Demonstration am Rande der Klimakonferenz in Glasgow
Reuters/Russell Cheyne
PR-Firmen

Nächste Front im Kampf für Klimaschutz

Die Öl- und Kohlekonzerne sowie andere Industrien, die die Umwelt verschmutzen, haben es seit jeher verstanden, ihre Interessen in der Politik ausgesprochen nachhaltig zu vertreten – oft gilt dabei: Je weniger nachhaltig der Firmenzweck, desto nachhaltiger die Lobbyarbeit. Für PR- und Consulting-Unternehmen ist das ein Riesengeschäft. Umweltaktivistinnen und -aktivisten nehmen aber nun zunehmend die Werbeindustrie ins Visier. Diese spürt den ungewohnten Gegenwind bereits.

Insbesondere die Öl-, Bergbau-, Auto- und Plastikindustrie sowie die Luft- und Schifffahrtsbranche stehen in den letzten Jahren angesichts der nicht mehr negierbaren Klimakrise zunehmend als Zerstörer von Umwelt und Mitverantwortliche für die Klimaerwärmung am Pranger. Der Druck ist mittlerweile relativ hoch, und zumindest ein Bekenntnis zu einer Klimastrategie ist mittlerweile unabdinglich.

Gerade diese Industrien beschäftigen seit vielen Jahren PR- und Consulting-Firmen, um für sie in der Politik zu lobbyieren und mit Medienarbeit und Werbung für ein positives Image zu sorgen. Damit wurden und werden – oft nachweislich wider besseres Wissen – erfolgreich höhere Umweltauflagen zugunsten des eigenen Profits bekämpft. Und mittlerweile ist es eine ebenso zentrale wie einträgliche Aufgabe von PR-Agenturen, ihren Kunden ein „grünes“ Image zu verpassen.

Greenwashing

Der Begriff bezeichnet PR-Aktivitäten, mit deren Hilfe Unternehmen klima- und umweltfreundlicher dargestellt werden, als sie tatsächlich sind.

„Emissionsintensive Kunden“

Nun machen Aktivistengruppen wie Brandalism, Badvertising und vor allem Climate Capital vermehrt gegen genau jene Beratungs- und Werbefirmen und deren Praktiken mobil und versuchen, den Druck auf sie zu erhöhen. Durchaus mit ersten Erfolgen.

Zuletzt verpasste sich laut „Financial Times“ („FT“) etwa der globale PR-Gigant Edelman neue Richtlinien für die Arbeit für „emissionsintensive“ Kunden. Laut dem britischen Finanzblatt machte die Arbeit für ExxonMobil und andere Ölkonzerne Edelman zur weltgrößten PR-Gruppe. Eine interne Überprüfung habe zwar „null Beispiele von Fehlern bei den Fakten“ ergeben, betonte Firmenchef Richard Edelman gegenüber er „FT“. Man habe aber sehr wohl „Mangel an Kontext“ gefunden, räumte Edelman ein, ohne näher zu erklären, was er damit meint.

Werde man sich bezüglich Klimaschutzengagements bei bestimmten Firmen nicht einigen können, „werden wir uns von diesen trennen“, kündigte Edelman an. Das ist laut „FT“ bisher freilich nicht passiert.

Demonstration am Rande der Klimakonferenz in Glasgow
Reuters/Russell Cheyne
Demo gegen Greenwashing am Rande der UNO-Klimakonferenz 2021 in Glasgow

„F-List“: Das Gegenteil von Renommee

Alleine dass der Branchenriese auf die Vorwürfe reagiert, zeigt aber, dass hier etwas in Bewegung kommt. Edelman befindet sich mit anderen Branchengrößen auf einer Liste von PR-Firmen. Erstellt wurde diese „F-List“ von der Aktivistengruppe Clean Creatives und sie wirft den 90 Aufgelisteten vor, der fossilen Industrie beim Greenwashing zu helfen. Mehr als 200 kleinere Agenturen haben sich gegenüber Clean Creatives dagegen bereits verpflichtet, nicht mehr für Kohle-, Öl- oder Gasunternehmen zu arbeiten. Auf der Website von Clean Creatives können sich zudem Unternehmen verpflichten, keine Beratungs- oder PR-Unternehmen mehr zu engagieren, die auf der schwarzen Liste stehen.

Clean Creatives ist auch in der EU und Großbritannien aktiv. Clean Creatives habe er auch deshalb gestartet, so sein Gründer Jamie Henn gegenüber dem „Guardian“, weil man bei jeder Klimakampagne sofort mit einer millionenschweren Gegenkampagne inklusive Fake-Studien zu negativen Folgen eines Ausstiegs aus der fossilen Industrie für die Wirtschaft konfrontiert gewesen sei. In Australien wiederum macht die Kampagne „Comms Declare“ Druck auf Kommunikationsfirmen, ihre nächsten Kunden „mit Blick auf das Klima“ zu wählen.

Taktik ausgeweitet

Die Taktik ist bekannt: Umweltgruppen nehmen in den letzten Jahren zunehmend Banken und Investmentfonds ins Visier, die durch Öffentlichmachen ihrer einschlägigen Tätigkeiten dazu gebracht werden sollen, die Finanzierung von umweltverschmutzenden Unternehmen einzustellen. Genauso sollen PR-Agenturen nun dazu gebracht werden, die Werbung und das Lobbying für ebendiese Unternehmen zu stoppen. Die Rolle von PR-Agenturen, die fossile Industrie am Leben zu erhalten, sei von Umwelt-NGOs lange nicht gesehen worden, so die Aktivistin Katharine Wilkinson zur „FT“. Das soll sich nun ändern. Auf dem UNO-Klimagipfel (COP26) im Herbst in Glasgow wurde die Rolle der PR-Firmen in der Klimakrise bei Demos wiederholt thematisiert.

Mit der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien verdient die PR-Branche seit Jahren viel Geld. Und sie argumentiert teils damit, sie würde mit ihrer Arbeit den Wandel in einem Unternehmen beschleunigen, und nur mit der Ölindustrie könne man die CO2-Reduktion schaffen. Klimagruppen widersprechen dem freilich vehement. Dazu kommt zunehmender politischer Druck, etwa durch eine Untersuchungskommission im US-Kongress.

Demonstration am Rande der Klimakonferenz in Glasgow
Reuters/Yves Herman
Mit starken Bildern wollen Aktivisten die Lobbyarbeit für die Ölindustrie unterlaufen

Jugend und TikTok als Risikofaktoren

Die PR-Agentur WPP bezeichnete die Betreuung von die Umwelt belastenden Kunden und die falsche Darstellung von Umweltaktivitäten als „wachsendes Risiko“ für den Ruf von PR-Unternehmen. Kein Wunder, denn die Einstellung junger, gebildeter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist mehr als eindeutig. Viele von ihnen identifizieren sich mit den Zielen von Klimaschutzgruppen wie „Fridays for Future“ und fordern eine klare Haltung dazu auch zusehends von ihrem Arbeitgeber.

Im Vorjahr sorgte etwa ein offener Brief von 1.100 Angestellten des global tätigen Consulting-Unternehmens McKinsley für Wellen: Sie bezeichneten die „Untätigkeit bei oder vielleicht Mithilfe bei“ dem CO2-Ausstoß seiner Kunden als großes Risiko für seinen Ruf und die Chancen, Uniabsolventinnen und -absolventen werben zu können. Auch Duncan Meisel von Clean Creatives sieht das drohende Rekrutierungsproblem als Hebel. Süffisant meinte er gegenüber der „FT“: „Ich habe so meine Zweifel, dass irgendeine PR-Firma ohne ihre Gen-Z-Mitarbeiter wüsste, wie man eine TikTok-Kampagne macht.“