Autos auf Parkplatz und Straße im Wald
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Klimarat nimmt Arbeit auf

Bürgerinnen und Bürger beraten Politik

„Wie wollen wir uns in Zukunft fortbewegen? Woher beziehen wir unsere Energie? Wie werden wir uns in Zukunft ernähren, um den Planeten zu schützen?“ Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich ab dem Wochenende der österreichische Klimarat. 100 Menschen wurden dafür nach Zufallsprinzip ausgewählt und sollen unterstützt von einem Wissenschaftsgremium Vorschläge erarbeiten, die dann – im Idealfall – von der Politik aufgegriffen und umgesetzt werden.

Die Mitglieder des Klimarates „werden ihre Alltagserfahrungen und ihre besonderen Herausforderungen im Klimaschutz nutzen und gemeinsam Empfehlungen für ein klimagesundes Österreich erarbeiten“, so Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. „Die Klimakrise betrifft uns alle, und ich bin überzeugt davon, dass wir sie gemeinsam lösen können. Ich freue mich schon auf die Ergebnisse des Klimarates.“

Die von der Statistik Austria ausgewählten Bürgerinnen und Bürger spiegeln die österreichische Bevölkerung wider, was Wohnort, Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen anlangt. Sie sind zwischen 17 und 79 Jahre alt und haben ihren Hauptwohnsitz seit mindestens fünf Jahren in Österreich. Laut Gewessler wurde besonders darauf geachtet, dass nicht nur Personen im Klimarat vertreten sind, die in der Klimafrage besonders engagiert sind.

Statement von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne)

Zentrale Forderung des Klimaschutzvolksbegehrens

Der Klimarat war eine der zentralen Forderungen des Klimaschutzvolksbegehrens, die im März 2021 von der Politik aufgegriffen und in eine umfangreiche Entschließung des Nationalrats aufgenommen wurde. Der ursprüngliche Start für das Gremium wäre im November vorgesehen gewesen, wurde jedoch pandemiebedingt verschoben.

„In Ländern wie Frankreich oder Irland hat sich gezeigt, dass die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger oft sehr mutig sind und weiter gehen als die Politik“, so Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, bei der Pressekonferenz. Die Arbeit des Rates müsse deshalb politisch unbeeinflusst und transparent passieren.

„Der Erfolg des Klimarats wird sich jedoch vor allem daran messen, ob die erarbeiteten Maßnahmen Eingang in den politischen Prozess finden und von Regierung und Parlament ernst genommen werden. Keinesfalls darf der Klimarat als politische PR-Aktion verwendet werden – das müssen Zivilbevölkerung und Medien sicherstellen“, so Rogenhofer.

Statement von Katharina Rogenhofer (Bundessprecherin des Klimavolksbegehrens)

Wissenschaftliches Fachwissen als Entscheidungshilfe

Ein 15-köpfiges wissenschaftliches Team soll den Klimarat beratend unterstützen. Klimaforscher Georg Kaser, gemeinsam mit Umweltökonomin Birgit Bednar-Friedl für die Auswahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuständig, ist überzeugt davon, dass der Klimarat ein starkes demokratisches Instrument sei: „Bei derart großen gesellschaftlichen Veränderungen, wie es der Kampf gegen die Klimakrise verlangt, ist es notwendig, dass diese von der Bevölkerung mitgetragen werden.“

Da im Klimarat sicher unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen würden, solle die Wissenschaft ihr Fachwissen bei ihrer Konsens- und Entscheidungsfindung mithelfen.

Statement von Klimaforscher Georg Kaser (Uni Innsbruck)

Nach dem ersten Treffen am Wochenende sind weitere Termine für Februar, März, April, Mai und Juni geplant. Die Gespräche werden abwechselnd in Wien und Salzburg stattfinden und von einem Moderationsteam geleitet.

Bürgermeister glauben an Nutzen von Bürgerbeteiligung

Über positive Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung berichteten bei der Pressekonferenz auch die niederösterreichischen Bürgermeister von Tulln, Peter Eisenschenk (ÖVP), und Ober-Grafendorf, Rainer Handlfinger (SPÖ). „Die Klimakrise kennt keine Parteigrenzen. Und ihre Bekämpfung lässt sich auch nicht von oben verordnen“, so Eisenschrenk. „Das erleben wir in Tulln jeden Tag. Tulln wird seine Klimaziele 2025 erreichen. Doch ohne das Verständnis und die Unterstützung der Bevölkerung wäre das unvorstellbar.“

Handlfinger hat für seine Gemeinde den Klimanotstand ausgerufen: „Unsere Region leidet immer häufiger unter Unwettern mit Regenmengen, die man eigentlich bei der Apokalypse erwarten würde. Und viele sagen dann: Wir müssen was tun! Ich beobachte immer öfter, dass die Gesellschaft schon weiter ist als die Politik. Daher bin ich froh darüber, dass im Klimarat jetzt die Bevölkerung vorangeht.“

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler , Georg Kaser (Klimaforscher Uni Innsbruck) und Co-Leiter des wissenschaftlichen Beirates des Klimarates, Katharina Rogenhofer, Initiatorin des Klimavolksbegehrens, Peter Eisenschenk, Bürgermeister Tulln sowie Rainer Handlfinger, Bürgermeister Ober-Grafendorf bei einer Pressekonferenz
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Es gelte, Österreich nicht nur klimaneutral, sondern auch klimagesund zu machen, hieß es bei der Pressekonferenz am Dienstag

„Wichtiger Schritt für Klimapolitik“

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte die neue Initiative. „Die Klimakrise betrifft uns alle. Umso wichtiger ist es, dass BürgerInnen bei der Lösungsfindung eingebunden werden“, so Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich, in einer Aussendung. „Damit die Empfehlungen des Klimarats am Ende nicht im Sand verlaufen, muss die Regierung die Umsetzung ernsthaft und rasch vorantreiben. Transparenz ist dabei ein Schlüsselfaktor: Von der Zusammenstellung des Rats über die Empfehlungen bis hin zur Umsetzung durch die Politik muss die Öffentlichkeit den Prozess verfolgen können.“

TV-Hinweis

ORF2 berichtet im Magazin „Report“ am Dienstag um 21.07 Uhr über den neuen Klimarat.

Auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 sieht den Start des Klimarates der Bürgerinnen und Bürger positiv: „Das ist eine große Chance, in viele verfahrene Diskussionen wieder neuen Schwung zu bekommen. Nur mit mutigen Schritten können wir einen Ausweg aus der Klimakrise finden“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000. „Mutige Klimapolitik ist die Antwort auf die Klimakrise, nicht Angststarre. In diesem Sinne ist es wichtig, dass die Bundesregierung schon vorab klar signalisiert, dass die Ergebnisse ernst genommen und in die Ausarbeitung von Gesetzen einfließen werden.“

NEOS erfreut, FPÖ ablehnend

Überaus erfreut zeigte sich NEOS-Klima- und -Umweltsprecher Michael Bernhard über die Umsetzung des Klimarats: „Im Rahmen des Klimahearings im Parlament vor einem Jahr haben wir NEOS jenen konkreten Vorschlag eingebracht. Daher freut es uns natürlich sehr, dass diese Initiative von der Regierung aufgegriffen wurde." Wichtig sei, so Bernhard, dass der Klimarat kein „stummes Scheingremium“ werden dürfe. Seine Empfehlungen müssten ernst genommen und berücksichtigt werden.

Die Einrichtung eines „Schattenkabinetts“ ortete dagegen die FPÖ. „Ohne jegliche demokratische Legitimation“ solle das Gremium weitreichende Empfehlungen abgeben, so der freiheitliche Umweltsprecher Walter Rauch. „Es ist damit zu rechnen, dass der Klimarat Empfehlungen für neue Belastungspakete, Teuerungen, bürokratische Hürden und Verbote abgeben wird“, erklärte er in der Aussendung weiter und forderte, „echte Mitbestimmung durch direkt demokratische Abstimmungen, an denen die gesamte Bevölkerung teilnehmen darf, zu ermöglichen“.

SPÖ erinnert an Klimaschutzgesetz

Der Start des Klimarats sei „ein erfreulicher Schritt“, so SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr. Noch fehle aber die rechtliche Grundlage in Form des Klimaschutzgesetzes. „Ministerin Gewessler vertröstet beim Klimaschutzgesetz immer auf die nächsten Monate, doch mittlerweile ist 2022, und es gibt noch immer nichts“, kritisiert Herr. Sie verwies darauf, dass das Klimaschutzgesetz vermutlich eine Zweidrittelmaterie sei und daher die frühe Einbindung der Oppositionsparteien dringend nötig wäre, damit es nicht zu noch weiteren Verzögerungen komme. Beim Klimarat drängt die Abgeordnete auf Transparenz und Öffentlichkeit.