Luftaufnahme des in Bau befindlichen Wasserkraftwerks Karuma im Bezirk Kiryandongo in Uganda
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Schuldenberge

Kurswechsel in Chinas Afrikapolitik

In China zeichnen sich derzeit auf vielen Fronten fundamentale Umwälzungen ab. Das scheint auch für Chinas Rolle in Afrika zu gelten, wo sich Peking in den letzten Jahren mittels billiger Kredite und Großprojekten politischen Einfluss gesichert hat. Doch eine Wende scheint sich abzuzeichnen – nicht zuletzt, weil die Geldnehmer zunehmend mit der Rückzahlung ihrer angehäuften Schulden kämpfen.

China verleiht bekanntlich seit rund 20 Jahren im großen Stil und mit lockeren Konditionen Geld an afrikanische Staaten. Rund 20 Prozent der Entwicklungskredite des Kontinents stammen von chinesischen Geldgebern, deren Höhe beläuft sich mittlerweile laut Daten der China Africa Research Initiative der Universität Boston auf rund 153 Milliarden Dollar (133 Mrd. Euro).

Dieses Geld steckt in zahlreichen Großprojekten Afrikas, die vielfach auch von chinesischen Firmen gebaut wurden – angefangen von der Bahnstrecke zwischen Mombasa und Nairobi in Kenia bis zur Brücke Maputo–Katembe in Südmosambik, der größten Hängebrücke Afrikas. Der Großteil floss in den Aufbau von Infrastruktur, gefolgt von Energie- und Bergbauprojekten. Einen Höchststand erreichten die Investitionen im Jahr 2016 mit 29,5 Milliarden Dollar (25,8 Mrd. Euro). Vielfach stehen die Projekte im Zusammenhang mit dem Aufbau der „Belt and Road“-Initiative.

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Luftansicht der National Wrestling Arena in Dakar, Senegal
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Luftansicht der National Wrestling Arena in Dakar, Senegal
Luftansicht der Solar Power Farm in Garissa, Kenya
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Luftansicht der Solar Power Farm in Garissa, Kenya
Kinder spielen am Strand vor der Katembe-Brücke in Maputo
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Kinder spielen am Strand vor der Katembe-Brücke in Maputo
Ein Zug kommt am Bahnhof von Nairobi an
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Ein Zug kommt am Bahnhof von Nairobi an
Bauarbeiten für den Nairobi Expressway in Nairobi
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Bauarbeiten für den Nairobi Expressway in Nairobi
Zwei Personen blicken auf den Merowe-Damm im Sudan
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Zwei Personen blicken auf den Merowe-Damm im Sudan
Innenansicht des Kintele Stadium in Brazzavile
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Innenansicht des Kintele Stadium in Brazzavile

Doch angehäufte Schuldenberge – nicht nur bei China – lasten schwer auf mehreren afrikanischen Staaten. Die Pandemie und ihre Folgen für die Wirtschaft befeuern die Krise. Sambia erklärte sich bereits im November des Vorjahres für zahlungsunfähig, auch andere Länder hadern trotz Stundungen und Erlässen mit ihren Krediten und müssen Umschuldungsverhandlungen mit ihren internationalen Gläubigern ins Auge nehmen.

Handel statt Großprojekte

Vor dieser wachsenden Unsicherheit scheint China zunehmend die Schrauben bei Vergabe und Rückzahlung von Krediten anzuziehen, wie zuletzt etwa „Financial Time“ und „Wall Street Journal“ berichteten. Schon im Jahr 2019 ging die Kreditvergabe auf 7,6 Milliarden Dollar (6,6 Mrd. Euro) zurück, gefolgt von einer Vollbremsung während der Pandemie – und auch in Zukunft dürfte China eher einen zurückhaltenden Kurs verfolgen.

Chinas Staatschef Xi Jinping deutete zuletzt im November bei dem afrikanisch-chinesischen Wirtschaftsforum FOCAC im Sudan nicht nur ein insgesamt mäßigeres Engagement am afrikanischen Kontinent, sondern auch eine Abkehr von den Großinvestitionen im Infrastrukturbereich an. Stattdessen wolle man verstärkt in den Handel, „grüne“ Projekte und kleinteilige strukturierte Unternehmungen investieren.

Gleichzeitig dürfte man auf politischer Ebene weiter enge Beziehungen anstreben. Entsprechendes signalisierte Außenminister Wang Yi, der kürzlich Eritrea, Kenia und die Komoren besuchte. Dabei kündigte er unter anderem die Ernennung eines chinesischen Sonderbotschafters für das Horn von Afrika an, der bei der Lösung der Konflikte in der Region helfen soll.

Probleme im eigenen Haus

Die Wende sei fraglos eine Folge der drohenden Kreditausfälle und der fehlenden Rentabilität, so der US-Thinktank Brookings. Immerhin kämpft China auch im eigenen Haus mit zahlreichen wirtschaftspolitischen Problemen, angefangen von der Pandemie und ihren Folgen, der starken Exportabhängigkeit bis hin zur Krise auf dem instabilen Immobilienmarkt, Stichwort Evergrande.

Andererseits könnte der Rückzug eine Folge des Stigmas von Chinas Kreditvergabe als „Politik der Schuldenfalle“ sein, so Brookings. Dieser Vorwurf ist nicht unumstritten, wird aber immer wieder international geäußert und sorgt auch in den verschuldeten Staaten für intensive politische Auseinandersetzungen.

Wirbel um Flughafen

Zuletzt war das etwa in Uganda der Fall, das mit 200 Millionen Dollar aus China den Flughafen Entebe bei Kampala ausgebaut hatte. Die Enthüllung lange unbekannter Details aus dem Kreditvertrag mit China sorgte dort im Dezember für heftige Debatten. Aufregung verursachten mehrere Klauseln, darunter eine, der zufolge China via Treuhandkonstrukt bei einer chinesischen Bank vollen Einblick in die Finanzen des Flughafens bekommt und Budgets absegnen muss – bei einem staatlichen Projekt ein ungewöhnliches Vorgehen.

Eingang des Entebbe International Airport
APA/AFP/Katumba Badru Sultan
Der Flughafen Entebbe nahe Ugandas Hauptstadt Kampala wurde zuletzt zum Politikum

Es entbrannten intensive Debatten über mangelnde Transparenz und fragwürdige Bedingungen bei chinesischen Krediten. Ugandas Finanzminister Matia Kasaija bezeichnete den Passus vor dem Parlament als falsch, bei den Kreditverhandlungen habe aber das Prinzip „friss oder stirb“ gegolten. Schließlich tauchten gar Befürchtungen auf, dass China bei substanziellen Zahlungsproblemen den Flughafen „beschlagnahmen“ könnte.

Sowohl China als auch Uganda dementierten das vehement, und es gibt keine Anzeichen dafür. Die Angst ist bei den betroffenen Staaten aber verbreitet. Erst im März gab es in Kenia ähnliche Warnungen zum ebenfalls mit chinesischem Geld gebauten Hafen von Mombasa. Daraufhin musste die Regierung auf öffentlichen Druck hin klarstellen, dass der Hafen auch dann nicht von China beschlagnahmt werde, wenn man die Schulden nicht rechtzeitig zurückzahlen könne. Ohnehin gibt es in Kenia intensive Debatten über vermeintliche Abhängigkeit von chinesischem Geld und über die Konsequenzen eines Zahlungsausfalls für die Bevölkerung.

Ablaufdatum für Rückzug möglich

Vor dem Hintergrund der Rückzahlungskrise, derartiger Debatten und vor allem der Unsicherheit der Pandemie entferne sich Peking sichtlich von dem auf Infrastruktur und Kreditvergabe zentrierten Zugang in der Afrikapolitik, so der US-Thinktank Brookings. Weniger klar sei aber, was nachkommen soll: „Handel, vor allem die Förderung afrikanischer Exporte nach China, scheint zentral zu sein. Aber es ist schwer vorstellbar, dass nur Handel den großen Platz einnehmen soll, den infrastrukturelle Entwicklungen in der Beziehung zwischen China und Afrika einnehmen.“ Es sei nicht auszuschließen, dass man nach der Pandemie wieder andere Wege gehe. Denn klar ist, dass der finanzielle Einsatz China politisches Kapital sichert.