Italienischer Beamter kontrolliert „Grünen Pass“
Reuters/Ciro De Luca
CoV-Regeln in Italien

Inselbewohner entgehen „Zwangsexil“

Ab Montag gilt im öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Italien die 2-G-Regel, nur Geimpfte oder Genesene dürfen Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen und Fähren benutzen. Ein Aufschrei von Bürgermeistern kleinerer Inseln sowie des Stadtchefs von Venedig angesichts eines drohenden „Zwangsexils“ zeigte in letzter Minute Wirkung.

Nicht Geimpfte seien ab 10. Jänner nicht mehr in der Lage, ihre Insel zu verlassen, was verfassungswidrig sei, führten die Bürgermeister der Inseln ins Treffen. Dem Protest schloss sich auch der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, an. Er befürchte schwerwiegende Auswirkungen auf die Lagunenstadt, so Brugnaro. „Gerade wegen der Besonderheit Venedigs und seiner geografischen Lage stehe ich in engem und ständigem Kontakt mit der Regierung, damit eine Ausnahmeregelung getroffen werden kann“, sagte er. Er sei zuversichtlich, eine positive Antwort von der Regierung zu erhalten.

Der Präsident des Verbands der Gemeinden der kleinen Inseln (ANCIM), Francesco Del Deo, hatte in einem Schreiben an Regierungschef Mario Draghi diese Woche seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Der „See- und Luftverkehr (…) ist die einzig mögliche Verbindung“ für die Bewohner dieser Inseln mit dem Festland, „und den Zugang zu diesen Transportmitteln“ denjenigen ohne Impfpass zu verwehren, „bedeutet, dass die Bewohner, die aus verschiedenen Gründen nicht geimpft wurden, zu einem erzwungenen Exil verurteilt werden“.

Spärlicher Gesundheitsdienst

ANCIM vertritt 35 Gemeinden auf 87 kleinen Inseln mit insgesamt 240.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Auf den meisten dieser Inseln gibt es keine Gesundheitseinrichtungen, und einige werden nur ein- oder zweimal pro Woche für einige Stunden von einem Arzt oder einer Ärztin besucht.

Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro
Reuters/Manuel Silvestri
Die Bedenken von Venedigs Bürgermeister Brugnaro und etlicher Amtskollegen wurden erhört

Rom lenkt ein

Die Mahnungen fanden am Sonntag schließlich Gehör: Gesundheits- und Verkehrsministerium in Rom teilten mit, dass für die Bewohner und Bewohnerinnen kleinerer Insel, die aus gesundheitlichen Gründen, oder um die Schule oder die Universität zu besuchen, auf das Festland müssen, bis zum 10. Februar die 3-G-Pflicht gilt. Beschlossen wurde außerdem, dass an Bord von Schulbussen keine 3-G-Pflicht gilt: Eine neue Verordnung besagt, dass der „spezielle Schülerverkehr nicht dem öffentlichen Personennahverkehr gleichgestellt ist“ und daher „bis zum 10. Februar für Schüler über zwölf Jahren nur mit einer FFP2-Maske zugänglich ist“.

Dem vorhergehenden Protest hatten sich auch Ortschefs und Bürger von Ischia, Pantelleria, Elba und Capraia angeschlossen. Auf der toskanischen Insel Giglio sind circa 80 der 1.400 Einwohner und Einwohnerinnen nicht geimpft. „Ich persönlich bin zwar für die Impfpflicht, aber man kann nicht ignorieren, dass eine Minderheit der Bevölkerung sich nicht impfen lassen will. Diese Personen können nicht mehr auf das Festland und haben keinen Zugang zu wesentlichen Dienstleistungen“, sagte der Bürgermeister von Giglio, Sergio Ortelli.

ANCIM-Präsident Del Deo, selbst Bürgermeister einer Gemeinde auf der vor Neapel gelegenen Insel Ischia, sagte: „Das ist eine komplizierte Situation“, aber „in einer Demokratie müssen auch die Rechte von Minderheiten geschützt werden“. Del Deo zufolge ist die Impfrate auf den kleinen Inseln mit dem nationalen Durchschnitt vergleichbar. Über 86 Prozent der italienischen Bevölkerung über zwölf Jahren sind derzeit geimpft.

Polizisten überprüfen „Grünen Pass“ in Rom
AP/Andrew Medichini
Ab Montag gilt im öffentlichen Nah- und Fernverkehr in Italien die 2-G-Regel

Eingeschränkter Bahnverkehr wegen Personalmangels

Jenen, die ab Montag weiter befugt sind, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, droht im Rest von Italien auch Ungemach: 180 Regionalzüge der italienischen Staatsbahnen (Ferrovie dello Stato, FS) werden wegen der Neuorganisation des Dienstes aufgrund der Ausbreitung der Omikron-Infektionen gestrichen. Die Staatsbahnen sind wegen der hohen Zahl von Ansteckungen von Personalproblemen schwer belastet. Insgesamt seien neun Prozent des regionalen Bahnverkehrs von den Fahrplanänderungen betroffen. Die Bahngesellschaft bemühe sich, die Unannehmlichkeiten für die Reisenden einzugrenzen, hieß es.

Schon seit Samstag in Kraft In Italien ist die CoV-Impfpflicht für Menschen im Alter von über 50 Jahren. Ungeimpfte haben jedoch noch Zeit, bis ihnen Konsequenzen drohen. Ab dem 1. Februar ist eine Strafe von 100 Euro für diejenigen vorgesehen, die bis dahin noch ungeimpft sind oder ihre zweite Dosis beziehungsweise den Booster nicht erhalten haben, obwohl sie es könnten.

Die Impfpflicht gilt vorerst bis zum 15. Juni und für alle Menschen über 50 mit Wohnsitz in Italien. Ab dem 15. Februar greift für die über 50-Jährigen zudem die 2-G-Regel in der Arbeit. Wer ab dann nicht geimpft oder nachweislich genesen ist, kann zum Beispiel nicht mehr ins Büro kommen. Für jüngere Arbeitnehmer reicht ein negativer Test. Wer dennoch erscheint und erwischt wird, muss wie bisher mit einer Strafe zwischen 600 und 1.500 Euro rechnen.