Am Donnerstag warb der „Superminister“ (Grüne) für Wirtschaft und Klimaschutz erneut für die Energiewende und forderte im Bundestag mehr Tempo bei Planungs- und Genehmigungsverfahren ein. Die Zeit, gesteckte Emissionsziele zu erreichen, werde zu knapp, sagte Habeck. Als Beispiel nannte er Genehmigungsverfahren etwa für Windkraftanlagen, die sich bisher über viele Jahre zögen.
Ein Zitat Habecks dazu ging in den letzten Tagen durch die deutschen Medien. Künftig werde es sicher kein Grund mehr sein, ein Windrad mit dem Argument zu verhindern: „Bitte nicht da. Da gehe ich immer spazieren mit meinem Waldi.“
Überzeugungsarbeit als „Mammutaufgabe“
Er sei sich aber auch seiner Mammutaufgabe bewusst, wie es in der „Tagesschau“ der ARD am Dienstag hieß. Insbesondere werde es nicht ganz einfach werden, „die 85 Prozent Nicht-Grünen-Wähler davon zu überzeugen, dass es langfristig besser sei, Häuser ausschließlich mit Wärmepumpen und Solardächern auszustatten, statt weiterhin auf die Gasheizung zu setzen“.
Viele der Gegnerinnen und Gegner von Habecks Plänen störten sich immer noch an einer „Verspargelung der Landschaft“ durch Windparks, wie es in der ARD-Sendung hieß, und daran, dass man plötzlich eine Solar- bzw. Photovoltaikanlage auf das Dach seines neuen Hauses montieren lassen sollte.
„Bitte nicht in meinem Vorgarten“
Es sei das – auch hierzulande ganz gut bekannte – „‚Bitte nicht in meinem Vorgarten‘-Problem“, schrieb die „Augsburger Allgemeine“ am Mittwoch. „Klimaschutz und Energiewende ja, aber ohne dass ich aus meinem Fenster Windräder und Strommasten sehen muss“, laute vielfach das Credo.
Mit gutem Zureden allein, hieß es in der „Tagesschau“, werde die „Akzeptanz für großflächige Wind- und Solarparks nicht größer“. Das sei auch Habeck, seit 8. Dezember Minister in der deutschen „Ampelkoalition“ von SPD, Grünen und FPD, bewusst. Er wolle deshalb auch Gesetze ändern, die bisher den Ausbau von Anlagen verhindern – ein „deutlicher Wink in Richtung Bayern“. Von dort weht Habeck ein scharfer Wind entgegen – die im Freistaat geltende „10-H“-Regelung sei die strengste in ganz Deutschland. Sie besagt, dass der Abstand eines Windrads zu Wohngebäuden mindestens das Zehnfache seiner Höhe betragen muss.
„Durchaus Zündstoff“
Wo solche Regeln „vorgehalten werden, um Verhinderungsplanung zu betreiben, können die nicht weiter gelten“, wurde der Minister zitiert. Seine Pläne bargen deshalb „durchaus Zündstoff“, auf „langwierige Diskussionen und notfalls noch längere Vermittlungsverfahren“ könne er sich schon jetzt gefasst machen, so die Einschätzung der ARD.
Das ist tatsächlich sehr wahrscheinlich: Aktuell gebe es in ganz Deutschland an die 1.000 Bürgerinitiativen, „die sich das Panorama nicht verbauen lassen wollen oder befürchten, dass Windräder krank machen“, schrieb die bayrische „Augsburger Allgemeine“.
Vorbehalte gegen Habecks Pläne kamen aber nicht nur aus Bayern, sondern etwa auch aus Nordrhein-Westfalen. Dort rechtfertigte Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) die in dem Bundesland geltende Abstandsregel von 1.000 Metern. Diese würde gleichwohl einen hinreichenden Windkraftausbau ermöglichen, sagte er der „Rheinischen Post“.
Unermüdliches Werben für die Wende
Der grüne Wirtschafts- und Klimaschutzminister wirbt jedenfalls unermüdlich für seine Pläne und sieht seine beiden Zuständigkeitsbereiche als durchaus miteinander vereinbar. Am Donnerstag betone er in Berlin die wirtschaftlichen Chancen eines ökologisch-sozialen Umbaus. Der Klimaschutz sei „eine Herausforderung, die uns wachsen lassen kann“, sagte. Er rechne fest mit einem Aufschwung für Industrie und Handwerk.
Mit Blick auf die aktuell hohen Energiepreise sagte Habeck, es seien „die fossilen Energieträger, die derzeit die Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher nach oben treiben“ – Erdgas, Erdöl und Kohle. Mittelfristig sei daher „die beste Chance, die wir haben, uns unabhängig zu machen von den fossilen Energien“. Angesichts steigender Energiepreise müsse Deutschland auch unabhängiger von Rohstoffimporten werden, betonte Habeck.
Enorme Lücke nach dem Atom- und Kohleausstieg
Der deutsche Minister kündigte außerdem erneut Anstrengungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren an. Es dauere im Schnitt sechs bis acht Jahre, um ein Windrad zu genehmigen. „Da muss man jetzt nicht besonders helle sein oder in Mathematik in der Schule aufgepasst haben, um zu merken, dass das nicht funktionieren kann.“
Für Deutschland hat der Ausbau des Sektors Erneuerbare eine eigene Dringlichkeit. Das Land will bis spätestens 2038 aus der Erzeugung von Energie aus Stein- und Braunkohle aussteigen, nach Möglichkeit schon früher. Allerdings: Im ersten Halbjahr 2021 hatte Kohle nach Daten des Statistischen Bundesamts (StBa) in Wiesbaden mit 27 Prozent noch den größten Anteil am Energiemix.
Ambitioniert sind die Pläne deshalb, weil die Bundesrepublik 2022 auch die letzten Atomkraftwerke abschalten will. Deutschland muss daher nicht nur einen enormen wirtschaftlichen Strukturwandel bewältigen, sondern vor allem die durch den Ausstieg aus Kohle und Nuklearenergie entstehende Lücke füllen und den Sektor erneuerbare Energieträger stark ausbauen.