Aufgeklappte Bücher
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Täter gefasst

Phishing-Betrug mit Büchern bleibt mysteriös

Jahrelang hat ein mutmaßlicher Betrüger die Verlags- und Autorenwelt in Atem gehalten, nun scheint das Rätsel um gestohlene Manuskripte gelöst: Ein Angestellter des Verlags Simon & Schuster soll sich unter falschen Namen Hunderte unveröffentliche Bücher namhafter Autoren und Autorinnen erschlichen haben. Offen bleibt die Frage, warum und wozu.

Der 29-jährige Italiener Filippo Bernardini soll sich als Literaturagent und Verleger ausgegeben zu haben, um unveröffentlichte Werke von Schriftstellern zu stehlen. Er wurde diese Woche vom FBI bei der Landung in New York verhaftet und angeklagt. Fünf Jahre lang soll er Identitätsdiebstahl und Betrug unter Einsatz von Telekommunikationsmitteln begangen haben – Verbrechen, die mit 22 Jahren Gefängnis bestraft werden können.

„Filippo Bernardini soll sich als eine Person aus der Verlagsbranche ausgegeben haben, um Autoren, darunter einen Pulitzer-Preisträger, dazu zu bringen, ihm Manuskripte für eine Vorveröffentlichung zu seinem eigenen Vorteil zu schicken“, sagte US-Staatsanwalt Damian Williams. Bernardini plädierte laut Anwalt auf „nicht schuldig“ und wurde am Freitag gegen eine Kaution von 300.000 Dollar in elektronische Überwachung entlassen, sagte ein Gerichtssprecher.

Sally Rooney
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Sally Rooney soll eines der Opfer gewesen sein

Zu den Zielen Bernardinis sollen etwa Margaret Atwood, Ethan Hawke, Ian McEwan und Sally Rooney gehören. Im Jahr 2019 enthüllte etwa Atwoods Agent, dass das Manuskript ihres Buchs „Die Zeuginnen“ Ziel des Täters geworden war. Vergangenes Jahr berichtete das „New York Magazine“, dass die schwedischen Herausgeber von Stieg Larssons „Millennium“-Reihe von einem angeblichen Kollegen in Italien kontaktiert worden waren, der ein Vorabexemplar verlangte, um es vor der Veröffentlichung übersetzen zu lassen.

Mit den Mitteln eines Phishers

Der Verdächtige verschickte laut Staatsanwaltschaft E-Mails von gefälschten Konten. Die Adressen wurden so gestaltet und minimal verändert, dass sie den Domänennamen rechtmäßiger Verlage ähnelten, wobei hier und da ein Buchstabe geändert wurde, etwa f statt t, g statt q und rn statt m – also so, wie es Phisher oft machen. Zudem sei einschlägiges Wording und Wissen etwa über den Publikationsprozess genutzt worden, schrieb der „Guardian“.

In der Anklageschrift wird Bernardini vorgeworfen, mehr als 160 betrügerische Domains registriert zu haben. Die „New York Times“ („NYT“) schrieb, dass Bernardini auch falsche Websites aufgesetzt haben soll, um von einem Talentsucher in New York Usernamen und Passwörter zu erschleichen.

Ian McEwan
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Ian McEwan war ebenfalls im Visier des Betrügers

Kein Lösegeld, keine Veröffentlichungen

Unklar bleibt das Motiv. Denn überraschenderweise folgten auf die Diebstähle weder Geldforderungen, noch tauchten die Werke laut Berichten bisher auf, weder real noch im Netz. Auch war die Zielgruppe des Betrugs sehr breit gefächert, von gefeierten Autoren bis zu Newcomern waren offenbar viele dabei. Weil Verleger unter anderen Ländern in den USA, Schweden und Taiwan Ziel des Betrugs waren, ging man auch lange davon aus, dass das nicht nur das Werk eines Einzelnen sein kann.

Bernardini soll gemäß seiner Selbstbeschreibung im Netz eine „Obsession für das geschriebene Wort und Sprachen“ haben, schrieb die „NYT“. Er soll in Italien eine Abschluss in Chinesisch erhalten und als Übersetzer gearbeitet haben. Bernardini arbeitete in London für Simon & Schuster. Der Verlag erklärte, er sei „schockiert und entsetzt, von den Anschuldigungen zu erfahren“, man habe den Mitarbeiter suspendiert, bis weitere Informationen zu dem Fall vorliegen.