Neurologe fordert Aufklärungskampagne zu „Long Covid“

Der Wiener Neurologe und „Long Covid“-Spezialist Michael Stingl fordert von der Politik mehr Aufklärung über die teils schweren Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion.

Es müsse klargemacht werden, dass man auch bei einer symptomlosen oder harmlos verlaufenden Infektion „Long Covid“ entwickeln könne, auch junge Patienten, sagte er zur APA.

Es brauche eine „Aufklärungskampagne“ sowohl in der Bevölkerung als auch in der Ärzteschaft, so Stingl. Die Erkrankung sei in der Diagnose schwierig. In den Symptomen entspreche sie weitgehend der – ebenfalls in der breiten Öffentlichkeit eher unbekannten – Myalgischen Enzephalomyelitis (ME), auch Chronisches Fatigue-Syndrom (CFS) oder ME/CFS genannt.

„Grauslich chronisch krank“

Die Symptome seien teils gravierend und könnten auch zu schweren Einschränkungen der Lebensqualität sowie zur Arbeitsunfähigkeit führen. Stingl sprach vom „‚vierten G‘: grauslich chronisch krank“.

Bisher vermisse er seitens der Politik eine deutliche Botschaft an die Bevölkerung, dass eine Coronavirus-Infektion überhaupt zu „Long Covid“ führen könne, sagte Stingl. Auch sei es „etwas irritierend, mit welcher Selbstsicherheit behauptet wurde, dass die Impfung Long Covid verhindern wird“. Denn laut aktueller Forschungslage werde dadurch nur das Risiko reduziert.

Auch verwies der Mediziner darauf, dass die aktuelle Forschung davon ausgeht, dass bei etwa zehn Prozent der CoV-Infektionen „Long Covid“ als Folgeerkrankung auftritt – eine Zahl, die zuletzt auch Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) neuerlich genannt hat. Laut Stingl würde ein Teil davon für mehrere Monate Probleme haben, „bei vielen wird es auch wieder besser werden“, bei manchen aber gar nicht mehr.

Ruf nach besserer Versorgung

Gefordert sieht Stingl die Politik auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung der Betroffenen. Zwar wurde seitens der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) eine Diagnoseleitlinie erstellt, diese sei aber vor allem bei den Hausärzten noch zu wenig bekannt. Auch brauche es „spezialisierte Zentren“, das müsse größer aufgebaut werden. Nötig seien „vernünftige interdisziplinäre Ambulanzen und nicht nur Stückwerk“.

Im Gesundheitsministerium signalisierte man auf APA-Anfrage Bewusstsein für die Problematik. „In diesem Bereich passiert gerade einiges. Uns muss klar sein, dass wir vieles über diese heimtückische Krankheit noch nicht wissen, aber wir lernen laufend dazu“, sagte Mückstein in einem schriftlichen Statement zur APA.

„Die Long-Covid-Symptomatik ist sehr heterogen und weist unterschiedliche Schweregrade auf. In der Literatur werden über 200 Symptome beschrieben. Somit ist es zielführend, jede betroffene Person entsprechend ihrer individuellen Symptomatik und ihres Behandlungsbedarfs stationär oder ambulant zu betreuen.“