Russische Soldaten beim Besteigen eines Militärflugzeuges
APA/AFP/Russian Defence Ministry
Unruhen

Russische Truppen in Kasachstan

Der Aufstand der Bevölkerung in dem rohstoffreichen und strategisch für Russland wichtigen Nachbarland Kasachstan ist laut dem autoritär regierenden Staatschef Kassym-Schomart Tokajew niedergeschlagen worden. Zuvor waren russische Truppen in Kasachstan gelandet. Die Lage ist unklar. Für die Bevölkerung geht es um das wirtschaftliche Überleben und politische Freiheit. Für Moskau sind die Proteste mehr als unangenehm.

Wegen der gewaltsamen Proteste landeten Donnerstagnacht erste Einheiten einer von Russland angeführten „Friedenstruppe“ in Kasachstan. Tokajew hatte zuvor von einer „terroristischen Bedrohung“ gesprochen und militärische Hilfe bei dem von Russland angeführten Militärbündnis Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) angefordert. Laut russischem Verteidigungsministerium würden 70 Flugzeuge nun „rund um die Uhr“ russische Truppen nach Kasachstan einfliegen. Wie viele Soldaten dort insgesamt eingesetzt werden sollen, ist unklar.

Freitagfrüh erklärte Tokajew die Proteste für niedergeschlagen. Die verfassungsmäßige Ordnung im Land sei „größtenteils wiederhergestellt“, teilte Tokajew nach Angaben des staatlichen Fernsehsenders mit. Das kasachische Innenministerium berichtete unterdessen, dass die Sicherheitskräfte 26 Menschen „liquidiert“ hätten. Es habe sich dabei um „bewaffnete Kriminelle“ gehandelt.

Zudem seien mehr als 3.000 Menschen in der Millionenmetropole Almaty festgenommen worden. 18 Polizisten und Nationalgardisten seien bei den Auseinandersetzungen getötet worden, 748 verletzt.

Proteste dauern offenbar an

Die Proteste dürften aber weiter anhalten. Das ging jedenfalls indirekt aus einer Rede von Tokajew hervor. Darin warf er den Protestierenden, die er ausschließlich als „Terroristen“ oder „Banditen“ bezeichnete, vor, weiter Schäden anzurichten. Er habe Befehl erteilt, ohne Vorwarnung auf sie zu schießen. Die „Terroristen“ würden gejagt und „zerstört“ werden, warnte Tokajew die Demonstranten.

Hohe Treibstoffpreise als Auslöser

In der Wirtschaftsmetropole Almaty war es zuvor erneut zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hatten mehrere Amtsgebäude und den Flughafen besetzt.

Die Proteste hatten sich an der Erhöhung von Treibstoffpreisen entzündet. Der Rücktritt der Regierung und die Rücknahme der Preiserhöhung für Autogas durch Präsident Tokajew beruhigten die Menschen jedoch nicht. Viele werfen den Behörden und der Elite des ölreichen zentralasiatischen Landes Bereicherung vor, während die allermeisten der knapp 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner arm bleiben.

Kasachstan: Militärische Hilfe aus Russland

Seit Tagen erlebt Kasachstan eine heftige Protestwelle, wohl die größte in der jungen Geschichte der ehemaligen Sowjetrepublik. Bei den gewaltsamen Ausschreitungen sind bereits Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Nun greift das Militär hart durch und bekommt Unterstützung aus Russland.

Russland will Lage „normalisieren“

Dass Russland umgehend Truppen entsandte, ist ein klares Signal dafür, welche Bedeutung das Land geopolitisch für Moskau hat. Es besitzt auch neben Erdöl wichtige Rohstoffvorkommen, und der Weltraumbahnhof Baikonur befindet sich dort. Die „Friedenstruppe“ sei auf begrenzte Zeit nach Kasachstan geschickt worden, „um die Lage zu stabilisieren und zu normalisieren“, hieß es in einer Mitteilung der OVKS. Der Militärallianz gehören neben Russland und Kasachstan vier weitere ehemalige Sowjetrepubliken an.

Zur Zahl der entsandten Soldaten machte die Allianz keine Angaben. Die Regierung in Moskau machte – so wie Tokajew – umgehend ausländische Kräfte für die Unruhen beim südlichen Nachbarn verantwortlich. Es handle sich um einen aus dem Ausland gesteuerten Versuch, die Sicherheit und Integrität Kasachstans gewaltsam zu unterwandern. Tokajew warf „Terrorgruppen“ vor, hinter den Protesten zu stecken. Ausgebildet würden die Gruppen „im Ausland“, sagte er im Staatsfernsehen.

Luftansicht der Proteste vor dem Rathaus von Almaty
AP/Yan Blagov
Besonders heftige Proteste gibt es in Almaty

Ungelegen für Russland

Für Russland kommt der Aufstand der Bevölkerung im südlichen Nachbarland mehr als ungelegen. Ab Montag steht ein Reigen hochrangiger Gespräche mit den USA, der NATO und im Rahmen der OSZE über den Ukraine-Konflikt an. Wie zuvor in Georgien hatte der russische Präsident auch in den internen Konflikt um die politische Ausrichtung in der Ukraine eingegriffen und die Krim annektiert.

Seit Jahren dauert der teils militärisch geführte Konflikt an. Putin verlangt nun Sicherheitsgarantien von den USA und der NATO, da sich Russland nach eigenen Angaben von der NATO bedroht fühlt. Der Präsident der Russischen Föderation versucht, im ehemaligen Bereich der Sowjetunion eine russische Vormachtstellung zu erhalten.

Putin stützt in diesen Ländern – so wie etwa auch in Belarus – autoritär regierende Machthaber und hilft bei der Niederschlagung von Protesten, in denen eine Demokratisierung gefordert wird. Nicht zuletzt, um eine Stärkung der Demokratiebewegung im eigenen Land hintanzuhalten.