Eine Maschine der Lufthansa
APA/AFP/Christof Stache
EU vs. Fluglinien

Streit über Landerechte und Leerflüge

Mit der Pandemie ist die Nachfrage nach Flügen drastisch gesunken. EU-Regeln sehen aber vor, dass Fluglinien einen großen Teil der Start- und Landerechte weiterhin nutzen müssen, um sie nicht zu verlieren. Dagegen laufen seit einigen Wochen große Fluglinien Sturm. Unterstützung bekommen sie von Umweltschützern, die gegen Leerflüge auftreten. Billigfluglinien treten für mehr Wettbewerb ein. Die EU ist in einem Dilemma.

Unter normalen Umständen müssen die Fluglinien ihre Slots zu 80 Prozent nützen. Aufgrund der Pandemie reduzierte die EU diese verbindliche Nutzung der Start- und Landerechte auf 50 Prozent. Für die Sommersaison soll das wieder auf 64 Prozent steigen, da dann wieder eine höhere Nachfrage erwartet wird. Werden diese Zeitnischen nicht genutzt, müssen sie aufgegeben werden.

Diese Regelung ist einigen Fluggesellschaften, allen voran der deutschen Lufthansa aber auch Air France-KLM, zu wenig. „Wenn also der Rest der Saison sehr enttäuschend verläuft, kann man als Fluggesellschaft in die Situation kommen, entweder Slots zu verlieren, weil man Flüge storniert, oder mit halb leeren Flugzeugen zu fliegen. Beide Situationen sind nicht wünschenswert“, hieß es von KLM. In den USA setzte die Federal Aviation Administration (FAA) aufgrund der Pandemie ähnliche Regeln für die Mindestnutzung von Zeitnischen mit wenigen Ausnahmen bis zum 26. März außer Kraft – anders als in Europa die EU.

Umweltschädliche „Geisterflüge“

Die Lufthansa erklärte, dass sie in der Wintersaison aufgrund der Slot-Regeln gezwungen sei, 18.000 nicht nötige Flüge durchzuführen – auch aufgrund von Einschränkungen durch Omikron. Diese Langstreckenfluglinien wollen nur Flüge durchführen, wenn es die Nachfrage auch rechtfertigt. Zu Brussels Airlines, die zur Lufthansa gehört, gab es Berichte, dass sie in diesem Winter 3.000 Leerflüge durchführt. Dazu nahm auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Stellung und schrieb sarkastisch: „Die EU ist sicherlich im Klimanotfallmodus.“

Unterstützung erhielten die Fluglinien vor wenigen Tagen auch von dem belgischen Verkehrsminister George Gilkinet. Dieser hatte in einem Schreiben an EU-Verkehrskommissarin Adina Valean Änderungen am System gefordert. Zudem warnte er davor, dass die EU-Ziele zur Emissionsreduzierung durch diese „Geisterflüge“ untergraben werden könnten.

Die EU-Kommission stellte am Freitag klar, dass die geltenden EU-Regeln den europäischen Fluggesellschaften den benötigten Schutz ihrer Slots gewähren: „Fluggesellschaften müssen keine Leerflüge durchführen, wenn Passagiere aus gesundheitlichen Gründen nicht reisen können.“ Zudem gebe es die „Möglichkeit von begründeten Ausnahmen“ für die Nichtnutzung von Zeitnischen, so die EU, etwa wenn es Reisebeschränkungen gibt.

EU in Zwickmühle

Die EU ist allerdings auch in einer Zwickmühle. Einerseits versucht sie, mit diesen Regeln den Schutz der Flughäfen, der Verbraucher und des Wettbewerbs unter den Fluglinien aufrechtzuerhalten. Andererseits will sie Emissionen in Grenzen halten. Im Interview mit der „Financial Times“ („FT“) erklärte EU-Verkehrskommissarin Valean, dass die Regeln den Fluglinien die nötige Flexibilität gebe, um Leerflüge zu vermeiden.

Auf stark frequentierten Flughäfen sind Start- und Landerechte wertvolle Assets von Fluglinien. Über den Umgang mit diesen Slots ist sich aber nicht einmal die Luftfahrtbranche einig. Denn die Billigfluglinien sahen in der Pandemie ihre Chance für neue Start- und Landerechte und drängten auf den vollen Wettbewerb. Auch EU-Kommissarin Valean beobachtet, dass Billigfluggesellschaften sich „schnell an die neue Realität angepasst und oft eine Aktivität nahe dem Niveau von 2019 erreicht“ hätten. Die größeren auch für Langstrecken aufgestellten Fluglinien hingegen mussten stärkere Einbußen aufgrund der Pandemie hinnehmen.