Der britische Premierminister Boris Johnson
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Gartenparty-Affäre

Namhafte Torys revoltieren gegen Johnson

„Von Herzen“ hat sich der britische Premier Boris Johnson am Mittwoch für den Besuch einer Gartenparty am Regierungssitz in der Downing Street während des Lockdowns im Mai 2020 entschuldigt. Die Opposition schäumt. Allerdings mehren sich auch bei den Torys, Johnsons eigener Partei, die Rufe nach seinem Rücktritt.

Während sich die amtierende Ministerriege noch weitgehend hinter Johnson stellte, blieben einige Tory-Abgeordnete weniger ruhig. Der Abgeordnete Roger Gale, William Wragg, einer der ranghöchsten Hinterbänkler der Konservativen, und Douglas Ross, der Tory-Parteivorsitzende in Schottland, forderten Johnson öffentlich zum Rücktritt auf, berichtete der „Guardian“. Die Parteikollegen seien „ehrlich gesagt erschöpft davon, etwas zu verteidigen, was unentschuldbar ist“, sagte Wragg. Johnson sei „unhaltbar“.

Wenig Verständnis zeigte auch der hochrangige schottische Tory Ross: „Er ist der Premierminister, es ist seine Regierung, die diese Regeln eingeführt hat, und er muss für sein Handeln zur Rechenschaft gezwungen werden.“ Einen Schaden für die Partei, sollte Johnson nicht zurücktreten, sieht auch die Tory-Abgeordnete und ehemalige Ministerin Caroline Nokes.

Misstrauensvotum steht im Raum

„Wir wissen nun, dass der Premierminister 25 Minuten bei etwas verbracht hat, das eindeutig eine Party war. Das bedeutet, dass er das Parlament getäuscht hat“, sagte Gale am Mittwoch der BBC. Johnson sei ein „dead man walking“, ein Premier auf Abruf.

Der britische Parlamentsabgeordnete Sir Roger Gale
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Für den Tory-Abgeordneten Roger Gale ist Johnson ein Premier auf Abruf

Diskutiert wurde unter den Abgeordneten auch, Stimmen mit der Forderung nach einem Misstrauensvotum gegen Johnson zu sammeln. Die notwendige Schwelle liegt bei 54. Berichten zufolge sind bisher etwa 25 Briefe dazu eingegangen. Irritationen verursachte bei den Abgeordneten auch, dass Johnson nach seinem Entschuldigungsauftritt im Unterhaus weniger zerknirscht wirkte als in der Öffentlichkeit.

Kabinett steht hinter Johnson

Im Kabinett gab es noch Unterstützung für den Premier. Johnson habe sich zu Recht entschuldigt, „da die Menschen verletzt und wütend über das Geschehene“ seien, hieß es etwa von Kulturministerin Nadine Dorries. Nun müsse man auf die Ergebnisse der Untersuchung der leitenden Beamtin Sue Gray warten. Das kann ein, zwei Wochen dauern.

Ruhig blieben hingegen Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss, die als wahrscheinlichste Nachfolger von Johnson gehandelt werden. Sunak blieb der Fragestunde im Parlament fern und meldete sich erst am Abend auf Twitter, dass er den ganzen Tag in Meetings und an der Joboffensive gearbeitet habe. Auch er begrüßte die Entschuldigung Johnsons, zugleich unterstütze er „die Bitte um Geduld“, während die Untersuchung durchgeführt werde. Auch Truss meldete sich am späteren Abend: Sie stehe „zu 100 Prozent“ hinter Johnson.

„Muss die Verantwortung übernehmen“

Johnson gestand bei seiner Entschuldigungsrede vor den Abgeordneten in London ein, an der Gartenparty etwa 25 Minuten lang teilgenommen zu haben. Zugleich sagte der Konservative, er sei damals von einem Arbeitstreffen gemäß den geltenden Pandemieregeln ausgegangen. „Wir haben manches einfach nicht richtig gemacht, und dafür muss ich die Verantwortung übernehmen“, sagte Johnson im Zuge seiner etwa 45-minütigen Rede im Parlament.

Johnson entschuldigt sich nach Gartenparty

Der britische Premierminister Boris Johnson hat den Besuch einer Gartenparty am Regierungssitz in der Downing Street während des Lockdowns im Mai 2020 zugegeben. Er entschuldigte sich vor den Abgeordneten in London „von Herzen“ und sagte, er übernehme die Verantwortung für die „Fehler“, die gemacht wurden. Die Opposition gab sich damit aber nicht zufrieden und forderte bei einer tumultartigen Sitzung mehrmals lautstark seinen Rücktritt.

Millionen von Britinnen und Briten hätten während des ersten Lockdowns im Jahr 2020 „außergewöhnliche Opfer“ gebracht, so Johnson. Die Enthüllungen über die Gartenparty mit Dutzenden Gästen hatte Johnsons Regierung in den vergangenen Tagen heftig unter Druck gesetzt. Damals befand sich das Land im strikten Lockdown, und selbst Treffen von mehr als zwei Menschen im Freien waren verboten.

Gelächter in Opposition

Die Opposition reagierte mit Gelächter auf die Ausführungen Johnsons: Labour-Chef Keir Starmer forderte Johnson zum Rücktritt auf – er sei ein Mann ohne Scham. „Die Party ist vorbei, Premierminister“, sagte Starmer. Es stelle sich nur die Frage, ob das britische Volk ihn aus dem Amt werfe, seine Partei oder ob er das einzig Anständige tue und zurücktrete.

„Seine Angabe, wonach er nicht gewusst haben will, auf einer Party zu sein, ist so lächerlich, dass es eine Beleidigung für die britische Öffentlichkeit ist“, so Labour-Chef Starmer. Er warf Johnson vor, „wie gedruckt zu lügen“. Auch von Vertretern anderer Oppositionsparteien wie der Schottischen Nationalpartei (SNP) kamen Rücktrittsaufforderungen, die von Johnson allesamt zurückgewiesen wurden – er verwies auf eine entsprechende Frage darauf, dass er das Ergebnis der offiziellen Untersuchungen zur Party abwarten wolle.

Einladung für über hundert Gäste?

Medienberichten zufolge erhielten mehr als hundert Gäste von Johnsons Privatsekretär eine Einladung zu der Gartenparty am 20. Mai 2020, darunter auch der Premierminister und seine heutige Frau Carrie. „Bringt Euren eigenen Alkohol mit“, hieß es in der E-Mail. Rund 40 Regierungsmitarbeiter folgten der Einladung. Der Sprecher Johnsons gab am Mittwoch an, dass der Premier die entsprechende E-Mail nicht gekannt habe.

Die Londoner Polizei hatte am Dienstag erklärt, sie prüfe mögliche Verstöße gegen die Lockdown-Vorschriften am Regierungssitz. Johnsons Regierung war bereits mehrfach wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die selbst verordneten Pandemieregeln in der Öffentlichkeit und auch in den eigenen Reihen schwer in die Kritik geraten.

Infektionsfall in der Familie

Zu allem Überfluss musste Johnson nun auch noch wegen eines Coronavirus-Falls in seiner Familie eine Reise nach Nordengland absagen. „Der Premierminister wird heute nicht mehr nach Lancashire reisen, da ein Familienmitglied positiv auf das Coronavirus getestet wurde“, sagte ein Sprecher von Downing Street am Donnerstag.

Vollständig Geimpfte müssen sich in England nach Kontakt zu einem Infizierten eigentlich nicht mehr isolieren. Es wird jedoch empfohlen, „den engen Kontakt mit Personen außerhalb des Haushalts einzuschränken“. Johnson lebt mit seiner Frau Carrie und seinen beiden kleinen Kindern in einer Wohnung in der Downing Street.