Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
APA/Georg Hochmuth
Trotz Omikron

Nehammer hält an Impfpflicht fest

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will trotz der aufgekommenen Diskussion über die rechtliche Haltbarkeit der Impfpflicht angesichts der grassierenden Omikron-Variante an dieser festhalten. „Die Impfpflicht wird kommen, alle Experten sind sich über die hohe Schutzwirkung auch gegen Omikron und Hospitalisierungen einig“, wurde der Kanzler in der „Kronen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) zitiert. Ähnlich äußerte sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner in der ZIB2. Kritik kam postwendend von FPÖ-Chef Herbert Kickl.

Vor allem die Boosterimpfung bewahre zu 90 Prozent vor einem Spitalsaufenthalt und zu 95 Prozent vor der Intensivstation, argumentierte Nehammer für die Sinnhaftigkeit der Impfpflicht, die bald beschlossen werden soll. Derzeit arbeite man „mit Hochdruck“ an der Umsetzung, erklärte der Kanzler laut „Krone“.

Kickl kritisierte das „eiserne Festhalten“ Nehammers am „Impfzwang“. Dieser sei weder rechtlich noch medizinisch haltbar. „Je weniger wirksam diese Corona-Impfung ist, desto sturer wird die Regierung“, so der FPÖ-Chef: „Kanzler Nehammer und Co beweisen mit ihrer Haltung, dass es ihnen nicht ums Wohl der Bevölkerung geht, sondern um Rechthaberei, Bevormundung und Spaltung der Gesellschaft.“

Rendi-Wagner: „Was ist die Alternative zum Impfen?“

Klar für die Impfpflicht hatte sich hingegen Rendi-Wagner tags zuvor ausgesprochen. „Ich stehe nach wie vor zur Impfpflicht“, sagte sie in der ZIB2 am Mittwochabend. Denn wenn nun diskutiert werde, dass eine Impfpflicht aufgrund der Omikron-Welle nicht mehr notwendig sei, setze das voraus, „dass man das Virus durchrauschen lässt, mit hohen Erkrankungszahlen, vollen Spitälern und vielen Toten“ – nicht nur wegen CoV, sondern auch aufgrund anderer Erkrankungen und Unfällen, die nicht mehr gut versorgt werden können.

Rendi-Wagner: „Diese Strategie ist falsch und medizinisch und ethisch nicht vertretbar.“ Ein „alleiniges Hoffen auf Durchseuchung“ sei ein „riskantes Glücksspiel“. „Den hohen Preis zahlen wir alle“, warnte die SPÖ-Chefin. Das einzige, was gesichert sei: „Impfen schützt besser als nicht impfen. Was ist die Alternative zum Impfen?“

Rendi-Wagner plädiert weiter für Impfpflicht

Die SPÖ-Bundesparteivorsitzende erklärt, weshalb sie trotz der inzwischen bekannten Charakteristika der Omikron-Variante weiterhin eine Impfpflicht fordert.

Rendi-Wagner bezeichnete den Entwurf, der für die Impfpflicht vorliegt, als „brauchbar“. Die Zigtausenden Stellungnahmen, die bisher eingelangt sind, müssten aber ernst genommen und wenn notwendig der Entwurf überarbeitet werden. Die Begutachtungsfrist endet in der kommenden Woche. Die SPÖ-Chefin spricht sich für an das Gehalt gebundene Sanktionsmechanismen, aber gegen Freiheitsstrafen aus, wenn gegen die Impfpflicht verstoßen wird.

Doskozil hat Zweifel

Ganz einig ist sich die SPÖ beim Thema Impfpflicht aber offenbar nicht. Am Mittwoch äußerte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) leichte Zweifel. „Das Thema Impfpflicht bröckelt auf Bundesebene ein bisschen“, sagte der SPÖ-Politiker – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger forderte am Mittwoch, dass angesichts der Expertenäußerungen „die medizinischen und damit rechtlichen Auswirkungen von Omikron rasch auf den Tisch gelegt werden und offen diskutiert werden“ müssten. NEOS hatte sich bisher für eine Impfpflicht ausgesprochen.

Angestoßen wurde die Debatte zur Impfpflicht angesichts von Omikron von Gerald Gartlehner, Epidemiologe an der Donau-Universität Krems, im ZIB-Interview am Dienstag. Es werde mit Omikron die Bevölkerung wohl in einem Ausmaß immunisiert, „wie wir es noch nie hatten“. Die Impfpflicht müsse man daher „wahrscheinlich neu bewerten“. Noch läuft die Begutachtung, aber das Gesetz zur Impfpflicht soll in den kommenden Wochen den Nationalrat passieren.

Rechtliche Folgen?

Die rechtliche Argumentation für die Impfpflicht basiert auf der Annahme, dass durch die Impfung das Risiko für schwere Verläufe stark sinke und dadurch zur Entlastung der Krankenhäuser und des Gesundheitssystems beitrage. Doch wenn sich viele Menschen, die derzeit noch ungeimpft sind, in der eben beginnenden Omikron-Welle immunisieren, könnte dieses Schutzargument wegfallen – zumindest für den Moment.

Da die Variante auch für Geimpfte ansteckender sei und sie das Virus ebenfalls verbreiten könnten, sei der Sinn der Maßnahme zunehmend fraglich, sagte der Verfassungsjurist Heinz Mayer am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn die Impfung das Gesundheitssystem nicht ausreichend schützt, dann ist die Impfpflicht nicht zulässig.“ Statt wie bisher geplant die Impfpflicht am 1. Februar fix einzuführen, könne es angemessener sein, per Gesetz dem Gesundheitsminister die Möglichkeit einzuräumen, einen solchen Schritt jederzeit anzuordnen, sagte Mayer. Jedenfalls müsse der Staat alles ihm Zumutbare getan haben, bevor eine Impfpflicht rechtlich zulässig wäre.

Impfpflicht „vorübergehend aussetzen“

Dass sich aus Omikron auch Folgen für die rechtliche Begründung einer Impfpflicht ergeben könnten, räumte zuvor auch der Jurist Karl Stöger im Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch ein. „Das könnte aus rechtlicher Sicht dann etwas ändern, wenn durch eine hohe Infektiösität von Omikron in der Bevölkerung eine hohe Immunität entsteht, die der einer Impfung gleichwertig oder überlegen ist“, so Stöger, der als Teil der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) auch die Bundesregierung berät.

Der Jurist gab aber zu bedenken, dass auch weitere Varianten folgen könnten. Es stelle sich auch die Frage, „verdrängt Omikron wirklich alle anderen auch ansteckenden oder gefährlicheren Varianten wie Delta. Das sind medizinische Fragen, die zu beurteilen sind, und die haben natürlich auf die rechtliche Beurteilung Auswirkungen“, sagte Stöger. Schließlich gehe es auch darum, dass das Gesundheitssystem im kommenden Herbst und Winter ebenfalls nicht erneut überlastet werde.

„Öffentliches Interesse muss schwer wiegen“

Laut Stöger könnte es durchaus eine Möglichkeit sein, das Gesetzgebungsverfahren in den kommenden Wochen zu Ende zu bringen, die Impfpflicht aber vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten zu lassen – „wenn man mehr weiß“. Man könnte die Impfpflicht aber auch „vorübergehend aussetzen“, um zu schauen, „ob Omikron jetzt wirklich die Regeln ändert, wie das manche vermuten, oder ob das nicht der Fall ist und daher die Impfpflicht weiterhin gebraucht wird“.

Auch Verfassungsjurist Peter Bußjäger meinte in der ZIB2, dass man erst beurteilen könne, ob eine Impfpflicht erforderlich sei, wenn man die medizinischen Auswirkungen von Omikron kenne: „Eine Impfpflicht setzt voraus, dass eine Krankheit mit entsprechend schwerwiegenden Folgen droht, die auch eine größere Zahl von Menschen erfassen können.“ Das öffentliche Interesse, das diesen Grundrechtseingriff rechtfertigt, „muss entsprechend schwer wiegen“. Und das liege dann vor, „wenn wir sonst befürchten müssen, dass wir medizinische Versorgung nicht im gewohnten Maß aufrechterhalten können“.

„Omikron“ stellt Impfpflicht infrage

Der Infektiologe Herwig Kollaritsch, auch Mitglied der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkommunikation (GECKO) und des Nationalen Impfgremiums (NIG), glaubt im „Kurier“-Interview nicht, dass die Impfpflicht mit der Omikron-Welle obsolet sei. Die Impfpflicht müsse aber unter anderen Voraussetzungen als bisher gesehen werden: „Es geht darum, die Krankheitslast in der Bevölkerung langfristig zu vermeiden“, sagte er gegenüber dem „Kurier“. Man müsse die Maßnahmen langfristiger denken, denn „der nächste Herbst kommt bestimmt“.

Sozialpartner: „Keineswegs alle Mittel ausgeschöpft“

Die Sozialpartner mahnen die Politik zu analysieren, ob der mit der Impfpflicht verbundene Grundrechtseingriff noch verhältnismäßig ist – „oder ob das Ziel auch mit gelinderen Mitteln erreicht werden kann“. Laut „Salzburger Nachrichten“ wollen die Sozialpartner ihren noch nicht eingetroffenen Stellungnahmen eine gemeinsame Präambel voranstellen.

Diese wollen die Sozialpartner zwar nicht als generelle Kritik an der Impfpflicht verstanden wissen. Sehr wohl bemängeln sie darin aber, „die politischen Akteure“ hätten „einiges verabsäumt und keineswegs alle Mittel ausgeschöpft, um eine hohe Durchimpfung zu erreichen“.