aber keinen – mehr dazu in Ratsvorsitz als Wahlkampfbühne.

Emmanuel Macron
APA/AFP/Ludovic Marin
Macron kann auf zersplitterte Konkurrenz hoffen

Fraglich ist, wer es in eine wahrscheinliche Stichwahl zwei Wochen später schafft. Rechtsaußen liefern sich Marine Le Pen von der Partei Rassemblement National und der noch weiter rechts stehende Newcomer Eric Zemmour einen Kampf, bei dem auch die Republikaner-Kandidatin Valerie Pecresse, eine klassische Konservative, zerrieben werden dürfte.

Parlamentswahl in Frankreich folgt

Links hoffen die Sozialisten – bisher laut Umfragen eher vergeblich –, mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo eine chancenreiche Kandidatin ins Rennen zu schicken. Ihr macht vor allem der radikale Linke Jean-Luc Melenchon, der bei Präsidentschaftswahlen schon mehrmals überrascht hat, Stimmen abspenstig.

Im Juni schreitet Frankreich dann gleich zur Parlamentswahl. Dort muss Macrons Liste La Republique en Marche ihren Erfolg von 2017 verteidigen. Gleich beim ersten Antreten hatte man die Mehrheit der Stimmen gewonnen. Seitdem gab es in der zunächst bunt gemischten Truppe einige Flügelkämpfe und Abtrünnige, mittlerweile ist die Lage aber stabiler: Und die traditionellen Parteien der Republikaner und Sozialisten schaffen es weiterhin nicht, zu alter Stärke zu kommen.

Alle gegen Orban

Voraussichtlich ebenfalls im April wählt Ungarn. Der rechtskonservative Ministerpräsident Orban hofft bei der Parlamentswahl auf die vierte Amtszeit infolge. Allerdings bekommt es seine FIDESZ diesmal mit einem geschlossenen Oppositionsbündnis zu tun, in dem sich Grüne, Sozialdemokraten und Rechtspopulisten hinter dem konservativen Regionalpolitiker Peter Marki-Zay vereint haben.

In Umfragen liegen die beiden Lager Kopf an Kopf, die Unzufriedenheit mit Orban hat in der Coronavirus-Krise deutlich zugenommen. Die Frage könnte sein, inwieweit Orban seinen Machtapparat über Institutionen und Medien so weit ausgebaut hat, dass er auch davon bei den Wahlen profitieren kann.

Viktor Orban
AP/Laszlo Balogh
Schafft Orban eine vierte Amtszeit?

Machtwechsel in Slowenien?

Zittern muss auch ein enger Vertrauter Orbans, nämlich der umstrittene slowenische Ministerpräsident Janez Jansa. Bei den Parlamentswahlen in Slowenien am 24. April dürfte seine Mitte-rechts-Partei abgewählt werden. Beste Chancen auf seine Nachfolge hat die Chefin der Sozialdemokraten und Europaabgeordnete Tanja Fajon.

In Europa wählen heuer zudem noch Serbien (ebenfalls im April), Malta im Juni sowie Lettland und Bosnien-Herzegowina im Oktober. Schweden hat zwar mit der Sozialdemokratin Magdalena Andersson seit Ende November eine neue Ministerpräsidentin. Doch dafür bräuchte es zwei Anläufe, ein Indiz, dass die Parlamentswahl im September spannend werden könnte.

Abgeordnete applaudieren Magdalena Andersson, neu gewählte Premierministerin Schwedens
AP/TT News Agency/Erik Simander
Schwedens Ministerpräsidentin Andersson: Seit November im Amt, Neuwahl im September

Wahlschlacht in Brasilien erwartet

Eine Wahlschlacht steht wohl Brasilien bevor, nach derzeitigem Stand soll dort am 2. Oktober ein neuer Präsident gewählt werden. Der ultrarechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro wird es wohl mit einem seiner Vorgänger zu tun bekommen. Die linke Ikone Lula da Silva, mittlerweile 76, war von Anfang 2003 bis Anfang 2011 Präsident des Landes. Rund eineinhalb Jahre – just während der Wahl 2018 – saß er wegen angeblicher Korruptionsdelikte im Gefängnis. Später wurden alle Urteile aufgehoben, auch wegen offenbarer politischer Befangenheit: Sein Richter Sergio Moro wurde unter Bolsonaro später Justizminister, musste 2020 aber gehen.

Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva
Reuters/Ueslei Marcelino
Lula will zurück an die Spitze Brasiliens

Brasilien gilt als tief gespaltenes Land, die beiden Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Nicht zuletzt deswegen wird ein explosiver Wahlkampf erwartet. Auch international werden im Oktober alle Augen auf Brasilien gerichtet sein, zumal das Land – Stichwort Amazonas-Raubbau – auch klimapolitisch im Rampenlicht steht.

Midterm-Elections als Test für Biden

Kaum weniger gesellschaftlich gespalten zeigten sich in den vergangenen Monaten die USA – und da stehen am 8. November die Midterm-Elections auf dem Programm, wo ein Drittel der Senatoren und die Abgeordneten des Repräsentantenhauses neu gewählt wird. Traditionell hat es die Partei des Präsidenten bei den Midterms schwer. Das könnte bedeuten, dass die Demokraten von US-Präsident Joe Biden auch die Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat verlieren.

Die spannende Frage wird aber auch sein, mit welcher Politik und Strategie die Republikaner in die Wahlen gehen – und welche Rolle Ex-Präsident Donald Trump dabei spielt. Derzeit sieht es nicht so aus, als ob sich die US-Konservativen von Trump emanzipieren würden.