„Vernichten“: Houellebecq zwischen Thriller und Romantik

Mit „Vernichten“ erscheint heute der achte Roman des französischen Skandalautors Michel Houellebecq auf Deutsch. Der Roman wurde erst kurz vorher angekündigt, was Spekulationen über den Inhalt auslöste. Das Original ist am 7. Jänner erschienen und damit genau sieben Jahre nach „Unterwerfung“, einem Roman, in dem Houellebecq die Einführung der Scharia in Frankreich im Jahr 2022 als Zukunftsszenario entwarf.

Der franzöische Schriftsteller Michel Houellebecq im April 2019
APA/AFP/Lionel Bonaventure

Am Tag des Erscheinens von „Unterwerfung“ wurde ein islamistisch motivierter Terroranschlag auf die Redaktion des Pariser Nachrichtenmagzins „Charlie Hebdo“ verübt, das sein Cover Houellebecqs Roman gewidmet hatte. In „Vernichten“ wagt der Romancier erneut einen Blick in die Zukunft. Am Ende des Jahres 2026 taucht im Internet ein gefälschtes Video auf, in dem der französische Wirtschaftsminister Bruno Juges enthauptet wird.

Die Handlung kreist um den Büroleiter des Ministers Paul Raison, der neben dem Rätsel um das Video, dem mysteriöse internationale Sabotageakte folgen, mit privaten Problemen zu kämpfen hat. Was Houellebecq hier als politischen Thriller beginnt, wird bald zu einem Gesellschaftsroman, der, wie häufig, die Nöte von Figuren der oberen Mittelschicht in der von Konsum geprägten Gegenwart und nahen Zukunft, ausleuchtet.

Michel Houellebecqs neue Gegenwartsdiagnose

Späte Romantik

Während Bruno Juges als zweiter Mann neben einem Fernsehstar im Wahlkampf um das Präsidentenamt des Jahres 2027 eingespannt ist, nähert sich Paul nach dem Schlaganfall seines Vaters seinen entfremdeten Geschwistern wieder an und lässt die zerrüttete Ehe mit seiner Frau Prudence wieder aufleben.

Der Handlungsstrang rund um die Sabotageakte verschwindet zugunsten einer, für den Provokateur Houellebecq ungewöhnlichen, nahezu romantischen Schilderung eines späten Eheglücks, auch wenn Paul im Lauf der Handlung schwer erkrankt.

Spekulationen über Karriereende

Für Spekulationen sorgt seit dem Erscheinen in Frankreich ein Satz in der Danksagung am Ende des Buches. Darin heißt es: „Ich bin glücklicherweise gerade zu einer positiven Erkenntnis gelangt; für mich ist es Zeit aufzuhören.“ Ob sich dahinter wirklich die Ankündigung des Karriereendes verbirgt, ist angesichts der häufig schillernden und widersprüchlichen Aussagen des Autors unklar.