Aufgezogene Spritzen
APA/Georg Hochmuth
Impfpflicht

Verschärfte Kritik im Begutachtungsfinale

Um Mitternacht ist die Begutachtung für das Impfpflichtgesetz zu Ende gegangen. Wie umstritten die Maßnahme ist, zeigt sich an der Rekordzahl der eingetroffenen Stellungnahmen – insgesamt an die 200.000. Trotz aller Bedenken, auch seitens der Justiz wegen eines befürchteten Personalmangels, beharrt die Regierung auf Einführung der Impfpflicht Anfang Februar. Die SPÖ zeigt sich in der Frage gespalten.

Aus legistischen Gründen brachte die Regierung zwei Anträge zum Impfpflichtgesetz ein: Einen Ministerialentwurf von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und einen Initiativantrag der Parlamentsklubs von ÖVP und Grünen. Insgesamt kamen so mehr als 180.000 Stellungnahmen auf der Website des Parlaments zusammen, wobei Maßnahmengegner konzertiert auch etliche gleichlautende Wortmeldungen schickten. Befürworter fanden sich im Begutachtungsverfahren nur spärlich.

Angesichts dieser Zahlen wurde am Montag eine neue gewichtige Kritik laut: Die Justiz bezweifelt, dass man aufgrund der zu erwartenden Beschwerden mit den vorhandenen Ressourcen auskommen wird. So sieht der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR) zumindest eine Verdoppelung des Personals notwendig, die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) teilt diese Ansicht.

Justiz: Zeitaufwand „unrealistisch niedrig veranschlagt“

Die Verwaltungsrichter und -richterinnen erwarten in ihrer Begutachtungsstellungnahme, dass nichtgeimpfte Personen „ihre bisher eingenommenen Standpunkte wohl konsequent zu verteidigen versuchen werden, indem sie vom Rechtsschutz Gebrauch machen, und zwar in höherem Ausmaß als vom Entwurf erwartet". Der Zeitaufwand pro Fall sei derzeit „unrealistisch niedrig veranschlagt“.

Ähnlich argumentiert die Beamtengewerkschaft, die durch die Impfpflicht eine deutliche Steigerung der Beschwerden in Bezug auf das Impfschadensgesetz erwartet. Sollte sich der schon jetzt starke Anstieg der gemeldeten Fälle fortsetzen, wäre zeitnah der beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zusätzlich erforderliche Personalbedarf zu evaluieren und die Anzahl der Planstellen dementsprechend aufzustocken, schreibt die GÖD in ihrer Stellungnahme.

ELGA hält Umsetzung vor April für unmöglich

Hürden auf anderer Ebene hatte bereits vor dem Wochenende die Stellungnahme der für die technische Umsetzung mitverantwortlichen ELGA GmbH befürchten lassen. So sei die technische Einführung der Impfpflicht erst frühestens ab Anfang April möglich, hieß es darin. Jedenfalls seien „hinsichtlich der technischen Umsetzung der Erfassung der Ausnahmen im nationalen Impfregister und der dafür notwendigen Umsetzungszeiten Änderungen geboten“.

Nicht umgesetzt werden könnten außerdem die Einschränkung der Ausnahmeerfassung auf Vertragsärzte gewisser Fachrichtungen und die Erweiterung des zentralen Patientenindex (ZPI) um Personen, die zwar in Österreich gemeldet sind, aber keine Sozialversicherungsnummer haben.

Start der Impfpflicht wackelt

Obwohl sich alle Experten einig sind, dass die Impfung das beste Mittel gegen das Coronavirus ist, gibt es nun immer mehr Zweifel, ob die von der Regierung geplante Impfpflicht mit 1. Februar in Kraft treten kann.

Am Montag sah auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch in der ZIB2 die Möglichkeit, die Impfpflicht noch zu verschieben, als gegeben an. Das Gesetz müsse spätestens bis Ende Mai in Kraft sein, um künftige Herbstwellen zu verhindern. „Bis dahin haben wir aber ein bisschen mehr Luft“, so Kollaritsch, der auch Mitglied des Nationalen Impfgremiums ist. Die derzeitige Omikron-Welle könne die Impfpflicht ohnehin nicht mehr beeinflussen. Danach käme aber automatisch der „Saisonbonus“ zum Tragen, der auch durch eine höhere Immunität in der Bevölkerung verstärkt werde.

Regierung weicht von Zeitplan nicht ab

Im Gesundheitsministerium gab man sich unbeirrt. Ein erster Abgleich der Impfdaten mit dem Melderegister sei im Gesetzesentwurf am 15. März vorgesehen. Sollte aus den Stellungnahmen im Begutachtungsprozess hervorgehen, dass aus technischen Gründen eine Änderung im Fristenlauf benötigt werde, werde das „selbstverständlich berücksichtigt“. Das ändert aber nichts am Inkrafttreten der Impfpflicht mit Februar.

Darauf beharrte am Montag auch ÖVP-Klubchef August Wöginger. Es sei natürlich erforderlich, die Zehntausenden Stellungnahmen „zu sichten und, wenn notwendig, sie auch miteinfließen zu lassen". Aber „grundsätzlich wollen wir am Termin Anfang Februar festhalten“.

Denn laut den Experten der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) sei klar, dass die dritte Impfung auch bei der Omikron-Variante zu 90 Prozent vor einem Spitalsaufenthalt schütze, und die zweite Impfung zu über 70 Prozent, sagte Wöginger. Auf den Intensivstationen lägen zu 80 Prozent ungeimpfte Menschen, die anderen 20 Prozent hätten schwerste Vorerkrankungen. Der Schutz durch die Impfung sei also in einem sehr großen Ausmaß gewährleistet.

SPÖ präsentiert sich gespalten

Weniger überzeugt von einer raschen Umsetzung zeigen sich zunehmend die SPÖ-Chefs in den Bundesländern: Nach Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil stiegen nun auch die Landeschefs von Tirol und Salzburg, Georg Dornauer und David Egger, bei der Impfpflicht auf die Bremse. Die Rede war von „handwerklichem Pfusch“ und einer „zahnlosen Regelung“ – mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Klar für die Impfpflicht hatte sich hingegen wiederholt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ausgesprochen.

Die Unterstützung für die Impfpflicht bröckelt

Am Montag endet die Begutachtungsfrist für das Impfpflichtgesetz. Zuletzt kam dagegen auch Kritik von politischer Seite auf.

Bei der ÖVP sorgte das am Montag für Hohn: „Rendi-Wagner sagt etwas, Doskozil widerspricht“, ortete Klubchef Wöginger „wieder einmal die typische Uneinigkeit in der Sozialdemokratie“. Auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl hatte sich in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ am Sonntagabend zumindest für eine Verschiebung der Impfpflicht ausgesprochen. Ihr fehle eine große Kampagne, bevor die Maßnahme in Kraft trete, müssten alle Bevölkerungsgruppen ausreichend informiert und Anreize gesetzt werden.