Stiege, die ins Impfzentrum Austria Center führt
Reuters/Leonhard Foeger
Gesundheitsausschuss

Impfpflicht vor nächster Etappe

Die ab Februar geplante Impfpflicht wird am Montag im Gesundheitsausschuss des Nationalrats behandelt. Zum vorliegenden Gesetzesentwurf findet auch ein öffentliches Fachleutehearing statt. Am Abend wird dann der Ausschussbeschluss erwartet – mit den Stimmen der Koalition sowie jener der Oppositionsfraktionen SPÖ und NEOS, deren Abgeordnete das Vorhaben zum überwiegenden Teil mittragen.

Am Donnerstag ist dann der Nationalratsbeschluss geplant. Für einen Beschluss braucht es nur eine einfache Mehrheit, über diese verfügen die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne sowohl im National- als auch im Bundesrat. Die Regierung versucht aber, eine breitere Zustimmung zu erhalten – und zwar über Einbindung von SPÖ und NEOS. Es zeichnet sich aber ab, dass einzelne Mandatarinnen und Mandatare wohl gegen den Entwurf stimmen werden.

Die FPÖ lehnt die Impfpflicht komplett ab und wird dementsprechend wohl kollektiv gegen den Entwurf stimmen. Erst Sonntagmittag war der Gesetzesentwurf der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Obwohl die Begutachtungsfrist erst vor wenigen Tagen zu Ende war, sei das kein Schnellschuss, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der ZIB2 am Sonntag.

Nehammer: „Soll kein Drüberfahren sein“

Man sei auf die Bedenken eingegangen – die Impfpflicht solle „kein Drüberfahren sein“. Die Impfpflicht sei ein Instrument, das nicht gegen eine spezielle Variante, sondern gegen das Coronavirus an sich eingesetzt werden soll, argumentierte der Kanzler den engen Zeitplan. Er selbst – dreifach geimpft und frisch genesen – sei das beste Beispiel dafür, „dass die Impfung schützt und nützt“. Durch das Impfen „können wir verhindern, dass unsere Freiheit weiter beschränkt wird“, so Nehammer.

Der finalisierte Entwurf sei in enger Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (GECKO) und im konstruktiven und vertrauensvollen Austausch mit den Parteichefinnen von SPÖ und NEOS, Pamela Rendi-Wagner und Beate Meinl-Reisinger, erarbeitet worden.

Nehammer zur Impfpflicht

Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer erklärt den Gesetzesentwurf der türkis-grünen Bundesregierung zur CoV-Impfpflicht für alle Österreicher

„Bedenken der Menschen ernst genommen“

Schon während der laufenden Begutachtungsfrist habe man die eintreffenden Stellungnahmen berücksichtigt, erklärt Nehammer das Tempo. Man habe jedenfalls die Bedenken der Menschen ernst genommen, weil es viele gäbe, „die tatsächlich Ängste haben“. Eine Änderung habe es unter anderem bei der von der Impfpflicht betroffenen Altersgruppe gegeben, statt wie zuvor angedacht für ab 14-Jährige wird sie nun erst für Menschen ab 18 Jahren gelten.

Dass die Impfpflicht vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) standhält, davon geht Nehammer aus – man habe Verfassungsexpertinnen und -experten eingebunden. Ein Urteil könne er jedoch nicht vorwegnehmen.

Ab Februar mit „Eingangsphase“

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Impfpflicht Anfang Februar mit einer „Eingangsphase“ in Kraft treten wird, wie Nehammer zuvor bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zur Präsentation des Entwurfs mit Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) sagte.

Im Gegensatz zum ursprünglichen Plan werde die Impfpflicht nun für Personen ab 18 Jahren gelten. Ausnahmen gibt es etwa für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Weiters sind Genesene für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgenommen.

Somit hält die Regierung am Startzeitpunkt Anfang Februar weiter fest – ungeachtet dessen, dass die technische Umsetzung der Erfassung der Ausnahmen im nationalen Impfregister erst frühestens ab April möglich sein wird. Das hat die zuständige ELGA GmbH ja bereits Anfang Jänner erklärt.

Nehammer: „Ab Februar gilt die Impfpflicht“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach bei der Vorstellung der Impfpflicht von einer „großen Herausforderung“. Ab Anfang Jänner trete das Gesetz mit einer „Eingangsphase“ in Kraft.

Drei Phasen

Die Impfpflicht wird nun aber in drei Phasen eingeführt. Ab Anfang Februar – in einer „Eingangsphase“ bis 15. März – wird jeder Haushalt schriftlich über die Maßnahme informiert. Danach wird die Impfpflicht zum Kontrolldelikt, kontrolliert wird ab 16. März etwa im Rahmen von Kontrollen im Straßenverkehr. Wird jemand ertappt, der nicht geimpft ist, muss er ab diesem Zeitpunkt mit einer Anzeige und auch einer Strafe rechnen.

Sollte es epidemiologisch notwendig sein, tritt später die dritte Phase in Kraft. Dann bekommen Ungeimpfte einen Impftermin zugeordnet, wenn sie diesen nicht einhalten, bekommen sie automatisierte Impfstrafverfügungen ausgestellt. Voraussetzung für die Umsetzung dieser Phase ist die Zustimmung des Parlaments im Hauptausschuss.

Der Strafrahmen reicht von 600 Euro (im abgekürzten Verfahren) bis 3.600 Euro (im ordentlichen Verfahren). Beugehaft und Ersatzfreiheitsstrafe sind nicht vorgesehen. Im Rahmen des Kontrolldelikts werde den Regierungsplänen zufolge maximal viermal pro Kalenderjahr gestraft, wie Edtstadler auf Nachfrage sagte. In der dritten Phase – sofern dann tatsächlich flächendeckende Strafen für Ungeimpfte kommen sollten – soll maximal zweimal im Jahr gestraft werden. „Im besten Fall“ werde man Nehammer zufolge die dritte Phase aber gar „nicht brauchen“.

Keine Impfpflicht für Schwangere

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) verweist unter anderem auch auf die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen. Die Impfpflicht gilt ab 18 Jahren. Ausgenommen sind Schwangere und Menschen mit besonderen Erkrankungen. Weiters sind Genesene für einen Zeitraum von sechs Monaten ausgenommen.

„Verlässlichstes Mittel gegen Pandemie“

„Die Impfung schützt, sie schützt uns, und sie schützt auch unsere Mitmenschen“, sagte Mückstein zu dem Vorhaben. Man müsse als gesamte Gesellschaft alles daransetzen, „dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen“, um aus der Spirale des ständigen Lockdowns und Öffnens wieder herauszukommen.

Verfassungskonformität der Impfpflicht

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach zur Verfassungskonformität des neuen Impfpflichtgesetzes. Die Impfpflicht sei ohne Frage ein Eingriff in die Grundrechte, aber es brauche einen schwerwiegenden Grund wie die Gesundheit der Gesellschaft, und es brauche ein effektives Mittel.

Edtstadler sagte, es sei keine Frage, „dass die Impfpflicht ein Eingriff in die Grundrechte ist“ – aber sie sei klar verfassungsrechtlich zulässig. „Im Moment wissen wir, dass die Impfung das verlässlichste Mittel im Kampf gegen die Pandemie ist.“

Edtstadler: Mit EU-Recht vereinbar

Auch sieht Edtstadler das neue Gesetz mit EU-Recht vereinbar. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Urteil vom April 2021, das sich auf eine Beschwerde aus Tschechien wegen der Impfpflicht von Minderjährigen bezog, klargestellt, dass diese Impfpflicht rechtskonform ist“, sagte die frühere Richterin in einem Interview mit der deutschen „Welt“ (Montag-Ausgabe). „Der Eingriff in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, also das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, kann also auch durch eine Impfpflicht gerechtfertigt sein“, so Edtstadler weiter.

Gelindere Mittel? Funk: „Erfahrung und Zeit fehlt“

Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht „aus der Argumentationslage (der Regierung, Anm.) heraus eine Entwicklung, dass man dem Gesetz Verfassungskonformität bescheinigen“ könne, wie er gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal sagte. Man könne derzeit nur prognostizieren, Einschätzungen könnten sich freilich später noch „als falsch herausstellen“, so Funk. Man könne aber aufgrund der Pandemielage nicht warten, bis alle Informationen „wissenschaftlich gesichtet“ seien, so Funk. Zur Frage, ob gelindere Mittel vorhanden sein könnten, fehlten derzeit „Erfahrungsgrundlagen und Zeit“, so Funk.

Von SPÖ und NEOS mehrheitlich mitgetragen

Das Gesetz wird von SPÖ und NEOS mitgetragen, wenn auch nicht mit voller Begeisterung. SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner sprach am Sonntag von einem „praktikablen Entwurf“, forderte aber noch Klarstellungen. NEOS-Chefin Meinl-Reisinger betonte, sie unterstütze wie eine Mehrheit der NEOS-Abgeordneten die Impfpflicht. Der NEOS-Klub wird jedenfalls mehrheitlich, aber nicht geschlossen für die Impfpflicht stimmen – von 15 Abgeordneten dürften mindestens drei dagegen sein.

Sozialsprecher Gerald Loacker hatte bereits angekündigt, gegen die Impfpflicht zu stimmen. Er nannte einerseits den bürokratischen Aufwand als Grund für seine Entscheidung, andererseits auch virologische Argumente. Neben Loacker werden voraussichtlich auch Johannes Margreiter und Fiona Fiedler nicht zustimmen, war aus dem Klub zu vernehmen. Mandatarin Stephanie Krisper will noch den finalen Gesetzestext durcharbeiten.

Auch die Gewerkschafter in der SPÖ halten ihr Stimmverhalten offen: So wollte sich etwa Sozialsprecher Josef Muchitsch nicht äußern – bis zur Abstimmung am Donnerstag werde es von ihm kein Statement geben. Der burgenländische Nationalratsabgeordnete Christian Drobits, ebenfalls Gewerkschafter, postete in sozialen Netzwerken, dass er sich seit Wochen intensiv auf die Entscheidung vorbereite und die letzten Tage vor der Abstimmung dazu nutzen werde, „um eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen treffen zu können“.

Skepsis äußerte im Vorfeld auch der Salzburger SPÖ-Chef David Egger. Er ließ am Montag noch offen, ob er dem nun vorliegenden Entwurf im Bundesrat zustimmen wird oder nicht. „Ich verstehe nach wie vor nicht den engen Zeitplan der Regierung in einer so zentralen Frage.“ Die Überarbeitung des Gesetzesentwurfs habe zwar einige Verbesserungen gebracht, es seien aber noch immer sehr viele Fragen offen, etwa arbeitsrechtlicher Natur.

FPÖ: „Viel zu viele Fragen offen“

In einer Pressekonferenz vor dem Ausschuss begründeten die Freiheitlichen ein weiteres Mal ihre Ablehnung. „Aus unserer Sicht sind viel zu viele Fragen offen und unbeantwortet, als dass diese Impfpflicht in Kraft treten könnte“, meinte der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. Der unter anderem von der FPÖ angeführte Protest habe aber auch Wirkung gezeigt. So habe die Regierung ihr Vorhaben in einigen Punkten abgeschwächt, so Kaniak.

„Wir haben keinen gerechtfertigten Eingriff in unsere Grundrechte“, befand wiederum FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst. Das Gesetz diene auch „keineswegs dem Schutz der Gesundheit“, sie brachte nicht näher genannte „Kollateralschäden“ ins Rennen.

Als Experten holten die Freiheitlichen abermals den Völkerrechtsexperten Michael Geistlinger aufs Podium, der bereits die Genfer Flüchtlingskonvention infrage gestellt hatte. Seine Bedenken konzentrieren sich auf die vorläufige Zulassung der Impfstoffe, da noch zahlreiche Daten vermisst würden.

Wirtschaftskammer erfreut

Hinsichtlich des Entwurfs erfreut gab sich die Wirtschaftskammer: Impfen sei „nachweislich der beste und einzig wirksame Schutz vor Hospitalisierung und Intensivbehandlung“, so WKO-Präsident Harald Mahrer und -Generalsekretär Karlheinz Kopf. Sie sahen ihre Vorschläge aufgegriffen – u. a. zeigte man sich von der Eingangsphase angetan, die den noch Ungeimpften Zeit gibt, die Impfung nachzuholen.

Auch vom steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) kam Zustimmung: „Die Impfpflicht ist notwendig, damit wir alle wieder unsere Freiheit zurückbekommen“, sagte er. Angesichts von Ängsten und Sorgen in der Bevölkerung sei es wichtig, „dass Information und Aufklärung über die Impfung im Gesetz, das wohl eher zu spät als zu früh kommt, entsprechend berücksichtigt wurden“.

Doskozil hält indirekte Pflicht für besser

Indes sagte der burgenländische Landeshauptmann und SPÖ-Landesparteichef Hans Peter Doskozil, er halte eine „indirekte Impfpflicht“ nach wie vor für besser als das nun vorliegende Gesetz für die Impfpflicht. Am Rande eines Pressetermins in Neudörfl (Bezirk Mattersburg) am Montag bekräftigte er: „Eine indirekte Impfpflicht über kostenpflichtige Tests wäre mir lieber gewesen“ – mehr dazu burgenland.ORF.at.