Ausgebranntes Auto in Almaty
AP/Vasily Krestyaninov
Kasachstan

Mindestens 164 Tote bei Protesten

Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten sowie Demonstrantinnen und Sicherheitskräften in Kasachstan sind – laut offiziellen Angaben – mindestens 164 Menschen gestorben. 5.800 Menschen wurden verhaftet, mehr als 2.200 Menschen verletzt. Allein in der Millionenstadt Almaty mit besonders vielen Demonstranten sollen 103 Menschen getötet worden sein – darunter zwei Kinder.

Rund 1.100 Menschen hätten dort um medizinische Hilfe ersucht, meldete das Staatsfernsehen unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Demzufolge wurden am Sonntag 719 Patienten und Patientinnen in Krankenhäusern behandelt. Der Zustand von 83 Menschen wurde als „ernst“ bezeichnet. Die Behörden gaben keine Details zu der Art der Verletzungen an. Unabhängige Informationen gibt es auch weiterhin nur spärlich.

Kasachstan war in den vergangenen Tagen von beispiellosen Zusammenstößen zwischen regierungskritischen Demonstranten und Sicherheitskräften erschüttert worden. Wie viele der Todesopfer Zivilisten waren, ist unklar. Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte Polizei und Armee am Freitag angewiesen, „ohne Vorwarnung“ auf Demonstranten zu schießen, die er als „Terroristen“ und „Banditen“ bezeichnete.

Kasachische Sicherheitskräfte nehmen Demonstranten fest
AP/Vasily Krestyaninov
Am Freitag hatte Machthaber Tokajew Schießbefehl gegeben

In Almaty gibt es Augenzeugen zufolge schwere Verwüstungen. Lebensmittelgeschäfte seien geplündert, Banken und Geldautomaten seien kaputt, erzählte ein Journalist der dpa. Vor Bäckereien, die den Betrieb wieder aufgenommen hätten, bildeten sich lange Schlangen, sagte der 50-Jährige. Weiterhin funktioniere das Internet in der Millionenstadt im Südosten des autoritär geführten Landes nicht. Auch die Mobilfunkverbindung ist immer wieder unterbrochen.

Kasachstan: Zahlreiche Tote bei Protesten

Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten sowie Demonstrantinnen und Sicherheitskräften in Kasachstan sind zahlreiche Menschen gestorben. Die meisten Opfer gab es in der Millionenstadt Almaty. Tausende wurden zudem verhaftet. Augenzeugen berichten nach den Ausschreitungen von schweren Verwüstungen.

Auch Ausländer verhaftet?

Unter den Festgenommenen soll eine „erhebliche“ Zahl ausländischer Staatsbürger sein, teilte die Regierung mit. Details wurden auch hierbei nicht genannt. Tokajew behauptete, Demonstranten würden auch aus dem Ausland unterstützt. Wie das Präsidialbüro nach einer weiteren Krisensitzung mitteilte, dauern die Einsätze gegen Demonstranten an. „Es werden Maßnahmen ergriffen, um Terroristen ausfindig zu machen und festzunehmen.“

Während der Unruhen seien 16 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet worden, hatte es zuvor geheißen. Zudem sollen rund 1.300 Sicherheitskräfte verletzt und 40 Menschen getötet worden sein, darunter auch Sicherheitskräfte. Die Justizbehörden nahmen Ermittlungen gegen die Festgenommenen wegen diverser Vergehen auf.

Den Festgenommenen werde unter anderem Zerstörung von mehr als 100 Einkaufszentren und Bankgebäuden zur Last gelegt, sagte der amtierende Innenminister Erlan Turgumbajew dem TV-Sender Chabar 24. Während der Unruhen seien etwa 400 Fahrzeuge zerstört worden, die meisten davon Polizeiwagen, hieß es von offizieller Seite weiter.

Behörden versuchen, Normalität herzustellen

Die Behörden bemühten sich unterdessen, im Land wieder Normalität herzustellen. Dazu sei etwa die Versorgung auch entlegener Regionen mit Grundnahrungsmitteln gesichert worden, teilte das Handelsministerium nach Angaben der Agentur TASS mit. Auch die Versorgung mit Kraftstoff und Flüssiggas sei angelaufen, hieß es aus dem Energieministerium.

Kasachische Sicherheitskräfte kontrollieren Autos in Almaty
Reuters/Pavel Mikheyev

Eine Reihe strategischer Einrichtungen stehe unter Bewachung des von Russland geführten Militärbündnisses OVKS, teilte das kasachische Präsidialamt nach einer weiteren Krisensitzung mit. Tokajew hatte den Ausnahmezustand verhängt und das OVKS um Hilfe gebten. Die OVKS-Mitglieder wollen am Montag über das weitere Vorgehen in einer Videokonferenz beraten, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Sonntag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Österreichs größte Ölquelle

Kasachstan ist Österreichs wichtigster Öllieferant. Deutlich mehr als ein Drittel des importierten Öls kommt von dort. Die OMV förderte über ihre rumänische Tochter OMV Petrom bis vor Kurzem selbst dort Öl.

Kasachstan, das an Russland und China grenzt, erlebt seit Tagen die schwersten Ausschreitungen seit Jahren. Unmut über gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen schlug in vielerorts friedliche, aber teils auch gewaltsame Proteste gegen die Staatsführung um. Tokajew verhängte den Ausnahmezustand und bat das von Russland geführte Militärbündnis um Hilfe. Russland schickte „Friedenstruppen“ in das Land. Wie viele Soldaten in Summe kommen, ist unklar.

Ungelegen für Russland

Für Russland kommt der Aufstand der Bevölkerung im südlichen Nachbarland mehr als ungelegen. Ab Montag steht ein Reigen hochrangiger Gespräche mit den USA, der NATO und im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über den Ukraine-Konflikt an. Wie zuvor in Georgien hatte der russische Präsident auch in den internen Konflikt um die politische Ausrichtung in der Ukraine eingegriffen und 2014 die Krim annektiert.

Seit Jahren dauert der teils militärisch geführte Konflikt an. Putin verlangt nun Sicherheitsgarantien von den USA und der NATO, da sich Russland nach eigenen Angaben von der NATO bedroht fühlt. Der Präsident der Russischen Föderation versucht, im ehemaligen Bereich der Sowjetunion eine russische Vormachtstellung zu erhalten.

Putin stützt in diesen Ländern – so wie etwa auch in Belarus – autoritär regierende Machthaber und hilft bei der Niederschlagung von Protesten, in denen eine Demokratisierung gefordert wird. Nicht zuletzt, um eine Stärkung der Demokratiebewegung im eigenen Land hintanzuhalten. Mittelfristig würde Russland freilich geostrategisch gestärkt, wenn die kasachische Führung durch die Intervention – ähnlich wie Alexander Lukaschenko in Belarus – in verstärkte Abhängigkeit von Moskau gerät.