NATO-Russland-Rat in Brüssel mit Überraschung begonnen

Vertreterinnen und Vertreter der 30 NATO-Staaten und Russlands sind heute in Brüssel zu Gesprächen über den Ukraine-Konflikt zusammengekommen. Der Auftakt scheint jedoch nicht wie geplant verlaufen zu sein.

Laut „Politico“ tauchte in Brüssel nämlich ein Überraschungsgast auf: der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko. „Der Oligarch crasht die Brüssel-Party“, so „Politico“. Vermutet wird, dass er den Russland-Rat zum Anlass nehme, um gegen seine bevorstehende Verhaftung Stimmung zu machen – eine „höchst unerwünschte Ablenkung“ von den eigentlichen Zielen des Rats, wie das Portal weiter schreibt.

Gegen Poroschenko laufen Ermittlungen wegen Hochverrats im Zusammenhang mit Geschäften mit prorussischen Separatisten in der Ostukraine. Im Raum stehe der Vorwurf, Poroschenko habe terroristischen Vereinigungen Beihilfe geleistet. Involviert gewesen seien auch Spitzenvertreter Russlands. Poroschenko wies die Vorwürfe zurück.

Geringe Erwartungen

Es ist das erste Mal seit rund zwei Jahren, dass beide Seiten in diesem Format Gespräche führen – die Postionen sind jedoch festgefahren, die Erwartungen dementsprechend gering. Während der Westen einen Abzug der rund 100.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine fordert, verlangt Russland die Zusicherung, dass die NATO Truppen und Waffen in Europa abbaut und sich nicht weiter nach Osten ausdehnt.

Für die russische Regierung nehmen unter anderen Vizeaußenminister Alexander Gruschko und der stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Fomin an dem Treffen im NATO-Hauptquartier teil. Die NATO-Staaten werden von ihren Botschaftern beim Militärbündnis oder von Vertretern aus den Hauptstädten repräsentiert. Für die USA ist Vizeaußenministerin Wendy Sherman dabei.

„Tiefgründige Unterhaltung“

Es gehe um eine „tiefgründige Unterhaltung“ über Schlüsselfragen der europäischen Sicherheit, sagte Gruschko vor Beginn des Treffens. In Russland habe sich in den vergangenen Jahren Misstrauen gegenüber dem „friedliebenden Charakter“ der NATO angestaut, meinte er. Eine feste Tagesordnung für das Gespräch gebe es aber nicht.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte zum Auftakt der Gespräche: „In Zeiten starker Spannungen ist es noch einmal wichtiger, dass wir uns an einen Tisch setzen und unsere Sorgen thematisieren.“ Die Gelegenheit zum Dialog komme in einem kritischen Augenblick für die europäische Sicherheit.

Die Rolle der EU

Bereits am Montag gab es ein Krisentrreffen zwischen Russland und den USA. Die EU bekam dabei jedoch keinen Platz am Tisch. Dem Sicherheitsexperten Sven Biscop vom Brüsseler Egmont-Institut zufolge gebe das Hinweise darauf, dass die EU als strategischer Akteur nicht ernst genommen werde, „weil wir in Diplomatie und Verteidigung selten mit einer Stimme sprechen“.

Zwar sei die EU vor allem im wirtschaftlichen Bereich eine „geopolitische Weltmacht“, doch es fehle an schnellen, zentralisierten Entscheidungen – gerade in Krisenzeiten.

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